Archiv für den Monat: März 2015

Der Elektroschocker an der Schläfe

© fotomek - Fotolia.com

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Mal wieder ein wenig materielles Recht, und zwar zur Körperverletzung (§ 223 StGB). Folgender Sachverhalt: Bei einem Raub hält der Angeklagte einer Zeugin einen von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe. Die Zeugin glaubt, ihr werde eine Pistole an den Kopf gehalten, verspürt „große Angst“ und bleibt regungslos liegen. Das LG verurteilt auch wegen Körperverletzung. Der BGH sieht das im BGH, Beschl. v. 26.02.2015 – 4 StR 548/14 – anders:

„Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei dem Überfall auf den Kiosk der Geschädigten G. S. am 20. Juli 2013 auch den Tat- bestand der Körperverletzung erfüllt, wird von den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht getragen.

a) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist je-des Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung er-folgt ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 6). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118; Meyer, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, insbesonde-re Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (BGH, Beschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; vgl. zu Vorstehendem auch BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383).

b) Daran gemessen genügt es – entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 38, 39) – für die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Kör perverletzung nicht, dass er der Zeugin A. den von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe hielt und die Zeugin, die glaubte, ihr werde eine Pistole an den Kopf gehalten, „große Angst“ verspürte und regungslos liegen blieb. Für einen pathologischen, somatisch-objektivierbaren Zustand der Geschädigten ergeben sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils keine Anhaltspunkte.“

„Weiter geht es“ …..

© frogarts -Fotolia.com

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„Weiter geht es“ …..wenn der Vorsitzende das in der Hauptverhandlung sagt, dann sollte man als Verteidiger reagieren. Zumindest, wenn man sich im Ablehnungsverfahren bewegt und es um die Frage geht, ob nach einem Befangenheitsgesuch die Hauptverhandlung fortgesetzt werden soll oder nicht (§ 29 StPO). Das ist das Fazit aus dem BGH, Beschl. v. 24.05.2014-  4 StR 444/14. Da hat die Frage zwar keine entscheidungserhebliche Rolle gespielt, aber der BGH weist (noch einmal) auf seine Rechtsprechung im BGH, Urt. v. 14.02.2002 – 4 StR 272/01 – hin.

„Die Rüge des Angeklagten H. , das Landgericht habe gegen § 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO verstoßen, weil es am 10. Verhandlungstag die Hauptverhandlung nach einem Befangenheitsgesuch des Mitangeklagten G. fortgesetzt habe, ist jedenfalls unbegründet. Denn die Entscheidung der Vorsitzenden, von § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch zu machen und die Hauptverhandlung fortzusetzen, lässt angesichts des ersichtlich unbegründeten Befangenheitsgesuchs einen Ermessensfehler nicht erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 – 4 StR 272/01, NStZ 2002, 429 Rn. 10). Auf die Frage, ob der Angeklagte H. diese Rüge überhaupt noch zulässig erheben konnte, nachdem er die Fortsetzungsentscheidung der Vorsitzenden – anders als der Angeklagte G. – in der Hauptverhandlung nicht nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 – 4 StR 272/01, NStZ 2002, 429 Rn. 9 mwN).“

Solche Hinweise sollte man als Verteidiger immer im Blick haben, man muss ja als Verteidiger nicht derjenige sein, bei dem es „darauf ankommt“.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Das Exequaturverfahren, das unbekannte Wesen

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Das Exequaturverfahren, das unbekannte Wesen ist m.E. im Grunde wirklich ganz einfach. Man muss nur wissen, wo man suchen muss. Das habe ich dem Kollegen dann auch geschrieben. Er hatte zwar das richtige Gespür – nämlich, dass die Nrn. 4200 ff. RVG nicht so richtig passen, nur: Dann ging es nicht mehr weiter 🙂 . Also:

Die vom Kollegen erbrachten Tätigkeiten werden nicht nach Teil 4 VV RVG abgerechnet, sondern nach Teil 6 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 VV RVG. Entstanden ist wohl (nur) eine Nr. 6100 VV RVG.Eine Grundgebühr entsteht nicht. Der Kollege muss also alle Tätigkeiten über die Verfahrensgebühr abrechnen. Und wann das nicht reicht – wovon angesichts des Umfangs seiner Tätigkeiten auszugehen ist – bleibt ihm als Pflichtverteidiger nur, einen Antrag nach § 51 RVG zu stellen. Na ja, und das beim OLG Frankfurt…..

Zu den Gebühren nach Teil 6 VV RVG gibt es übrigens meinen Aufsatz aus StRR 2010, 144. Der ein oder andere kann ihn vielleicht gebrauchen.

