Archiv für den Monat: Januar 2015

Ein wenig Arbeit muss man sich selbst schon machen, Frau Bezirksrevisorin/Herr Rechtspfleger

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Ein wenig einfach gemacht haben es sich in meinen Augen ein Rechtspfleger und eine Bezirksrevisorin beim AG Peine und dafür dann vom LG Hildesheim im LG Hildesheim, Beschl. v. 22.12.2014 – 22 Qs 15/14 – die Quittung erhalten. Und die Landeskasse dann gleich mit, da das LG wegen falscher Sachbehandlung Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben hat (§ 21 GKG). Zugrunde gelegen hat dem LG-Beschluss ein Strafrichterverfahren, in dem gegen den nicht vorbestraften Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (zwei Gramm Marihuana) und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Lagern von 100 Gramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf) Anklage zum Strafrichter erhoben worden war . Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen des erstgenannten Vorwurfs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen pp., im Übrigen ist er frei gesprochen worden. Nach der Kostenentscheidung hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen zu tragen, soweit er verurteilt worden ist. Soweit er freigesprochen wurde, „fallen die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Verteidigung der Landeskasse zur Last“.

Der Angeklagte hat dann beantragt Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen pp. festzusetzen. Dabei handelte es sich offenbar um die gesamten Aufwendungen, die ihm für die Mandatierung seines Verteidigers in dem Verfahren entstanden waren. Ohne Fristsetzung übersandte der Rechtspfleger des AG dem Verteidiger „zur Kenntnis und d. B. um weitere Veranlassung“ die eingeholte Stellungnahme der Bezirksrevisorin. Sie (= die Bezirksrevisorin?) hat dort ausgeführt, dass der Verteidiger aufzufordern sei, unter Anwendung der sog. Differenztheorie einen Vergütungsantrag einzureichen, in dem sich das Gesamthonorar und das fiktive Honorar ergebe, das ihm zustehen würde, wenn nur die abgeurteilten Taten Gegenstand der Verteidigung gewesen wären. Der Verteidiger antwortete hierauf nicht. Daraufhin erließ der Rechtspfleger den angefochtenen Beschluss, in dem er den Kostenfestsetzungsantrag zurückwies und zur Begründung – ohne Angabe einer Rechtsnorm oder Fundstelle – ausführte, dass nach jetzigem Stand, Bekanntgabe des Gesamthonorars ohne Gegenüberstellung des fiktiven Honorars, eine abschließende Beurteilung nicht möglich sei.

Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger am 7. August 2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Rechtsmittelbelehrung am Ende des Beschlusses lautet wie folgt: „Gegen diesen Beschluss kann, wenn der Beschwerdewert 50,00 Euro übersteigt, sofortige Beschwerde, im Übrigen sofortige Erinnerung innerhalb von einer Woche in deutscher Sprache bei dem oben genannten Gericht eingelegt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung. Die sofortige Beschwerde ist auch dann rechtzeitig, wenn sie innerhalb der Beschwerdefrist bei dem Beschwerdegericht eingeht“. Dagegen die Beschwerde, die allerdings wegen Fristversäumung unzulässig ist. Zur Kostenentscheidung heißt es dann:

Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 GKG.

Die Sachbehandlung durch das Amtsgericht Peine war unzutreffend:

„Der Beschwerdeführer hatte einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, der den Formerfordernissen des gemäß § 464b StPO anzuwendenden § 103 ZPO entspricht. Mithin wäre dieser Antrag in der Sache zu bescheiden gewesen.

Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, dem Antragssteller des Kostenfestsetzungsverfahrens aufzugeben, seine Kosten nach der sogenannten Differenztheorie aufzuteilen. Die Differenztheorie ist ein Hilfsmittel zur sachgerechten Anwendung beziehungsweise Auslegung der richterlichen Kostengrundentscheidung. Die Auslegung ist schon im Kostenfestsetzungsverfahren nach einem Zivilprozess originäre Aufgabe des zur Kostenfestsetzung berufenen Rechtspflegers (vgl. KG, Beschl. v. 18.12.2001, 1 W 445/01, MDR 2002, 722; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.11.2002, 14 W 663/02, JurBüro 2003, 93; Herget in Zöller, ZPO, Rn. 21 zu § 104, Stichwort Auslegung). In strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahrens gilt dies angesichts der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht erst recht.

Selbst bei Anträgen, die den Vorgabe des § 103 ZPO nicht entsprechen, hätte der Antragssteller vor einem Ablehnungsbeschluss zur Nachbesserung unter Fristsetzung aufgefordert werden müssen (vgl. Herget, a. a. O., Stichwort Mängel des Antrags).

Abgesehen davon ist bei Teilfreispruch nach dem Gewicht der Vorwürfe, die noch zur Verurteilung führten, zunächst zu prüfen, ob nicht eine vollständige Kostenerstattung oder deren vollständige Versagung in Betracht kommt (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., Rn. 9 zu § 465).

