Ein Einspruch, der sich lohnte – der hier bringt 1.341,90 €

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Ich hatte am Montag über eine Gegenvorstellung gegen einen LG, Beschluss berichtet, die dem Verteidiger 212 € „gebracht“ hat (vgl. hier  LG Saarbrücken, Beschl. v. 03.02.105 – 2 Qs 8/15 und dazu: Lernfähig, oder: Die Gegenvorstellung hat 212 € gebracht).

Heute berichte ich über den Einspruch eines Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid der noch lukrativer war. Nämlich eine Verminderung der Geldbuße um 5 €, was nicht sp spektakulär ist 🙂 , aber gleichzeitig auch eine Ersparnis bei den Kosten/Auslagen des Verfahrens um 1.336,90 €, was schon interessanter ist. Es geht um den AG Osterode am Harz, Beschl. v. 16.03.2015 – 3b OWi 26 Js 32702/14 (257/14). Ergangen in einem Bußgeldverfahren gegen eine Betroffene, gegen die ursprünglich ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) geführt wurde, nachdem sie einen am Straßenrand parkenden PKW beim Ausparken gestreift haben soll. Die Betroffene hat den Tatvorwurf bestritten und darauf hingewiesen, dass sie einen Unfall nicht bemerkt habe. Daraufhin holte die Staatsanwaltschaft ein Gutachten ein zur Frage der Unfallverursachung und Bemerkbarkeit. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Betroffene den Unfall verursacht habe, sie dies jedoch weder optisch noch akustisch oder taktil bemerken konnte. Das Strafverfahren wurde daraufhin eingestellt und an die Bußgeldbehörde abgegeben. Diese erließ dann den Bußgeldbescheid. Es wurde eine Geldbuße in Höhe von 35,00 € nebst Gebühren sowie weitere 1.336,90 € als „Auslagen“ für das Sachverständigengutachten festgesetzt.

Die Betroffene hat Einspruch eingelegt und das AG ist im Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) (nur) von der Beschädigung eines anderen PKW bei einem Ein- oder Ausparkvorgang ausgegangen und hat nach Nr. 1.5 BKat eine Geldbuße von lediglich 30 € verhängt. Die Gutachterkosten hat es der Betroffenen nicht auferlegt. Begründung u.a.: § 465 Abs. 2 StPO, welcher nach § 46 Abs. 1 OWiG Anwendung findet. Nach der – oft übersehenen – Vorschrift  hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Davon ist das AG ausgegangen:

b) Eine Belastung mit diesen Kosten wäre zudem unbillig. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der ursprüngliche Vorwurf und die letztlich getroffene Entscheidung eklatant voneinander abweichen. So verhält es sich hier. Der Vorwurf einer Straftat wurde nicht nachgewiesen, vielmehr ist die Betroffene lediglich wegen der fahrlässigen Verursachung eines Unfalles zu einem Bußgeld von 30,00 € zu verurteilen. Dieser Vorwurf, der bereits aufgrund seiner Manifestation in § 1 Abs. 2 StVO als unterste Stufe des Unrechts zu bewerten ist, rechtfertigt nicht die Einholung eines Gutachtens für 1.336,90 €. Die Einholung eines so kostenintensiven Gutachtens wegen der Begehung einer solch marginalen Ordnungswidrigkeit wäre unter Verhältnismäßigkeitsgerichtspunkten schwer vertretbar, ebenso, dass die Verwaltungsbehörde die hierfür anfallenden Kosten, die nach § 467 Abs. 1 StPO eigentlich der Staat zu tragen hat, über die Umwege des Ordnungswidrigkeitenrechts geltend macht.

Auch ist entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin und der Bußgeldbehörde eine Teilung der Kosten nicht angezeigt. Dies auch unter dem soeben erwähnten Aspektes, dass die Einholung eines solchen Gutachtens für so marginale Schäden wie im vorliegenden Fall bereits dem Grunde nach unverhältnismäßig wäre. Es kann auch nicht zu Lasten der Betroffenen gehen, dass sie den Vorwurf nicht eingeräumt hat. Denn das Gutachten belegt, dass die Betroffene die Beschädigung des anderen PKW nicht gemerkt hat. Insofern ist das Verhalten der Betroffenen nur logisch. Denn wer die Beschädigung nicht bemerken kann, muss diese auch nicht einräumen.

Ähnlich: LG Wuppertal Beschl. v. 25.11.2009 – 26 Qs 309/09 – und dazu:  Erfreuliches aus Wuppertal: SV-Kosten bleiben bei der Staatskasse.

3 Gedanken zu „Ein Einspruch, der sich lohnte – der hier bringt 1.341,90 €

  1. Miraculix

    Schön und richtig für die Betroffene. Glückwunsch! Leider zahlt der Steuerzahler – also wir alle – mal wieder die Zeche. Gibt es denn wirklich keine Möglichkeit derartig unsinnige Kosten den Beamten aufzuerlegen die Sie verursacht haben?

  2. RA Ullrich

    Bei besonders grober Leichtfertigkeit könnte man – zumindest bei Staatsanwälten oder sonst ermittelnden Fachbehörden, bei Richtern aufgrund der unantastbaren richterlichen Unabhängigkeit nur bei vorsätzlichem strafbarem Verhalten – theoretisch an einen Schadenersatzanspruch des Dienstherrn gegen seinen Beamten aus dem Dienstverhältnis denken. Hier sehe ich dazu allerdings anhand der mitgeteilten Informationen nicht einmal ansatzweise Veranlassung, es ging anfangs immerhin um den strafrechtlichen Vorwurf der Unfallflucht, der auch bei geringen Schäden zwar ausnahmsweise nicht sofort den Führerschein kostet, aber doch Geldstrafe und in der Regel auch ein Fahrverbot mit sich bringt. Für einen solchen Vorwurf ist die Einholung eines Gutachtens allemal gerechtfertigt, dass diese Ausgabe für die Katz war wusste man wohl erst hinterher. Man wird von einem Staatsanwalt in der Regel nicht soviel technischen Sachverstand verlangen können, selbst anhand der Unfallspuren vorherzusehen, wie das Bemerkbarkeitsgutachten ausgehen wird.

  3. Miraculix

    Ich erinnere mich an einen Fall in dem ich selbst betroffen war – viele Dekaden her.
    Ich habe beim Ausparken ein anderes Fahrzeug berührt. Nur eine Kleinigkeit, aber ich habe es nicht bemerkt. Ein Zeuge hatte es aber gesehen und die Polizei informiert. Die kam, sah und notierte daß an meinem Fahrzeug keine Beschädigung auszumachen war. Wir fuhren dann zusammen zum Geschädigten, die Polizisten schauten und waren der Meinung das hätte man nicht bemerken müssen. Ende des Verfahrens. Alles andere wäre auch völliger Unsinn gewesen.

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