„Fleppe“ weg? Unter 0,5 Promille gibt es Entschädigung

© benjaminnolte - Fotolia.com

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In Verkehrsstrafsachen spielen immer wieder auch Entschädigungsfragen nach dem sog. StrEG eine Rolle, und zwar dann, wenn im Laufe des Ermittlungsverfahrens die Fahrerlaubnis vorläufig nach § 111a StPO entzogen worden ist, dann aber im Urteil keine endgültige Entziehung nach den §§ 69, 69a StGB erfolgt.  Dann erfolgt aber ggf. der Ruf nach Entschädigung. Vor deren Gewährung ist eine hohe Hürde zu überwinden, nämlich der § 5 Abs. 2 StrEG, der bei grob fahrlässiger Herbeiführung der Zwangsmaßnahme eine Entschädigung ausschließt. Und da stellt sich in Trunkenheitssachen immer die Frage: Hat der Angeklagte durch seine Alkoholisierung die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis grob fahrlässig veranlasst und gibt es deshalb keine Entschädigung. Mit einem soclhen Fall befasst sich der LG Oldenburg, Beschl. v. 17.03.20155 Qs 80/15. Das OLG Oldenburg hat Entschädigung gewährt:

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, an die die Kammer gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 StrEG i.V.m. § 464 Abs. 3 S. 2 StPO gebunden ist, befuhr die einem Blutalkoholgehalt von 0,47 ‰ alkoholisierte vormals Angeklagte mit ihrem Pkw gegen 03.15 Uhr nachts öffentliche Straßen. Dabei war sie zum Teil deutlich langsamer als erlaubt unterwegs (50 bis 70 km/h bei Geschwindigkeitsbegrenzungen von 70 und 100 km/h). In drei bis vier Kurven kam sie mindestens 50 cm auf die Gegenfahrbahn. Auf gerader Strecke nutzte sie die Breite der Fahrspur aus, ohne jedoch den Mittelstreifen zu überfahren. Das sachverständig beratene Amtsgericht konnte nicht feststellen, dass die Fahrfehler und Auffälligkeiten auf die Alkoholisierung der vormals Angeklagten zurückzuführen waren.

Auch folgt aus den Feststellungen nicht, dass die vormals Angeklagte die vorläufige Entziehung ihrer Fahrerlaubnis grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat. Zwar weist die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass in der Rechtsprechung bereits die Schaffung eines erheblichen Tatverdachts einer Trunkenheitsfahrt durch Alkoholgenuss vor oder nach der Fahrt als grob fahrlässig angesehen werden kann (vgl. Nachweise bei: Krenberger, JurisPR-VerkR 18/2012 Anm. 5). Nach Auffassung des LG Aachen (Beschl. v. 30.01.2012, 71 Ns 227/10) ist dies der Fall, wenn der Beschuldigte das Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration geführt hat, die über dem Grenzwert des § 24a Abs. 1 StVG, also oberhalb von 0,5 ‰ liegt (so auch Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 12; kritisch: Sandherr SVR 2012, 272 f., der zusätzlich verkehrswidriges Verhalten fordert).

Die Alkoholisierung der vormals Angeklagten lag hier jedoch – wenn auch nur knapp – unterhalb von 0,5 ‰. Die festgestellten Fahrfehler (Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot) und Auffälligkeiten (geringe Geschwindigkeit) ließen sich durch die Dunkelheit und Ortsunkundigkeit der vormals Angeklagten erklären. Insgesamt erscheint ihr Verhalten schon allein auf Grund des vorherigen Alkoholgenusses durchaus fahrlässig im Hinblick auf eine mögliche Fahrerlaubnisentziehung. Einen darüber deutlich hinausgehenden ungewöhnlich schweren Sorgfaltsverstoß kann die Kammer in dem Verhalten der vormals Angeklagten jedoch nicht erkennen. Jegliche Alkoholisierung eines Pkw-Fahrers im Straßenverkehr wird regelmäßig auf dessen sorgfaltswidriges und damit fahrlässiges Verhalten zurückzuführen sein. Dabei hat der Gesetzgeber durch das Erfordernis der groben Fahrlässigkeit in § 5 Abs. 2 StrEG allerdings klargestellt, dass nicht jede Sorgfaltswidrigkeit zum Ausschluss etwaiger Entschädigungsansprüche führen kann. Zwar mag es durchaus Fälle geben, in denen auch ein Alkoholisierungsgrad unterhalb des Grenzwertes des § 24a Abs. 1 StVG zur Annahme grober Fahrlässigkeit führt. In diesem Fall müssen aber die weiteren vorwerfbar geschaffenen Verdachtsmomente so erheblich sein, dass gleichwohl die Annahme grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt ist. Dies macht auch ein Vergleich mit der zitierten Entscheidung des LG Aachen deutlich: Dort hatte die Angeklagte mit einer Blutalkoholkonzentration von knapp 0,8 ‰ zusätzlich einen Verkehrsunfall verursacht. An den dort zu Grunde liegenden Tatverdacht kommt die von der vormals Angeklagten hier geschaffene Verdachtslage erkennbar nicht heran. Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.“

Also: Unter 0,5 Promille wird es danach i.d.R. Entschädigung geben, wenn keine Besonderheiten vorliegen.

