5 Jahre 9 Monate U-Haft – das reicht – auch bei einem Mordvorwurf

© Elena Schweitzer - Fotolia.com

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Das Verfahren lange dauern, manchmal auch zu lange, das wissen wir alle. Und dass Verfahren beschleunigt zu führen sind, wissen wir, vor allem, wenn sich der Beschuldigte in U-Haft befindet, auch.Das scheint in einem Verfahren, das jetzt, zumindest was die Haftfrage angeht, beim OLG Köln mit dem OLG Köln, Beschl. v. 01.06.2015 – 2 Ws 299/15 – sein Ende gefunden hat, aus den Augen geraten sein.

Da befand sich der Beschuldigte in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Mordes seit dem 05.08.2009 (!!!) in U-Haft. Es hat inzwischen zweimal eine erstinstanzliche Hauptverhandlung stattgefunden und zweimal war auch der BGH mit der Sache befasst. Derzeit liegt das Verfahren nach der zweiten Aufhebung durch den BGH beim LG Köln. Da passiert seit September 2014 zunächst nichts, Anfnag April 2015 wird dann tgerminiert auf 33 Verhandlungstagen zwischen dem 06.08.2015 und dem 26.11.2015. Nun hat es dem OLG Köln gereicht:  Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes inzwischen nicht mehr verhältnismäßig.

„Der Beschwerdeführer befindet sich – unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafe – rund 5 Jahre und 9 Monate in Untersuchungshaft. Eine rechtskräftige Verurteilung ist trotz zweier erstinstanzlicher Entscheidungen des Landgerichts Bonn, die im Revisionsverfahren durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs jeweils aufgehoben worden sind, bislang nicht erfolgt. Diese außergewöhnlich lange Dauer der Inhaftierung rechtfertigt für sich gesehen zwar nicht die generelle Annahme, dass eine weitere Vollstreckung der Untersuchungshaft unverhältnismäßig wäre, zumal es sich vorliegend um einen besonders aufwändigen und schwierigen Indizienprozess handelt. Andererseits war jedoch auch zu berücksichtigen, dass sich das Verfahren lediglich gegen zwei Angeklagte richtet und der Aktenumfang dem eines üblichen Schwurgerichtsverfahrens in etwa entspricht.

Die Prüfung des Verfahrensverlaufs ergibt, dass das Verfahren bis zum Erlass des Urteils des Landgerichts B. vom 10.07.2012 mit der gebotenen Beschleunigung gefördert worden ist. …

Hingegen war vorliegend auch festzustellen, dass das nach dem Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts B. vom 10.07.2012 folgende weitere Verfahren den Vorgaben des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen nicht mehr vollständig gerecht geworden ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass seit Absetzung des vorgenannten Urteils ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren und sieben Monaten vergangen ist, ohne dass ein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens vorliegt bzw. – derzeit – noch nicht einmal mit einer erneuten Hauptverhandlung begonnen ist.

Maßgebend für diesen Zeitraum ist zum einen die aus Sicht des Senats ungewöhnlich lange zeitliche Dauer des „zweiten“ Revisionsverfahrens. Die Verteidigung hat zutreffend darauf hingewiesen, das vom Eingang der Akten beim Bundesgerichtshof am 19.03.2013 bis zum Erlass des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 05.06.2014 ein Zeitraum von 14 1/2 Monaten vergangen ist. Ergänzend bemerkt der Senat, dass bis zum Eingang der Verfahrensakten beim Landgericht K. im September 2014 eine Zeitspanne von weiteren drei Monate verstrichen ist.

