Aussetzungsantrag muss „passen“

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Im heute auf der Homepage des BGH veröffentlichten BGH, Beschl. v. 30.06.2015 – 3 StR 183/15 – geht es um den rechtlichen Hinweis und um den mit ihm zusammenhängenden Anspruch des Angeklagten auf Aussetzung des Verfahrens nach § 265 Abs. 3 StPO. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen versuchten Totschlags. In der Hauptverhandlung waren – so verstehe ich den BGH, Beschluss – nach Auffassung des BGH neue Umstände hervorgetreten, die ggf. zu einer Anwendung des § 265 Abs. 3 StPO hätten führen müssen.

Aber: Allein das Hervortreten dieser neuen Umstände genügt nicht. Es muss auch ein zu § 265 Abs. 3 StPO „passender Antrag“ gestellt werden:

Die Verfahrensrüge der Verletzung von § 265 Abs. 3 StPO erweist sich auch dann jedenfalls als unbegründet, wenn in der Hauptverhandlung – entgegen der Ansicht des Landgerichts und des Generalbundesanwalts – neue Umstände hervorgetreten waren, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zuließen als die in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten. Derartige Umstände waren hier darin zu sehen, dass der Angeklagte – nach dem Hinweis des Landgerichts auf die Möglichkeit eines derartigen Ergebnisses der Beweisaufnahme und abweichend von der zugelassenen Anklage – mit Tötungsvorsatz einen Schuss auf den Oberkörper des Nebenklägers S. abgegeben und sich für diesen Fall tateinheitlich wegen versuchten Totschlags gemäß § 212 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB auch zum Nachteil dieses Nebenklägers strafbar gemacht haben könnte, ein Geschehensablauf, wie ihn das Landgericht dann letztlich auch dem Schuldspruch zugrunde gelegt hat.

Dies allein genügt jedoch nicht, um den Aussetzungsanspruch nach § 265 Abs. 3 StPO zu begründen. Dieser setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass der Beschwerdeführer die neu hervorgetretenen Umstände bestreitet, also die Richtigkeit dieser Tatsachen in Abrede stellt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2006 – 1 StR 561/05, wistra 2006, 191; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 93; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 265 Rn. 66; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 265 Rn. 36, krit. hierzu Mitsch in NStZ 2004, 395 f.). Dies hat der Angeklagte nach dem Inhalt des Aussetzungsantrags und dem sonstigen Revisionsvortrag nicht getan. Dass der Angeklagte sich nach den Urteilsgründen in der Hauptverhandlung dahin eingelassen hat, er habe die Schüsse auf die beiden Nebenkläger nicht abgegeben und sich zur Tatzeit nicht am Tatort, sondern bei seinen Eltern aufgehalten, genügt zur Erfüllung dieser Voraussetzung nicht; denn dies betrifft ausschließlich die Frage der Täterschaft, während es sich bei der Richtung des abgegebenen Schusses um eine solche des objektiven Tatablaufs handelt, die unabhängig von der Person des Schützen zu beurteilen ist.“

4 Gedanken zu „Aussetzungsantrag muss „passen“

  1. RA Fuschi

    Äh, was? Wie hätte denn der ANgeklagte, der vorträgt, nicht am Tatort gewesen zu sein – also gar keine Schüsse abgegeben zu haben – bestreiten sollen, dass der Schütze einen Schuss in Richtung des S abgegeben hat? Aus seiner Sicht wusste er doch gar nicht, was dieser Schütze gemacht hat. Der Hinweis, dass man nicht vor Ort war – der Zivilrechtler würde sagen „Erklärung mit Nichtwissen“ – enthält doch immer ein umfassendes Bestreiten oder?

  2. rakuemmerle

    Muss man jetzt in der Hauptverhandlung anfangen, wie die Zivilisten mit Nichtwissen zu bestreiten? Das merk ich mir und werde es bei Gelegenheit mal anbringen. Und wenn der Richter fragend schaut, zaubere ich diesen BGH-Beschluss aus der Tasche. 🙂

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