NSU: Entwarnung in München – aber m.E. „wenig Ahnung“ zur Pflichtverteidigung im ZDF

© MK-Photo - Fotolia.com

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Also: „Entwarnung“ in München. Die drei „Alt-Verteidiger“ bleiben im Verfahren (vgl. hier zum gestrigen Entbindungsantrag: NSU: Platzt das Verfahren – drei „Alt“Verteidiger beantragen Entbindung). Das war m.E. auch nicht anders zu erwarten. Allerdings, wenn ich die Nachrichten richtig deute, dann doch wohl eher aus „formalen“ Gründen. Vgl. dazu u.a. hier: NSU-Prozess: OLG München lehnt Entbindung von Zschäpe-Verteidigern ab, da heißt es:

„Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl begründete seinen Beschluss mit der Bemerkung, Heer, Stahl und Sturm hätten ihren Wunsch auf Entpflichtung «nicht einmal in groben Umrissen» konkretisiert. Daher habe er ihren Antrag «zur Sicherung des Verfahrens» ablehnen müssen.“

Da ist aber eher „nicht ausreichende Begründung“ (vgl. dazu dann auch hier bei der ARD), wobei sich dann die Frage stellt: Was kann/darf/muss der Pflichtverteidiger vortragen, wenn er entbunden werden will? Die Frage will hier jetzt gar nicht aufwerfen. Dazu hat es ja gestern auch schon einige Kommentare zu meinem Posting gegeben. Das Dilemma, in dem die Beteiligten an der Stelle stecken, liegt auf der Hand.

Was mich ärgert, ist die – in meinen Augen – „geringe Ahnung“, die ich gestern im „Heute-Journal“ von der „ZDF-Rechtsexpertin“ Sarah Tacke zu der Thematik gehört habe (hier bei diesem Video ist es nicht ganz so schlimm). Die „ZDF-Rechtsexpertin“ – wie wird man eigentlich „ZDF-Rechtsexpertin“ ? – hat einiges zur Pflichtverteidigung erzählt. Wenn ich das aber alles richtig verstanden habe, dann ist sie offenbar der Auffassung, dass die Pflichtverteidigung in erster Linie der Sicherung des Verfahrens im Interesse des Staates dient. Wenn das überhaupt ein Grund ist, dann ist der aber m.E. nachranging. Im Vordergrund steht das Interesse des Rechtsstaatsprinzips an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten. Insoweit ist der Verteidiger zunächst mal, ob er will oder nicht – § 49 BRAO – „muss“ – „Pflichtverteidiger. Das, was Frau Tacke erzählt hat, mag alles für den „Sicherungsverteidiger“ zutreffen. Aber: Sind wir schon so weit – auch, wenn der Senat das offenbar so sieht – siehe oben das Zitat ([etwas] besser daher hier: „Absolute Null“, „hinterhältiger Advokat“, „juristische Oberflasche“, aber da schreibt ja auch ein Professor 🙂 .

Ach so: Ich erwäge, dann doch mal meinen Rundfunkbeitrag von 17,50 € für einen Monat zurückzufordern. Grund: Nur Wiederholungen und Sport im Programm und in meinen Augen eben „wenig Ahnung“ von der „ZDF-Rechtsexpertin“. Und das muss/will ich dann (nicht) auch noch bezahlen (müssen).

27 Gedanken zu „NSU: Entwarnung in München – aber m.E. „wenig Ahnung“ zur Pflichtverteidigung im ZDF

  1. Ben

    Sehr geehrter Herr Burhoff,

    wie kommen Sie darauf, dass die Pflichtverteidigung v o r r a n g i g der effektiven Verteidigung des Beschuldigten zu dienen bestimmt ist? Nach dem Bundesverfassungsgericht ist es der „Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern u n d den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten“. Ein von Ihnen suggeriertes Stufenverhältnis ist für mich nicht erkennbar. Diese „Doppelrolle“ hat mE Frau Tacke vom Hof auch zum Ausdruck gebracht.

  2. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Für mich besteht dieses Stufenverhältnis, wenn Sie es so nennen wollen. Wenn Sie es anders sehen, ok. Im Übrigen hat Frau Tacke das m.E. nicht so zum Ausdruck gebracht.

  3. Ben

    Sie sprach von einer Doppelrolle. Im Übrigen bin ich bei Ihnen. Die Begründung des Gerichts bezieht sich ausweislich der Erklärung der Pressestelle allein auf den Zweck der Sicherung des Prozesses. Ergeht insoweit eigentlich ein Beschluss? Es wäre außerordentlich interessant, wie sich das Gericht zu dem von Ihnen aufgezeigten Dilemma zwischen dem substantiierten Vortag als Voraussetzung einerseits, und der Verschwiegenheit andererseits, äußerte.

