NSU: Strafanzeige von B. Zschäpe gegen die drei „Alt-Verteidiger“

© stockWERK - Fotolia.com

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Na, das ist doch mal eine Meldung, die da gerade am Freitag noch über die Ticker läuft. B.Zschäpe hat die drei Alt-Verteidiger wegen Verletzung der Schweigepflicht (§ 203 StGB) angezeigt (vgl. u.a. hier). Es ist in der Tat mehr als deutlich, dass sie die drei loswerden will.

Mich fragt dann schon ein Kommentator bei NSU: Entwarnung in München – aber m.E. „wenig Ahnung“ zur Pflichtverteidigung im ZDF – wie es denn nun weitergeht? Nun, es wird m.E. erst mal weitergehen. Ganz so einfach ist es nach wie vor nicht, die drei „Alt-Verteidiger“ los zu werden. Allerdings wird es natürlich immer schwieriger, sie im Verfahren zu lassen. Also ich habe mal schnell nachgeschaut: Es gibt Rechtsprechung zu dem umgekehrten Fall, wenn nämlich der Pflichtverteidiger Strafanzeige gegen seinen Mandanten erstattet (BGHSt 39, 310 110). Aber zu dem hier vorliegenden Fall habe ich auf die Schnelle nichts gefunden. Allerdings wird man auch da vorsichtig sein (müssen) und allein den Umstand, dass Strafanzeige erstattet worden ist, nicht ausreichen lassen. Ich bin gespannt, was das OLG München macht.

Nachtrag hier: Vom „Terrorismus-Blog„.

21 Gedanken zu „NSU: Strafanzeige von B. Zschäpe gegen die drei „Alt-Verteidiger“

  1. RA

    Ziehe ich die Rechtsprechung zur Befangenheit analog heran, wäre eine Entpflichtung nicht zu diskutieren. Allerdings bedarf es ja eigentlich eines Vertrauensverhältnisses für die Verteidigung. Daran fehlt es natürlich. Insoweit wäre eine Entpflichtung wohl gut vertretbar, würde aber natürlich zum Platzen des Verfahrens führen. Deswegen scheidet das wohl aus.
    Bedenklich finde ich allerdings, dass nach einigen Pressemeldungen der neue Kollege an der Anzeige beteiligt sein soll. Lässt sich da jemand bedingungslos vor den Karren der Mandantin spannen?

  2. HolgerS

    Ich bin Laie,habe da so aber meine eigene Gedanken dazu.
    Die Frage ist aus meiner Sicht was wird hier eigentlich bezweckt? Jede Woche ein neuer Antrag von der Mandantin oder der Verteidiger, jetzt halt noch der Weg, alles mit dem Ziel die Entpflichtung zu erreichen. Ich glaube fast nicht das das Vertrauensverhältnis arg gestört ist, ich glaube eher das ist viel zu gut 🙂 Nur die Frage, wofür und warum das ganze?

  3. n.n.

    Sieht für mich so aus, als wolle man mit der Brechstange die 3 Altverteidiger aus dem Prozess drängen. Und dann erzählt der neue Verteidiger, dass er erst auf Bl. 37.500 d. HB angekommen ist und noch 275.000 Bl. sowie diverse Sonder- und Beweismittelbände vor sich hat und beantragt Aussetzung.
    Die nächste Eskalationsstufe wäre vermutlich erreicht, wenn Frau Z. im Saal gegenüber ihren Altverteidigern tätlich wird, dann wäre deren Entpflichtung wohl nur noch schwer abzulehnen.

  4. RA-AK

    Nach OLG Köln StV 1994, 234 kann der Angeklagte den Widerruf der Bestellung nicht dadurch erreichen, dass er den Verteidiger falsch verdächtigt. In dem Fall ging es allerdings „nur“ um die Andeutung eines standeswidrigen Verhaltens des Strafverteidigers. Die Stellung einer Anzeige allein wird nicht reichen, da bin ich Ihrer Meinung.
    Abgesehen vom Juristischen: Frau Tzschäpe scheint an der Hauptverhandlung offensichtlich gefallen gefunden zu haben. Ich dachte eigentlich, Angeklagter zu sein sei etwas belastendes….

  5. RA Tatouille

    Das wird ebenfalls nicht für eine Entpflichtung reichen. Anderenfalls hätte der/die Angeklagte es ja in der Hand allein durch eine Strafanzeige gegen den Pflichtverteidiger diesen loszuwerden. Das spräche sich aber schnell herum. Daß man umgekehrt als Verteidiger keinen Bock mehr hat, mit so einem Mandanten zusammenzuarbeiten, liegt auf der Hand. Andererseits muß man Profi genug sein, um auch mit solchen Mandanten fertig zu werden (Frau Zschäpe würde ich was husten)..

