Der Hilfsschöffe, der zu Hause bleiben durfte, oder: Wer schreibt, der bleibt

© Corgarashu – Fotolia.com

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Schöffenpflicht ist Ehren-/Bürgerpflicht, mit der es das Gesetz und aber auch der darüber wachende BGH im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter doch sehr genau nimmt. Daher ist der BGH mit der Frage, ob der Schöffe von seiner Diensthandlung entbunden werden kann bzw. werden durfte (§ 54 GVG) doch recht streng. Zumindest will er die Gründe, die zu einer Entbindung von der Dienstleistung geführt haben, genau wissen, so der BGH im BGH, Beschl. v. 04.02.2015 – 2 StR 76/14, der (noch einmal darauf hinweist, dass es sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt, ob einem Schöffen die Dienstleistung i.S. von § 54 Abs.1 Satz 2 GVG zugemutet werden kann. Deshalb rechtfertigen berufliche Gründe nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen. Zu berücksichtigen seien lediglich Berufsgeschäfte, die der Schöffe nicht oder nicht ohne erheblichen Schaden für sich oder den Betrieb aufschieben oder bei denen er sich nicht durch einen anderen vertreten lassen kann, weil die Geschäfte ihrer Art nach einen Vertreter nicht zulassen oder ein geeigneter Vertreter nicht zur Verfügung steht. Und das war im vom BGH entschiedenen Fall, in dem der Vorsitzende einen Hilfsschöffen entbunden hatte, zumindest nicht ausreichend dokumentiert:

Dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Hinderungsgrundes hier vorliegen, ist nicht dargetan. Der Entbindungsentscheidung des Vorsitzenden, die selbst keine nähere Begründung enthält, liegt ein Vermerk des Vorsitzenden zugrunde, der Schöffe habe ihm mitgeteilt, seine Firma sei durch Urlaube verschiedener Mitangestellter so ausgedünnt, dass er nicht entbehrlich und seine Vertretung nicht möglich sei. Diese Umstände rechtfertigen unter Berücksichtigung strenger Maßstäbe, die das Recht auf den gesetzlichen Richter ein-fordert, für sich eine Entbindung nicht. Die Angaben sind in ihrer Allgemeinheit wenig konkret; sie lassen nicht erkennen, um welche Firma es sich handelt, wie groß sie ist, welche Aufgaben der Schöffe regelmäßig wahrnimmt, wer ihn vertreten kann und welche Urlaubsabwesenheiten welcher „Mitangestellter“ es gibt, die eine an sich denkbare Vertretung des Hilfsschöffen ausschließen. Allein anhand dieser pauschalen Angaben konnte der Vorsitzende – ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob er diese für glaubhaft gehalten hat – nicht in die Lage versetzt sein, in der gebotenen Weise sorgfältig zu prüfen, ob die beruflichen Geschäfte des Schöffen seine Anwesenheit in der Firma an den Hauptverhandlungstagen erforderten, eine Vertretung in den von ihm wahrgenommenen Tätigkeiten tatsächlich nicht möglich war und ansonsten nicht hinnehmbar erheblicher Schaden für ihn bzw. seine Firma entstanden wäre. Soweit sich die Angaben des Hilfsschöffen auf die im Vermerk wiedergegebenen Umstände beschränkt haben sollten, hätte es deshalb im konkreten Fall das Recht auf den gesetzlichen Richter erfordert, insoweit bei diesem nachzufragen (vgl. Meyer- Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 54 GVG, Rn. 6; BGH, Beschluss vom 1. März 2012 – 2 StR 522/11) und eine Entscheidung unter Berücksichtigung weiterer ermittelter Umstände zu treffen. Sollte der Hilfsschöffe Hi. weitere Einzelheiten zu seiner beruflich bedingten Verhinderung mitgeteilt haben, die die Annahme eines Verhinderungsgrundes hätten stützen können, hat es der Vorsitzende versäumt, diese zur Überprüfung seiner Entscheidung zu dokumentieren.

b) Die Entbindung des Hilfsschöffen Hi. verliert in nicht mehr verständlicher Weise das Recht auf den gesetzlichen Richter aus dem Blick und ist deshalb unhaltbar. Der Vorsitzende begnügt sich womöglich mit Informationen, die ihm nicht die Prüfung ermöglichen, ob ausnahmsweise ein Fall gegeben ist, in dem berufliche Gründe die Unzumutbarkeit der geforderten Dienstleistung begründen können. Jedenfalls beschränkt sich die Dokumentation der die Annahme des Verhinderungsgrundes tragenden Umstände auf allgemeine und wenig konkrete Angaben, weshalb ohne Weiteres ersichtlich ist, dass dem Revisionsgericht die Überprüfung der getroffenen Entscheidung nicht möglich ist. Ein solches Vorgehen wird der Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nicht gerecht, der nicht nur strenge materiell-rechtliche Maßstäbe bei der Anwendung des § 54 Abs. 1 GVG fordert, sondern auch Anforderungen an die Überzeugungsbildung des zur Entscheidung nach § 54 GVG berufenen Richters stellt.“

Tja: Wer schreibt, der bleibt. 🙂

5 Gedanken zu „Der Hilfsschöffe, der zu Hause bleiben durfte, oder: Wer schreibt, der bleibt

  1. Gast

    Der 2. Strafsenat bezieht sich für seine Aussage, „Soweit sich die Angaben des Hilfsschöffen auf die im Vermerk wiedergegebenen Umstände beschränkt haben sollten, hätte es deshalb im konkreten Fall das Recht auf den gesetzlichen Richter erfordert, insoweit bei diesem nachzufragen“, auf die eigene Entscheidung BGH 2 StR 522/11.

    Dort steht aber gar nicht das, wofür der BGH diese Entscheidung jetzt zitiert, sondern vielmehr: „Es lag hier zwar nahe, die von der Schöffin geltend gemachte Verhinderung, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, näher zu hinterfragen. Als unvertretbar und daher objektiv willkürlich (…) kann die Entscheidung des Vorsitzenden der Strafkammer, die Schöffin von ihrem Schöffenamt zu entbinden, jedoch noch nicht gewertet werden.“

    „Objektiv willkürlich“ erscheint danach vor allem der Umgang des 2. Strafsenats mit den aus dem „gesetzlichen Richter“ folgenden Anforderungen an die Schöffenentbindung.

  2. Peter Munz

    Ja, es gibt ja zwischenzeitlich einige Entscheidigungen des 2. Senats, die keiner mehr nachvollziehen kann. Auch vom Tonfall her finde ich die oft wenig gelungen und selbstgefällig.

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