Ersteres kam hier angesichts des Freispruchs von dem gegenüber dem ausgeurteilten unerlaubten Besitz einer geringen Menge Marihuana deutlich gewichtigeren Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durchaus in Betracht.“

Und das LG hat sich dann aber gedacht: Ich weise lieber mal vorsorglich daraufhin, dass der Versagungsbeschluss einem erneuten Kostenfestsetzungsantrag nicht entgegen stehen dürfte. Insofern hat der Verteidiger/Angeklagte dann noch einmal Glück gehabt.

Für 1000 € geht es nicht in den Knast

© Joachim B. Albers - Fotolia.com

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Bei Verteidigern ist der (subsidiäre) Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) und die auf ihn ggf. gestützte „Sicherungshaft“ „besonders unbeliebt“. Denn der Haftgrund ermöglicht die Anordnung von U-Haft auch bei kleineren Delikten und einer nicht so hohen Straferwartung, eben, wenn – nur – Wiederholungsgefahr vorliegt, also der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat begangen zu haben. Und an der Stelle geht der Kampf vor allem immer um die Frage: Hat man es mit einer „Katalogtat“ nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO zu tun, die Nr. 1 lassen wir mal außen vor. Die Rechtsprechung versteht das Merkmal „die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigend“ als den Haftgrund einschränkend und sagt: Es können nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes in Betracht kommen. So jetzt auch noch einmal der OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 1 Ws 625/14 -, in dem das OLG einen Haftbefehl aufgehoben hat (ja, das gibt es). Vorwurf im Verfahren war der des vielfachen gewerbsmäßigen Betruges. Der Beschuldigte soll über Internetportale (bspw. Ebay und Kleiderkreisel) Waren zum Kauf angeboten, den Kaufpreis vereinnahmt und – wie von vornherein beabsichtigt – die Ware nicht geliefert haben. Das OLG verneint den Haftgrund des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO:

„Indes liegt kein Haftgrund vor.

Auch wenn der gewerbsmäßige Betrug gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB diesen Anforderungen gerecht werden kann, ist mit Blick auf die in den Einzelfällen entstandenen Schadenssummen nicht von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung auszugehen. In lediglich einem Fall liegt der Schadensbetrag über 1.000 Euro. Es ist jedoch zu verlangen, dass bei jeder einzelnen Tat Art und Ausmaß des Schadens erheblich sein müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1973 – 2 BvL 4/73, juris Rn 19; OLG Jena, a.a.O.). Gerade bei Serientaten reicht es nicht aus, dass das Gesamtunrecht eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung darstellt; vielmehr muss jede Einzeltat für sich betrachtet werden. Dies gilt auch für die in § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO bestimmte Straferwartung von 1 Jahr Freiheitsstrafe (OLG Braunschweig, Beschluss vom 7. November 2011 – Ws 316/11, StV 2012, 352).

Zum anderen liegen auch keine bestimmten Tatsachen vor, die die Gefahr begründen, der Beschuldigte werde vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten begehen, wie dies § 112a Abs. 1 StPO erfordert. Die eine Wiederholungsgefahr begründenden Tatsachen müssen eine so starke innere Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Taten erkennen lassen, dass die Besorgnis begründet ist, er werde die Serie gleichartiger Taten noch vor einer Verurteilung wegen der Anlasstat fortsetzen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 112a Rn 14 m.w.N.)……“

Als Polizeikommissar sollte man nicht „saufen“/trinken….und dann fahren

© ExQuisine - Fotolia.com

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Zunächst mal mit einem „blauen Auge“ davon gekommen ist ein angehender Polizeikommissar beim OVG Lüneburg. Der Polizeikommissar hatte auf einer Feier in erheblichem Umfang alkoholische Getränke konsumiert und war dann mit seinem PKW nach Hause gefahren. Auf der Fahrt wurde er von Kollegen angehalten. Der Polizeikommissar in spe weigerte sich, denen die Fahrzeugpapiere auszuhändigen. Er gab Vollgas. Ein Polizeibeamter musste zur Seite springen, damit er nicht von dem Fahrzeug des Kollegen erfasst wurde. Der angehende Polizeikommissar setzte seine Fahrt dann mit ca. 150 km/h fort, kam mehrfach von der Fahrbahn ab, überfuhr eine Verkehrsinsel, ein Verkehrsschild sowie eine Straßenlaterne. Schließlich landete er mit seinem Fahrzeug in einem Grabe. Als Kollegen ihn aus dem Fahrzeug ziehen wollten, versuchte er, sich dem zu entziehen. Folge: Er musste fixiert werden. Eine Blutentnahme ergab dann einen BAK von von 2,03 o/oo.

Der angehende Polizeikommissar wurde aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Sein Dienstherr ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Dagegen ging der Polizeibeamte mit einem Antrag an das VG vor, der dann jetzt beim OVG Erfolg hatte. Das OVG Lüneburg führt im OVG Niedersachsen, Beschl. v. 12.11.2014 – 5 ME 153/14 aus, dass grds. aus einem Trunkenheitsdelikt auf mangelnde charakterliche Eignung für den Beruf des Polizeibeamten geschlossen werden kann. Aber: Es können noch nicht abschließend bewertet werden, ob die dem Antragsteller vorgeworfenen Verhaltensweisen gleichwohl deshalb nicht als Indiz für eine mangelnde charakterliche Eignung angesehen werden können, weil er sich möglicherweise bei Begehung der Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 StGB befunden hat.