Weiter war insoweit festzustellen, dass das Verfahren nach Eingang der Akten beim Landgericht K., offensichtlich bedingt durch die Belastung der zuständigen Strafkammer mit weiteren Haftsachen, was im Frühjahr diesen Jahres auch zu einer vom Präsidium vorgenommenen Ableitung von (anderen) Verfahren geführt hat, nicht mit der vorliegend gebotenen besonderen Beschleunigung gefördert worden ist. Entgegen einem von der zuständigen Strafkammer im angefochtenen Beschluss zunächst für möglich erachteten Prozessbeginn ab Anfang Januar 2015 hat die Vorsitzende der Strafkammer erst am 01.04.2015 Hauptverhandlungstermine – beginnend ab dem 06.08.2015 – bestimmt. Zwischen dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 05.06.2014 und der erneuten Hauptverhandlung liegt somit ein Zeitraum von 14 Monaten. …. Soweit die Strafkammer in der Nichtabhilfeentscheidung vom 29.04.2015 ausführt, dass ein frühzeitiger Beginn der Hauptverhandlung, insbesondere der zunächst in Aussicht genommene Beginn im Januar 2015, aufgrund vorrangig zu bearbeiten Haftsachen nicht zu realisieren war, hegt der Senat Zweifel, ob dies den vorliegend erhöhten Anforderungen des Beschleunigungsgrundsatzes ausreichend Rechnung trägt. Im Strafverfahren gilt nicht nur der Grundsatz, der vorrangigen Bearbeitung von Haftsachen gegenüber Nichthaftsachen, sondern auch von besonderen Haftsachen gegenüber anderen Haftsachen (vgl.: BVerfG B., v. 05.12.2005, a.a.O. Rn 82; OLG Düsseldorf Beschluss vom 25.03.1996 – 2 Ws 86/96 -). Der Senat, dem die Belastung der zuständigen Strafkammer mit Haftsachen aus der Befassung mit Entscheidungen nach §§ 121 f StPO vor Augen steht, ist nicht bekannt, dass neben der vorliegenden Haftsache, die im Hinblick auf die außergewöhnlich lange Dauer der Untersuchungshaft als „besondere Haftsache“ anzusehen ist, bei der zuständigen Schwurgerichtskammer weitere besondere Haftsachen anhängig sind. Soweit dies nicht der Fall gewesen sein sollte, was der Senat hier nicht abschließend aufklären musste, wäre dieses Verfahren vor anderen Haftsachen vorrangig zu bearbeiten und zeitnah zu terminieren gewesen. Trotz der unbestrittenen Schwierigkeit und Komplexität des Verfahrens erscheint es daher zweifelhaft, ob die erst ca. sechs Monate nach Eingang der Verfahrensakten vorgenommene und mit einem zeitlichen Vorlauf von rund vier Monaten erfolgte Terminierung den Vorgaben des Beschleunigungsgrundsatzes noch gerecht wird. Im Hinblick auf die besonders lange Dauer der Untersuchungshaft wäre das Landgericht gehalten gewesen, alles in seiner Macht stehende zu tun, um eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat so zeitnah wie irgend möglich herbeizuführen (BVerfGE 36, 264 (273)).
Der Senat konnte offen lassen, ob die aufgezeigten Gesichtspunkte, jeweils einzeln betrachtet, vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs sowie der Schwierigkeit des Verfahrens bereits zur Annahme einer Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer ausgereicht hätten. Im Rahmen der vorgenommenen Gesamtwürdigung war jedoch festzustellen, dass die Förderung des Verfahrens seit der letzten Entscheidung durch das Landgericht B. im Juli 2012 nicht mehr den – an der ungewöhnlich langen Dauer der Untersuchungshaft zu messenden – erhöhten und zunehmend steigenden Anforderungen des Beschleunigungsgrundsatzes (vgl.: BVerfGE 19, 342 (347); 36, 264 (270)) entsprochen hat. Seit fast 2 Jahren und 10 Monaten hat eine Verfahrensförderung durch eine erneute Hauptverhandlung nicht mehr stattgefunden. Seit der (ersten) erstinstanzlichen Verurteilung durch das Landgericht B. vom 11.06.2010 sind sogar nahezu fünf Jahre vergangen, ohne dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen werden konnte. ….“

Ohne Kommentar: Außer: Einen kleinen Seitenhieb auf den BGH konnte sich das OLG dann doch wohl nicht verkneifen.

7 Gedanken zu „5 Jahre 9 Monate U-Haft – das reicht – auch bei einem Mordvorwurf

  1. Leser

    Spannender Beitrag! Die Entscheidung dürfte korrekt sein – aber die Folgen wirken doch etwas bedenklich. Der Täter wird nun nicht durch U-Haft gehindert, sich dem weiteren Verfahren durch Flucht zu entziehen. Es kann sogar eine Gefährdung Dritter eintreten. Diese Gedanken rechtfertigen nun natürlich nicht, den Täter einfach auf Dauer weiter einzusperren. Aber für die Zukunft müssen m. E. Maßnahmen ergriffen werden, die eine derartige Verfahrensverzögerung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen.