    Es ist in der Literatur unstreitig, daß ein Verteidiger sich nicht von dem Mandanten auf der Nase herumtanzen lassen muß und der Mandant einen Entpflichtungsantrag nicht darauf stützen kann, daß der Verteidiger einmal Tacheles mit ihm redet und sich seinen Wünschen verweigert (vgl. Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 6. Auflage, S. 85 ff.: „Autorität und Distanz“). Ebenso macht sich der Verteidiger nicht nach § 203 StGB strafbar, wenn er im Rahmen seiner Verteidigerstellung dem Gericht Einzelheiten aus dem Mandatsverhältnis offenbart, soweit dies für eine sachgerechte Verteidigung notwendig ist. Strafbar ist ja nur das „unbefugte“ Offenbaren.

    Wenn bspw. der Verteidiger den Eindruck gewinnt, der Mandant leide unter einer Krankheit im Sinne von § 20 StGB, der Angeklagte aber par tout nicht will, daß diese Frage gegenüber dem Gericht thematisiert wird, muß der Verteidiger dies im objektiven Interesse seines Mandanten erforderlichenfalls dennoch offenbaren.

    Die Auffassung, daß schon eine Besprechung mit dem Vorsitzenden über die Frage, OB der Mandant Angaben zur Sache machen will, die Schweigepflicht verletze, halte ich für lachhaft. Hier wird kein „Geheimnis“ im Sinne des § 203 StGB verraten.

  6. Detlef Burhoff Beitragsautor

    @RA Tatouille. Bin bei Ihnen :-). Was wir erleben, ist ein Kleinkrieg – aus welchen Gründen auch immer – und vielleicht auch ein wenig „Neu“ gegen „Alt“. Ich freue mich schon auf die Kommentare der ZDF Rechtsexpertin S. Tacke 🙂

  7. Peter Klein

    Konfliktmandantin… Sie hat offenbar von ihren Verteidiger gelernt, wie man sinnfrei Ärger macht 🙂

  8. egal

    Ob das Ganze so sinnfrei ist, wird sich wohl erst später zeigen.

    Ich finde übrigens so Gedankengänge wie „offenbar mit UHaft arrangiert“ ziemlich daneben. Sie hat sich das nicht ausgesucht und sitzt seit mehreren Jahren unverurteilt und unter härteren Bedingungen als bei Strafhaft in der UHaft.

    Ob die Probleme mit der Verteidigung „echt“ sind oder nicht, werden wir wohl als Unbeteiligte aus der Ferne kaum sagen können. Dass nach 2-3 Jahren ein UHäftling sicherlich auch psychologisch sich verändert, hatte ja bereits der Gutachter angedeutet. Der hohe Druck des Schweigens dürfte den Rest geben.

    Dass dann noch ein vierter Pflichtverteidiger ins Verfahren reinkommt, der dies offenbar schon lange versucht und die bei Schweigen und erdrückener Beweislage vermutlich beste Gangart wählt, führt natürlich auf allen Seiten zu Verdruß, auch und gerade bei den alten Pflichtverteidigern. Schon normale Verteidigungen sind nicht einfach für den Angeklagten, wenn sich ne klare und hohe Haftstrafe abzeichnet. Wie soll das nur in so ein Monster-Verfahren sein, wo noch ganz Deutschland und teilweise die internationale Presse raufschaut.

  9. Mr D

    Hallo,

    Ich sage dies einmal, obschon FA Strafrecht, jedenfalls als Versuch als Mensch.
    Dieses Verfahren ist für ALLE Beteiligten, auch für die Nebenkläger, mehr als belastend.
    Trotz alledem hat die Verteidigung Sorge dafür zu tragen, daß die Rechte von Frau Zschäpe gewahrt werden. So bitter, tragisch und auch traurig dies für die Angehörigen auch ist.

    Es scheint aber, dass wir es nunmehr mit einem Paradoxon zu tun haben.
    Vielleicht möchte die Angeklagte etwas sagen. Sei es auch aus nachvollziehbaren psychologischen Gründen. Positiv gedacht. Dann kann es sein, dass Verteidigung und Angeklagte nicht im gleichen Boot sitzen. Sollte dies so sein, so hat m. M. die Verteidigung ein eigenes Recht, dies nicht so zu sehen und entsprechend zu handeln. Es ist, wie gesagt, ein Paradoxon, ein Gordischer Knoten.

  10. Karsten Koch (Richter a. D.)

    Mich nervt eher der Umgang der Presse mit den Anträgen. Es wird jedesmal so getan, als stünde jetzt das Ende des Prozesses unmittelbar bevor. Der Senat wird (hoffentlich) nicht zulassen, dass die Angeklagte durch ihr Verhalten festlegt, wann das Verfahren zu Ende ist. Meines Wissens ist schon mal entschieden worden, dass es zur Entpflichtung auch nicht ausreicht, den Verteidiger eben mal im Gerichtssaal zu ohrfeigen. Mich erinnert, dass auch an die fortgesetzten Beleidigungen von Vorsitzenden, um dann zu behaupten, die seien jetzt aber nicht mehr unbefangen. So einfach derf es der Rechtsstaat einer Angeklagten aber nicht machen, wenn er ernstgenommen werden will.