    Am Ende kann es für das Gericht noch sehr schwierig werden: Mit jedem weiteren öffentlichen Streit zwischen Zschäpe und ihren Verteidigern wird der Druck auf das Gericht zunehmen, das gestörte Vertrauensverhältnis nicht doch anzunehmen, um eine Aufhebung durch den BGH zu vermeiden. Ich sehe darin einer perfide Taktik von Frau Zschäpe. Wie es bereits ein Vertreter der Nebenklage meinte, ist dies diesem Prozess überaus unwürdig.

  4. Alfred Stangl

    Und man möchte sagen: … zum Glück 🙂 Sie sind ein hervorragender Kommentator im Kostenrecht, aber mit ihren Einschätzungen zu aktuellen Rechtsfragen liegen sie doch recht häufig daneben. Aber davon leben Diskussionen ja…

  5. meine5cent

    Nun ja, dass die Presse nur einen knappen Auszug aus der Begründung des Vorsitzenden zitiert, dürfte keine eindeutige Beurteilung der Entscheidung ermöglichen.

    Zur Qualität generell möchte ich anmerken, dass sowohl bei SZ als auch SPON die erste Schlagzeile gestern in etwa lautete „Zschäpe-Verteidiger wollen Mandat niederlegen“. Soviel zur Ahnung der „Gerichtsreporter“ vom Unterschied zwischen Pflicht – und Wahlverteidiger…

  6. n.n.

    Einerseits wird seitens des OLG bestritten, dass das Vertrauensverhältnis zu den Altverteidigern tatsächlich zerrüttet ist, bzw. der Vortrag zu dieser Frage wird für unzureichend gehalten. Andererseits wird dennoch ein neuer Verteidiger des Vertrauens beigeordnet.
    Scheint so, als wolle das OLG sich in diesen Fragen möglichst wenig festlegen und in alle Richtungen absichern.

  7. Max

    Kann das Dilemma nicht im Rahmen eines „Freineweisverfahrens“ gelöst werden? Z.b. indem ein Strafsenat des OLG Bamber oder Nürnberg das Innenverhältnis beurteilt, ob das Binnenverhältnis zwischen der Angeklagten und den Verteidigern nachhaltig gestört ist. Vorausgesetzt die Angeklagte stimmt den Begutachtung zu und entbindet die Pflichtverteidiger vor Verschwiegenheit gegenüber dem „Außensenat“.

  8. Ben

    Ausweislich des SPON wurde Zschäpes Antrag der neuen Sitzordnung für sie positiv entschieden. Kann mir jemand unter ihnen sagen, wo sich eine entsprechende gesetzliche Grundlage findet?

  9. Alfred Stangl

    schön auch: Die Gründe für den Verlust des Vertrauensverhältnisses kann ich nicht sagen, aber ich habe Ihnen die ja schon immer gesagt, Herr Vorsitzender. Ein Irrenhaus 🙂

  10. Alfred Stangl

    Der Kalauer nochmals im Original:

    Herr: „ich habe Ihnen immer gesagt, dass Bedingungen eintreten
    würden, die eine sachgemäße Verteidigung nicht mehr möglich machen würden. „Aber Sie haben dies immer in den Wind geschlagen!“

    Diese Vorwürfe gegen ihn will der Vorsitzende gerne erläutert haben, doch Heer mauert und Götzl bleibt nichts anderes übrig, als die Contenance zu wahren, was ihm sichtlich schwerfällt: „Welche Bedingungen meinen Sie denn überhaupt Herr Rechtsanwalt Heer?“ -„Das wissen Sie ganz genau Herr Vorsitzender!“ – „Nein.“ – „Doch, Sie wissen genau, was ich Ihnen noch an der Tür Ihres Beratungszimmers gesagt habe.“ – „Nein, führen Sie das bitte aus.“ – „Nein, es ist alles gesagt.“ – „Ich bitte Sie jetzt wirklich, Rechtsanwalt Heer!“ – „Mehr ist dazu nicht zu sagen.“ – „ Jetzt genug mit diesem theatralischen Effekt, es geht hier um Transparenz, darum müssen Sie die Punkte ansprechen.“ – „Nein, ich sage es zum vierten Male: Es ist alles Erforderliche dazu gesagt.“

  11. T.H., RiLG

    So ganz allmählich sollte es auch Herr Heer begreifen, dass er mit albernen Kindereien bei diesem Vorsitzenden auf Granit beißt.