  2. OG

    Der Seitenhieb auf den BGH hätte ruhig größer sein dürfen. Es ist unverständlich, wieso der BGH die – vor allem von ihm selbst verursachte – Verfahrensverzögerung nicht in den Blick genommen hat. Eine andere Entscheidung als die Aufhebung des Haftbefehls erschien schon im Zeitpunkt der BGH-Entscheidung unvertretbar (siehe nur BVerfG, 05.12.2005 – 2 BvR 1964/05). Ein Fall von Befangenheit und schönes Beispiel dafür, daß niemand Richter in eigener Sache sein sollte? Vielleicht hätte das OLG Köln eine dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden des 2. Strafsenats des BGH anfordern sollen.

    @Leser

    Zunächst einmal geht es hier um einen Angeklagten, nicht um einen „Täter“.

    Zu „Es kann sogar eine Gefährdung Dritter eintreten.“: Haftgrund war hier Fluchtgefahr, nicht Wiederholungsgefahr. Bei letzterer hätte sich die Frage der Verhältnismäßigkeit möglicherweise anders gestellt.

  3. Alfred Stangl

    Na ja. Herr Fischer schreibt eher nicht über eigene Fehler. Er ist ja der zuständige BGH-Vorsitzende für Köln. 🙂

  4. RA G.

    Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, wie so mancher Fall und manche Entscheidung wahr-genommen werden, während man als „Insider“ leider die bisweilen tragischen Hintergründe kennt.
    Der Verteidiger des vermeintlichen „Täters“ hat sehr lange und hartnäckig für die obige Haftentscheidung des OLG Köln kämpfen müssen. Und mit Verlaub: es war ja nicht der erste Anlauf; in früheren Haftentscheidungen durfte man noch die sinnreiche Begründung lesen, daß 4…, 4 1/2 …5 Jahre Untersuchungshaft jetzt ja auch nicht so lange seien und man das hinzunehmen hätte, weil in Düsseldorf, da hätte auch schonmal einer fast 6 Jahren gesessen. Ja, im Ernst, solche Begründungen werden einem mitunter zugemutet.

    Der Kernpunkt des Falles liegt jedoch an anderer Stelle und das Haftverfahren ist lediglich symptomatisch bzw. Ausfluß der Problemlage. Das gesamte Verfahren ist mittlerweile eher nur noch skandalös und der Fall hat gute Aussichten, sich in die Reihe solcher Fälle wie „Harry Wörz“ oder „Rudi Rupp“ einzuordnen.

    Man hat den Angeklagten zweimal mit derselben und bisweilen wortgleichen abenteuerlichen Begründung verurteilt. Der BGH hat zweimal aufgehoben und in der letzten Revisionshaupt-verhandlung hatte man durchaus den Eindruck gewinnen können, dem LG ergeht es wie kleinen Kindern, die mehrmals hintereinander auf die gleiche Weise auf die glühend heisse Herdplatte fassen um zu kontrollieren, ob das auch jedes mal in gleicher Weise weh tut.
    Wer nicht hören will, muss fühlen..

    Sicher, 14 Monate Revisionsverfahren sind lang und haben mir nicht gefallen.
    Ich persönlich empfinde die Seitenhiebe auf den BGH jedoch eher befremdlich.
    Denn erstaunlicherweise schimpfen diejenigen am Lautesten über diese Dauer, die den Angeklagten zuvor noch verurteilt hatten bzw. verurteilt sehen wollten.
    Wohl angemerkt: der vorzitierten Haftentscheidung des OLG Köln gingen zuvor in gleicher Sache noch zwei abschlägige Haftentscheidungen desselben Senats voraus.

    Welche Seitenhiebe stecken sodann eigentlich diejenigen ein, die ein wirklich greifbares Fehlurteil produziert haben? Oder steht dort das Beschleunigungsgebot mit dem Anspruch des Angeklagten auf zügige Strafvollstreckung im Vordergrund? Insoweit hat es sein Geschmäckle… wenigstens muss man den BGH doch irgendwo kritisieren und ein Haar in der Suppe suchen, nachdem die da frecher Weise Urteile aufheben….

    Im Übrigen: wäre das Urteil nach 14 Monaten Revisionsverfahren rechtskräftig, würde man den Verteidiger allenfalls noch müde belächeln, wenn der sich jetzt mit erhobenen Zeigefinger hinstellt und sich mit inbrünstigen Seitenhieben über die 14 monatige Verfahrensdauer erregen würde.

    Seitenhiebe dürften daher doch eher die bislang und derzeit befassten Langerichte zu spüren bekommen.Generell hat diese landgerichtliche Gesamthaltung auch das Haftverfahren geprägt. Schaut man insoweit hinter die Kulissen, hat die jetzige Haftentscheidung m. E. gar nicht mal so herausragende eine Bedeutung, weil sie letztlich einfach unvermeidbar wurde, wenn man einmal den Hintergrund beleuchtet.