  11. RA-AK

    @egal : Lieber „egal“, ich weiß gar nicht, was ich ihnen entgegnen soll, denn sie haben ja recht:
    1. sie hat sich die Uhaft nicht „ausgesucht“: das stimmt. Allerdings hat sie durch ihr Verhalten Anhaltspunkte für das Vorliegen strafbarer Handlungen geliefert. Es besteht also ein (dringender) Tatverdacht. Und das geltende Recht ermöglicht nun einmal Verdachtsinhaftierungen. Das ist unschön, aber leider nicht zu ändern. Die Gerichte werden (und können) es nicht ändern und auf den Gesetzgeber würde ich in punitiven Zeiten auch nicht hoffen. Wenn sie also auf demokratischem Wege Verdachtsinhaftierungen verbieten lassen wollen, müssen sie eine Mehrheit im Bundestag zusammenkriegen. Glückauf, meine Stimme hätten sie ;-).
    2. das sie unter härteren Bedingungen als Strafhaft in U-Haft sitzt, ist auch richtig. Darauf wollte ich hinweisen, als ich vom U-Haftvollzug schrieb. (Bei einem Freispruch muss sie natürlich keine Strafhaft fürchten. Ob ein Freispuch wahrscheinlich ist, kann ich nicht beurteilen, da ich die Beweislage nicht kenne).

    Aber ich bleibe dabei: offensichtlich hat sie sich mit ihren aktuellen Lebensumständen – HV-Tage und U-Haftvollzug – arrangiert. Denn ihr Prozessverhalten ist auf Aussetzung und Neubeginn des Prozesses gerichtet. Das bedeutet: mindestens 200 (wahrscheinlich viel mehr) neue Hauptverhandlungstage und fortgesetzter Uhaft-Vollzug. Ich muss davon ausgehen, dass sie sich diesen Konsequenzen bewusst ist. Sie hat sich gleichwohl dafür entschieden.
    Ich wage zu behaupten, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Angeklagten bei diesem Druck längst „eingebrochen“ wären und alles versucht hätten, den Prozess zu verkürzen.

  12. Peter Klein

    Wieso nach einem Sinn suchen, wo es keinen Sinn gibt. Sie ist schlicht genervt von Heer und Co. Wer sie kennt kann das verstehen. 🙂

  13. RA Berlin

    Mich wundert, dass hier alle von einer „erdrückenden Beweislage“ ausgehen. Es gibt einen Haftbefehl, der schon grottenfalsche Tatsachendarstellungen enthält. Das ist alles in den geleakten Akten und den Protokollen der diversen Ausschüsse nachzulesen. Die weitere Beweislage ist alles andere als handfest. Wenn nur eine der vorgeworfenen Taten nicht beweisen werden kann – und da bieten sich einige, angefangen vom Keupstraßenattentat, an – gibts das ganze NSU-Konstrukt nicht mehr. Und dann? Wer übernimmt die Verantwortung dafür, dass über die gesamte Behörden- und Presseszene bis hin zur Entschließung des Bundestages das Ergebnis dieses Prozesses bereits festgeschrieben wurde? Wer fordert die gezahlten Entschädigungen an die Angehörigen zurück und erklärt denen, dass sie ihre Nebenklagevertreter nun leider, leider selbst bezahlen müssen? Ich glaube, hier wird ein großes Stück gegeben, dass am Ende darauf abzielt, diesen Prozess zu beerdigen. Nicht gleich, aber schön gestreckt, so dass der Gewöhnungseffekt eintritt. Am Ende sind alle froh, dass die Farce vorbei ist. Der Schmücker-Prozess lässt grüßen. Übrigens ein Beispiel, wie man auch hätte verteidigen können…

  14. Karsten Koch

    Also ich gehe mal davon aus: Keiner von uns weiß, warum wer sich wie verhält. Das wissen die meisten Menschen ja selbst nicht. Können sie gar nicht wissen, weil sie lediglich den bewussten Teil ihrer Entscheidungen kennen. Und der ist – wie wir seit Jahren aus der Hirnforschung wissen – nicht der letztlich ausschlaggebende. Also lassen wir die Spekulationen über mögliche Gründe und Motive lieber sein und lassen uns überraschen, was sich noch so ergibt. Das Leben ist nun mal ein komplexes System und erlaubt schon deshalb, wie man aus Dr Physik weiß, keine Prognosen.

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