Chapeau, AG Landstuhl – so macht man bei ESO ES 3.0 dem Hersteller Beine; oder: Durchsuchung angedroht

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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Von zwei Seiten bin ich gestern auf den AG Landstuhl, Beschl. v. 06.11.2015 – 4286 Js 2298/15 – hingewiesen worden, nämlich einmal von meiner „Urteilsmutter“ = dem Kollegen Garcia, der mich immer wieder auf interessante Entscheidungen hinweist (wir betreiben einen kleinen Wettlauf dergestalt, ob ich die Entscheidungen schon kenne 🙂 ) und vom Kollegen Krenberger vom AG Landstuhl. Und den Beschluss will ich dann auch gleich heute „bringen“. Denn er zeigt m.E. sehr schön, dass es sich für den Verteidiger/Angeklagten „lohnen“ kann, hartnäckig zu bleiben und sich nicht zu früh mit den von der Verwaltungsbehörde gelieferten Messdaten/-unterlagen – es dürfte sich um ESO ES 3.0 gehandelt haben – zufrieden zu geben. Andererseits zeigt er aber auch, dass es sich eben – zum Glück – nicht alle AG so einfach machen, wie z.B. das AG Dillenburg im AG Dillenburg, Beschl. v. 02.11.2015 – 3 OWi 54/15, das den Betroffenen/Verteidiger in ein paar Sätzen „abfertigt hat: Basta, gibt es nicht.

Aus dem AG Landstuhl, Beschl. ist allein der Tenor schon berichtenswert. Der lautet:

  1. Dem Zeugen ppp. wird zur Vorbereitung auf die nächste Hauptverhandlung in dieser Sache aufgegeben, bei der Messstelle 511006, BAB62, km 219,6, Gem. Bann, die Länge des sog. Seitenstreifens binnen 2 Wochen zu verifizieren.
  2. Der Zentralen Bußgeldstelle Speyer wird aufgegeben, dem Sachverständigen ppp. die für den Messtag 16.07.2014 erstellten Rohmessdateien binnen 2 Wochen zu übersenden.
  3. Der Firma ppp. GmbH, ppp. , wird zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen nach §§ 94 ff. StPO, 46 OWiG aufgegeben, dem Sachverständigen ppp. den herstellerseits ohne Veranlassung der Zentralen Bußgeldstelle eingefügten Code zur Entschlüsselung der Messserie zu übermitteln, die am unter Ziffer 2. genannten Messtag bei der unter Ziffer 1. genannten Messstelle mit dem Messgerät ES3.0 mit der Gerätenr. 5099, Bauartzulassung 18.11/06.04 laut Eichschein des Regierungspräsidiums ppp. ., Nummer 1812262_14 vom 17.06.2014, binnen 2 Wochen zu übermitteln, um eine Begutachtung der verfahrensgegenständlichen Messung mittels Auswertung der Helligkeitsprofile der einzelnen Messungen vornehmen zu können.
  4. Das Gericht weist explizit darauf hin, dass es nicht angezeigt ist,

a) den Hersteller für diese Tätigkeit außerhalb des JVEG zu vergüten,
b) mglw. ein eigens vom Hersteller vorgesehenes Programm zur Überprüfung der Messung zu nutzen und
c) den Rohdatensatz zur Entschlüsselung an den Hersteller des Messgeräts zu übersenden, letzteres schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht.

Mir gefällt besonders die Ziffer 3 – „zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen nach §§ 94 ff. StPO, 46 OWiG aufgegeben“. Auf die Möglichkeit von Beschlagnahme und Durchsuchung hatte ja schon das OLG Celle hingewiesen. Vielleicht erleben wir es ja noch, dass bei einem Hersteller mal durchsucht wird/werden muss.

7 Gedanken zu „Chapeau, AG Landstuhl – so macht man bei ESO ES 3.0 dem Hersteller Beine; oder: Durchsuchung angedroht

  1. rajede

    Ein unabhängiger Richter. Mir gefallen besonders die Hinweise am Ende des Beschlusses, vielleicht hat der Richter sein III. Staatsexamen am Revisionsgericht absolviert und kann es nicht lassen …

  2. Gast

    Es scheint ja nicht ohne Risiko zu sein, dem Staat technische Gerätschaften zu verkaufen – selbst wenn alles so beschaffen ist, wie es nach den getroffenen Vereinbarungen sein sollte, muss man offenbar damit rechnen, dass der Staat einem hinterher durch seine Amtsrichter mal eben massenhaft zusätzliche Serviceleistungen „aufgibt“, und zwar bitte dalli dalli, kostenlos und unter Androhung staatlicher Zwangsmaßnahmen. Wäre es demgegenüber nicht Sache der staatlichen Einkäufer gewesen, sich von vorneherein eine Beschaffenheit der Messgeräte auszubedingen, mit der man hinterher auch rechtsstaatskonforme OWi-Prozesse führen kann? Und wäre es, falls die Beschaffenheit des Messgeräts nicht vertragskonform sein sollte – wie das Amtsgericht hier offenbar ungeprüft annimmt – , nicht eine notfalls vor den Zivilgerichten auszutragende Vertragstreitigkeit, den Verkäufer/Hersteller zur Beseitigung vertragswidriger Verschlüsselungen zu zwingen?

  3. Miraculix

    Die Servicemaßnahmen hat sich ESO selbst auferlegt weil Sie die Daten verschlüsseln und den Schlüssel nicht herausgeben. Da gibt es offensichtlich viel zu verbergen.
    Wenn die Daten unverschlüsselt zur Verfügung stehen sind auch keine Servicemaßnahmen erforderlich. Einkäufer sind übrigens meistens Gemeinden mit klammen Kassen.

  4. Ö-Buff

    Der dritte Mitspieler neben Einkäufer und Anbieter wird hier vergessen: Die PTB. Sie geriert sich als (dem Wirtschaftsministerium unterstellte) unfehlbare Zulassungsbehörde, soll aber oft genug ihre eigene Arbeit begutachten, bzw. die Zulassung wird als antizipiertes Sachverständigengutachten fehlgedeutet.

    Dabei zeigt sich oft genug, dass gerade dort immer wieder Fehler gemacht oder Effekte der Geräte nicht erkannt werden, die gerade erst zu den Diskussionen führen. Würde man die Speicherung der Rohdaten der Messungen verlangen (also nicht die verschlüsselten Messdateien, sondern die Rohdaten, die zum Geschwindigkeitsmesswert geführt haben) ließe sich eine Messung wesentlich detaillierter nachvollziehen. Die Frage ist, ob das in bestimmten Kreisen überhaupt gewünscht ist.

  5. Peter Grund

    Alles Verbrecher, diese Messgerätehersteller. Endlich wird mal durchgegriffen. Hoffentlich finden auch Verhaftungen statt!

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