Die Dickfelligkeit des AG München – An der Antwort drückt man sich präsidial vorbei

entnommen wikimedia.org Author Bubo

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Author Bubo

Ich hatte ja bereits zweimal über meine Probleme mit dem AG München und der Anforderung des AG München, Urt. v. 05.02.2014 – 343 C 28512/12 – berichtet. Einmal am 09.03.2015 mit: Die Dickfelligkeit des AG München, oder: Ich bin es leid und dann am 20.03.2015 mit: Die Dickfelligkeit des AG München, oder: Ich bin einen Schritt weiter. Nun kann ich ein drittes Mal berichten, allerdings: So richtig weiter bin ich nicht. Also:

Inzwischen hat sich mit  Schreiben des AG München v. 25_03_2015 der Präsident des AG München gemeldet und mir auf mein Schreiben vom 08.03.2015 – meine Dienstaufsichtsbeschwerde – geantwortet. Nun, so richtig weiter kommt man damit nicht, wenn man liest:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

in der Anlage übersende ich Ihnen das von Ihnen angeforderte Urteil in anonymi­sierter Form. Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.

Das Amtsgericht München erhält tagtäglich eine Fülle von E-Mails, die sowohl anhängige Verfahren. Anfragen und Mitteilungen aller Art wie auch nicht selten Unsachliches enthalten. Die Mitarbeiter der zentralen elektronischen Eingangs­stelle sind gehalten, jede der eingegangenen Nachrichten zu prüfen und bei Ver­anlassung an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Jedoch wird auch zur Informa­tion des Absenders die auch an Sie versandte Antwortmail geschickt. Soweit ein Aktenzeichen angegeben und die Weiterleitung veranlasst ist, wird die Nachricht an die zuständige Stelle weitergeleitet. Bei der Fülle von E-Mails ist es jedoch durchaus möglich, dass eine Nachricht hierbei übersehen wird.

Hinsichtlich der Anforderungen von Urteilsabschriften erfolgt eine Versendung ohnehin nur in geschwärzter Form und – von Ausnahmen abgesehen – gegen Kostenerstattung. Eine Übermittlung per E-Mail an Antragsteller ohne Adressanten scheidet aus. Zuständig für die Erteilung von Urteilsabschriften ist die jeweilige Abteilung. Soweit veranlasst werden E-Mail-Nachrichten dorthin übermittelt.

Presserechtliche Anfragen werden an die Pressesprecherin weitergeleitet. Ihr Schreiben wurde zum Anlass genommen darauf hinzuweisen, dass presserechtli­che Anfragen zuverlässig an die Pressestelle weitergeleitet werden.

Abschließend möchte ich jedoch auch um Verständnis bitten, wenn bei der Masse von E-Mails und teilweise nicht ernstlich gemeinten Mitteilungen eine E-Mail- Nachricht (insbesondere mit „Hallo“ und ähnlichem) unbeantwortet bleibt.

Mit freundlichen Grüßen…“

Vorab: Einen Schritt weiter bin ich an einer Stelle. Das angeforderte Urteil habe ich jetzt zweimal erhalten. Einmal am 19.03.2015 – offenbar dann von der Geschäftsstelle/Pressestelle – gegen Aufgabe der Kosten von 12 € und einmal jetzt vom Präsidenten kostenlos. Die Kopie vom Präsidenten ist schöner. 🙂

Weiter bin ich auch – und einige meiner Kommentatoren wird es freuen – an einer an andern Stelle: Auf Mails und Schreiben, die „teeniehaft“ mit „Hallo“ eingeleitet werden, wird in Bayern – zumindest beim AG München – nicht geantwortet. Auch dann nicht, wenn sie erkennbar ein ernsthaftes Anliegen verfolgen und wenn an dessen Erledigung insgesamt drei Mal erinnert wird. Das wäre doch gelacht, wenn wir dem Anfragenden nicht Anstand und Sitte beibringen würde. Interessante Frage in dem Zusammenhang: Ist der Präsident des AG München selbst auf dieses Argument/diese Idee gekommen oder hat er ggf. die Kommentare hier im Block gelesen oder handelt es sich bei den anonymen Kommentatoren möglicherweise sogar um den Präsidenten des AG München 🙂 ?

So weit, so gut. Nur, Herr Präsident: Leider haben Sie übersehen – bewusst oder unbewusst ?? -, dass meine erste und auch die letzte Anfrage schön sittsam und im voraus eilenden Gehorsam überschrieben war mit „Sehr geehrte Damen und Herren…“. Auf die Anfragen hätte also – auch nach der eigenen „Einlassung“ – dann doch vielleicht geantwortet werden sollen/müssen, zumindest auf die vierte Anfrage. Aber nichts. Und auch aus dem Schreiben vom 25.03.2015 erschließt sich mir nicht bzw. bleibt offen, warum denn nun keine Reaktion erfolgt ist. Wer hat denn nun geschlampt: Geschäftsstelle oder Pressestelle? An der Antwort drückt man sich präsidial vorbei.

Ich weiß noch nicht, wie ich nun mit der Sache umgehe. Nochmals nachhaken oder die ganze Geschichte dem vorösterlichen Frieden zuführen? Mal sehen. Aber immerhin: Mein eigentliches Ziel ist erreicht. Ich habe das Urteil erhalten – und nun sogar zweimal.