  12. Detlef Burhoff

    @Stangl: Lassen Sie es gut sein. Wenn Sie die Verteidiger nicht mögen, müssen Sie sich nicht in meinem Blog austoben.
    @ T.H. „albernen Kindereien“ – ein großes Wort gelassen ausgesprochen 🙂

  13. Alfred Stangl

    Das hat mit „mögen“ nichts zu tun. Aber ich habe verstanden: Ich soll die Klappe halten 🙂

  14. Hans Wolf

    Also ich als Laie denke, dass die Bestellung des 4. Pflichtverteidigers Sinn macht. Klar dürfte sein (nach den wenig substantiierten Anwürfen seitens BZ), dass keine wirkliche Zerrüttung im Verhältnis BZ und Altverteidiger vorliegt. BZ kriegt aber langsam die Krise, weil sie jetzt auf der Zielgeraden Bammel hat, dass die zu anfang gewählte Strategie des Schweigens wirklich den erhofften Erfolg bringt … als juristsicher Laie kann man eben die Arbeit der drei Verteidiger einfach nicht einschätzen. Jetzt hat ihr der Richter jemanden zur Seite gestellt, der BZ dabei helfen kann, die Arbeit der drei Altverteidiger zu verstehen … so vermeidet das Gericht einen spteren Vorwurf von BZ, dass sie als Laie gegenüber den drei Anwälten völlig hilflos war …

    In diesem Sinne sehe ich auch die – auch in diesem Blog – immer wieder betonte fehlende Vorbereitungszeit des neuen Verteidigers nicht als großes Problem, er soll nach meinem Verständnis nicht die Arbeit der bisherigen drei Verteidger übernehmen, sondern BZ dabei helfen die Verteidigerarbeit zu beurteilen …

    Problematisch wird es nur, wenn der Neue (vermutlich mangels Erfahrung) zu dem Ergebnis kommt, dass die drei alten RAe ihre Sache schlecht machen.

    Und weil das auch schon kam: sicherlich liefern die drei Alt-Verteidiger eine denkbar schlechte Performance wenn man auf das ganz Kleinklein etc. schaut, auf das sie sich einlassen und das sie auch selbst befeuern. Dass sie aber eine schlechte Verteidigung („strategielos“) abliefern halte ich für keineswegs gewiss … vielmehr entnehme ich der Berichterstattung, dass regelmäßig versucht wird, die Stellung BZ in der NSU herabzusetzen und sie als fast unbeteiligten Mitläufer darzustellen … zugegeben wird dieser Eindruck durch das Gerangel um die Verteidigungsstrategie konterkarriert …

  15. T.H., RiLG

    @Detlef Burhoff

    bitte sehen Sie mir die Formulierung nach. 🙂

    Aber es ist nun wirklich nicht Aufgabe des Senatsvorsitzenden, sich um das Verhältnis des Herrn Heer zu seiner Mandantin zu kümmern, zumal wenn dieser dann auf mehrere Nachfragen eine brauchbare Antwort verweigert. Das erinnert mich dann doch ein bisschen an die hier schon erwähnten Anträge aus der Anfangszeit des Verfahrens wie etwa die Forderung nach einem „Lachverbot“.

    Und dass man mit völlig unsubstantiierten Behauptungen aus einem Pflichtmandat nicht „herauskommt“, wird man bei Herrn Heer durchaus als bekannt voraussetzen dürfen.

  16. Hans Wolf

    Nun ja, vermutlich hat sich der Neue auf Heers Platz gesetzt … das wirds gewesen sein!

    Mal was anderes, was sind denn z.B. anerkannte Gründe, dass ein Pflichtverteidiger (auf Wunsch der Verteidigung) entpflichtet wird? Da kann ich mir eigentlich nur Tätlichkeiten oder Beleidigungen vorstellen … alles andere wie z.B. „verstockte“ Mandanten, die dem Anwalt nichts erzählen und Mandanten die eigenmächtig aussagen dürfte doch zum täglichen Brot eines Pflichtverteidigers gehören und in der Natur der Sache liegen …

  17. Alfred Stangl

    @Wolf: Ich denke, es ist etwas schwerwiegenderes passiert. Wahrscheinlich wollte Zschäpe Heer nicht mehr aus der Hand…äh… seiner Bonbondose essen. 🙂

  18. RA Berlin

    Lieber Herr Kollege,
    Ich bin ja sehr erfreut, dass auch Sie mittlerweile daran zweifeln, dass in den Qualitätsmedien gerade zu diesem Thema etwas von Relevanz berichtet wird. Zum Thema der Vorverurteilung kann man gerne den Beitrag von Frau Röhl auf http://www.tichyseinblick.de empfehlen. Was es mit dem Entpflichtungsantrag der drei Kollegen auf sich hat, kann man nur mutmaßen; mit einer überlegenen perfiden Intelligenz der Hauptangeklagten wird das nichts zu tun haben. Insofern glaube ich dem Kollegen, wenn er postuliert, es sei „alles gesagt dazu“. Da geht’s auch nicht um Kindereien.

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