    Nachdem der BGH auch das 2. Urteil aufgehoben hatte und in der Revisionshauptverhandlung die begehrte Haftentscheidung mangels Zuständigkeit abgelehnt hatte, wurden bei dem vorbefassten LG, dem neubefassten LG und dem OLG jeweilige Haftanliegen vorgebracht.
    Die vorstehend zitierte Haftentscheidung ist somit zwar erfreulich, aber das OLG Köln war vor nicht allzu langer Zeit in gleicher Sache schon einmal mit der Haftfrage befasst.

    Den Haftprüfungsantrag im Herbst 2014 lehnte wiederum das LG Köln nicht nur sinngemäß damit ab, daß 5 Jahre U-Haft für einen Mord, für den der Mandant lebenslänglich zu erwarten habe, nicht so lang sei. Und ausserdem habe man die Urteilsbegründung des BGH zwar noch nicht gelesen, finde aber die Begründung des aufgehobenen Urteils recht überzeugend. Über dies gebe es ja schon 2 verurteilende Entscheidungen wegen Mordes, egal ob der BGH die jetzt aufgehoben hat oder nicht…. Im Übrigen sollen sich Verteidiger und Angeklagter mal keine Sorgen machen und sich nicht so anstellen, weil die Kammer zusichern könne, spätestens ab Anfang Januar 2015 zu verhandeln. Die Diktion des Beschlusses ist übrigens sehr selbstbewußt und bisweilen arrogant, so als wäre nach 5 Jahren U-Haft die Ausbringung eines Haftprüfungsantrages fast schon ein obszönes Ansinnen seitens Verteidigung.

    Dabei am Rande: Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr, wie auch immer: es gibt als pendant dazu auch eine seit über 5 Jahren fortwährende Unschuldsvermutung.

    Nachdem die Verteidigung dann im März 2015 anfragte, wie es denn so mit dem Hauptverhandlungsbeginn im Januar 2015 ausschaut und die anscheinend erstmals hierdurch aufgeweckte Kammer hektisch mitteilte, man könne wohl erst für August 2015 verhandeln, weil man ja schließlich Wichtigeres zu tun habe und man dies auch schon seit November 2014 wisse, wurde eine erneute Haftbeschwerde ausgebacht. August ist zwar nicht Januar, aber die Kammer hielt – allen Ernstes – trotzdem die Haft aufrecht, so daß es der – zugegebener Maßen recht pointierten – Eingabe an das OLG bedurfte, der ich zuvor wegen der bekannten Haltung des OLG in dieser Sache keinen Erfolg beimessen konnte.

    Insoweit freut mich zwar die jetzige Haftentscheidung des OLG Köln, zumal ich mich bereits gedanklich – de facto entscheidet das OLG Köln nämlich sogar zum 3. mal in dieser Sache – auf eine Verfassungsbeschwerde eingestellt hatte… aber es ist verfehlt, die lange Verfahrensdauer im Schwerpunkt dem BGH anzulasten. Dieser hat innerhalb einer Verfahrensdauer von 14 Monaten immerhin ein Fehlurteil kassiert. Das LG Köln hat in fast 14 Monaten mal rein gar nichts gemacht und sich lediglich zweifelhafte Haftentscheidungen geleistet.

    Wer also Seitenhieben auf den BGH austeilen möchte, der mag doch mal erläutern, wie heftig denn dann die Seitenhiebe gegen das LG Köln ausfallen müßten, welches ganz dreist nach über 13 Monaten und schlichtweg ohne jedwede eigene Verfahrensförderung – und zudem durch die bisherige Revisionsverfahrensdauer sensibilisiert – eine Untersuchungshaftdauer von 6 Jahren ernsthaft als verhältnismäßig erachtet?

  5. RA G.

    Naja, ich meine, daß sich sowohl das LG B. als auch das LG K. sowie das OLG diese Seitenhiebe sparen können bzw. aufgrund ihres bisherigen eigenen Verhaltens mit ihrer Kritik zurückhaltender sein dürfen. Ohne in die Details des Falles einsteigen zu können: dessen Entwicklung ist mehr als erschreckend und offenbart in mehrerer Hinsicht die Fehlerquellen des Strafprozesses. Zu Kritik ist da seitens der örtlichen Strafjustiz eigentlich gar keiner mehr berechtigt, denn da hat sich seit nunmehr über 6 Jahren niemand mit Ruhm bekleckert. Ich möchte es einmal so ausdrücken: ich habe – zwangsläufig – miterleben dürfen, daß sich so manche sehr darüber erregt haben, wie der BGH denn nur dazu komme, für ein Revisionsverfahren 14 Monate zu brauchen…. (im Übrigen: er hatte dafür Gründe und diese auch mitgeteilt).

