Anfängerfehler: Trunkenheitsfahrt, oder: Auch dazu muss man etwas feststellen

© Shawn Hempel - Fotolia.com

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In meinen Augen selbstverständliche Ausführungen, quasi Grund-/Basiswissen, enthält der OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.11.2015 – 1 Ss 386/15 – zur Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB. Allerdings so „selbstverständliches Basiswissen“ scheint die angesprochene Frage dann für das LG Gießen doch nicht gewesen zu sein, denn sonst hätte sich das OLG nicht damit befassen müssen. Für das OLG Frankfurt war es dann aber doch selbstverständlich, was sich m.E. daran zeigt, dass man einfach die Stellungnahme der GStA „einrückt. Und die lautete:

„In den Urteilsgründen wird zwar festgestellt, dass der Angeklagte zur Tatzeit — gegen 12.30 Uhr — eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,82 Promille hatte (UA S. 11).

Es lässt sich dem Urteil allerdings nicht entnehmen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände das Gericht diese Feststellung getroffen hat. Die im Zusammenhang mit den Wahrnehmungen der Zeugen M.S. (UA S. 13) und K. und Sch. (UA S. 13) jeweils erwähnte „Blutalkoholuntersuchung“ lässt mangels weiterer Ausführungen hierzu näheres nicht erkennen, namentlich schon nicht, ob dem Angeklagten nach der Tat eine Blutprobe abgenommen worden ist, ob, wie und von wem diese untersucht wurde pp.

Will das Tatgericht dem Gutachten eines Sachverständigen folgen, muss es dies zunächst angegeben und dann in der Regel die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darlegen, dass das Rechtsmittelgericht überprüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erkenntnissen. der Wissenschaft und den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens möglich sind (vgl. BGH StV 2014, 587; NStZ 2013, 420; OLG Frankfurt am Main -1 Ss 200/15-; -2 Ss 32/15-). Will sich der Tatrichter dem Ergebnis eines zur Blutalkoholkonzentration eingeholten Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen, so müssen in den Urteilsgründen die Berechnungsgrundlagen so wiedergegeben werden, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob der Blutalkoholwert zutreffend ermittelt worden ist (vgl. OLG Frankfurt am Main -3 Ss 63/14-). Für die Bestimmung des Blutalkoholgehalts bedeutet dies, dass im Urteil grundsätzlich Angaben über den Zeitpunkt der Tat, über den Zeitpunkt der Blutentnahme, über den Blutalkoholgehalt zur Zeit der Entnahme und über den zugrunde gelegten Rückrechnungswert enthalten sein müssen (vgl. OLG Frankfurt am Main -3 Ss 342/15-; -3 Ss 34/09- Fischer, StGB, 62. Auflage, § 316 Rn. 16a).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Es fehlt sowohl an der Mitteilung, ob ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde, als auch an der Angabe des Entnahmezeitpunktes, des Blutalkoholgehaltes zur Entnahmezeit und der für die Berechnung der Mindest- bzw. der Maximalblutalkoholkonzentration zugrunde gelegten Rückrechnungswerte.

Auch sonst fehlen jegliche Angaben dazu, worauf das Gericht den festgestellten Blutalkoholwert stützt. Für das Revisionsgericht ist daher nicht nachvollziehbar; ob das Tatgericht die Mindest- und Maximalblutalkoholkonzentration zutreffend ermittelt hat.

Da es an jeglichen Anknüpfungspunkten für eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration fehlt, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das angefochtene Urteil, mit dem der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt wurde, auf dem aufgezeigten Darlegungsmangel beruht (§ 337 StPO).

Ein Ausnahmefall, bei dem das Messergebnis in keiner Weise in Zweifel gezogen wird, ist hier nicht gegeben, da der Angeklagte seine Fahrereigenschaft in Abrede stellt und das Urteil insgesamt angreift (RB S.1 ff).

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Feststellungen des angegriffenen Urteils die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit getragen hätten. Denn zwar ist in den Urteilsgründen festgehalten, dass der Angeklagte am Tattag bereits morgens Alkohol getrunken hat (Aussage des Zeugen W., UA S. 15). Weiter, dass der Angeklagte entgegen der vorgegebenen Fahrtrichtung zwei Einbahnstraßen befahren hat (UA S. 11,12). Auch, dass der Angeklagte nach Absteigen vom Motorrad schwankend ins Lokal gegangen ist und deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden habe, ist vom Zeugen M.S. beobachtet und in den Urteilsgründen festgehalten worden (UA S. 12). Die Zeugen K. und S. gaben an, der Angeklagte sei zunächst so aggressiv gewesen, dass man Verstärkung angefordert habe, und habe sich erst im weiteren Verlauf beruhigt (UA S. 13). Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Kammer diese Umstände aber nicht weiter bewertet, insbesondere nicht erkennbar als Zeichen einer Fahruntüchtigkeit behandelt oder Ausführungen zu einer relativen Fahruntüchtigkeit gemacht.“

Dazu das OLG nur: „Dem tritt der Senat bei.“ Ich auch.

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