    Ich empfinde es indes wesentlich schlimmer, daß hier bereits zum 2. mal ein krasses Fehlurteil, welches nur dadurch zustande kommen kann, weil kein Inhaltsprotokoll geführt wird, mit nahezu identischer Begründung aufgehoben wird. Es ist beängstigend, wie locker-leicht ein „Lebenslänglich“ In der Luft liegen kann, obwohl das Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Schuldspruch hergibt. Wie gesagt, auch mir gefällt eine überlange Dauer eines Revisionsverfahrens nicht. Sie korrespondiert wohl zu der ca. 600 seitigen Revisionsbegründung. Bedenkt man aber die allgemein bekannte Erfolgsquote von Angeklagten Revisionen, darf man schelmisch sagen:
    Gut Ding will nun mal Weile haben…

    Mit anderen Worten: Ich finde es nicht richtig, daß sich bei der jetzigen Haftentscheidung des OLG auf die lange Revisionsverfahrensdauer kapriziert wird. Zudem lag dem OLG die Haftfrage ja nicht zum ersten mal vor; die jetzige Entscheidung wäre also durchaus früher möglich gewesen, nämlich schon etwas weniger als einem Jahr. Also dürfte man doch fragen, warum dem OLG – auch bei einem Mordvorwurf – eine U-Haft von 5 Jahren und 9 Monaten zur Haftbeendigung ausreicht, eine solche von 5 Jahren 2 Monaten nicht? Denn auch da war schon bekannt, daß das 2. Revisionsverfahren 14 Monate gedauert hatte. Das jetzt befasste LG hat die Sache sodann ebenfalls ca. 14 Monate ungeniert liegen lassen und die Haftbeschwerden und Haftprüfungsanträge mit bisweilen hanebüchenden Begründungen abgelehnt. Dem vorbefassten LG muss sich wiederum bei seiner Kritik, die ich gelegentlich erleben darf und die recht genau derjenigen des OLG entspricht, Schweigen gebieten, denn dessen Urteil ist vom BGH – abermals – aufgehoben worden.

    Insoweit verstehe ich auch nicht, weshalb das OLG meint, einen Seitenhieb auf den BGH auszuteilen bzw. wieso nach Ansicht eines Mitlesers „der Seitenhieb auf den BGH hätte ruhig größer sein dürfen“. Warum? Denn selbst wenn ich die 14 Monate des Revisionsverfahrens herausrechne, saß der Angeklagte angesichts zweier aufgehobener Urteil doch ohnehin schon viel zu lange. Letztlich wirkt mir daher die Kritik an der Revisionsverfahrensdauer irgendwie als eine Art „Hilfsreserve-Gejammer“: wenn man schon die erneute Urteilsaufhebungs-Blamage hinnehmen muß, soll wenigstens irgendwas am BGH zu kritisieren sein.

    Mit Verlaub, auch wenn ich mich wiederhole:
    Angenommen, die Revision des Angeklagten wäre nach 14 Monaten Revisionsverfahrensdauer – eine in jeder Hinsicht für den Mandanten kaum erträgliche Zeit des Hoffens und Bangen – in der Revisionshauptverhandlung zurückgewiesen worden: Meinen Sie, es hätte sich dann auch noch irgend jemand bemüßigt gesehen, den BGH wegen der – „vor allem von ihm selbst verursachten Verfahrensverzögerung“ – mit entsprechenden Seitenhieben in die Kritik zu nehmen ?
    Wohl eher nicht… und den Angeklagten oder dessen Verteidiger hätte man mit ihrer Kritik lediglich als „schlechte Verlierer“ bezeichnet, die allein mit der Rechtskraft hadern…

    Statt der Seitenhiebe auf den BGH hätte ich mir eher mal eine mutige Aussage des OLG gewünscht, bis zu welchen Höchstgrenzen die U-Haft dauern darf bzw. wieviele Verurteilungsversuche der Strafjustiz ein Angeklagter über sich ergehen lassen muss. Das LG K meinte bisweilen, die U-Haft könne auch bis an die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe heranreichen oder u. U. sogar darüber hinausgehen. Das wäre dann aber bei § 211 StGB recht ungünstig….

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