„Denn der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren ein im Strafverfahren eingeholtes psychiatrisches Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. F. vom 26. August 2014 (Bl. 146 ff., 167 ff. GA) vorgelegt, das dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt war. In diesem Gutachten kommt Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, dass betreffend das dem Antragsteller vorgeworfene Verhalten am 16. Dezember 2012 die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher gegeben waren und dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 StGB nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können (Seiten 24 und 25 des Gutachtens, Bl. 164, 165 GA).

Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Bedenken gegen das Gutachten vermögen bei der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung letztendlich noch nicht durchzugreifen. Dass Prof. Dr. F. die Aussagen des Antragstellers gewürdigt hat, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zutreffend trägt die Antragsgegnerin allerdings im Beschwerdeverfahren vor und hat auch das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich abweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hinweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 – BVerwG 3 C 32.07 -, juris; siehe auch Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, gültig ab 1. Mai 2014, Seite 72). Prof. Dr. F. setzt sich hiermit in seinem Gutachten nicht auseinander. Er hat ausgeführt (Seite 23 des Gutachtens, Bl. 163 GA), dass bei Verwendung der üblichen Rückrechnungsmethode für die Zeit von etwa 1.15 Uhr von einer Blutalkoholkonzentration von 2,6 Promille auszugehen sei. Dabei handele es sich um einen Wert, der bei nicht alkoholtoleranten Menschen (und hierzu sei der Antragsteller zu zählen) bereits zu erheblichen Ausfallerscheinungen führen könne. Dem lässt sich zumindest entnehmen, dass der Gutachter davon ausgeht, dass derartig hohe Promillewerte auch von nicht alkoholgewöhnten Personen erreicht werden können. Angesichts dessen, dass die oben genannten Begutachtungsleitlinien lediglich Grundsätze für Fahreignungsbegutachtungen vorgeben, hält der Senat die Einschätzung des Gutachters im Rahmen der Prüfung der Frage der Schuldfähigkeit im vorliegenden Einzelfall jedenfalls nicht von vornherein für unrichtig, die der Gutachter damit erklärt (Seite 20 des Gutachtens, Bl. 171 GA), dass „die biografische Entwicklung des Antragstellers keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Störung einschließlich einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit bzw. auch nicht im Hinblick auf einen sogenannten schädlichen Gebrauch (von Alkohol)“ aufweise. Ein Widerspruch zu dieser Einschätzung lässt sich auch nicht von vornherein der Aussage des Antragstellers gegenüber dem Gutachter entnehmen, wonach er seit April 2013 regelmäßig zu einem Beratungsinstitut gehe und sich dort in kritischer Weise mit seinem persönlichen Alkoholkonsum auseinandersetze (Seite 16 des Gutachtens, Bl. 167 GA). Die Antragsgegnerin trägt selbst vor, hierbei handele es sich vermutlich um eine sog. „Verkehrstherapie“, die regelmäßig empfohlen werde, um sich auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung vorzubereiten, die immer dann angeordnet werde, wenn eine Alkoholfahrt mit mehr als 1,6 Promille vorliege. Auf eine Alkoholgewöhnung lässt die Teilnahme an einer solchen „Verkehrstherapie“ demnach nicht ohne weiteres schließen.“

Na ja, ob es letztlich helfen wird, wage ich zu bezweifeln. Und 2,03 bzw. 2,6 o/oo ist ja schon was.

Mehr als ein Jahr für 3 gr. Marihuana sind zu viel….

© eyetronic Fotolia.com

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Ich habe länger kein Posting mehr zur Strafzumessung gemacht. Da kam mir der BGH, Beschl. v. 04.11.2014 – 2 StR 300/14 – gerade recht. Nichts Weltbewegendes, aber ein nettes, kleines Schmankerl, das mal wieder an das Doppelverwertungsverbot und daran erinnert, dass Strafe immer einer gerechter Schuldausgleich sein muss. Letzteres gibt der 2. Strafsenat dem LG mit für den 2. Durchgang:

Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Strafrahmenwahl in den 32 abgeurteilten Fällen des Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei seinen Betäubungsmittelgeschäften angesichts der Vielzahl von Fällen und mit Blick auf zahlreiche Abnehmer gewerbsmäßig gehandelt hat, und hat sodann geprüft, ob die danach eintretende Regelwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falles gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG entfallen kann. Dabei hat es unter anderem „strafschärfend“ berücksichtigt, dass der Angeklagte das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit erfüllt hat, und hat seiner Strafbemessung sodann den Strafrahmen des besonders schweren Falles zugrunde gelegt. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob bei Vorliegen eines Regelbeispiels die Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles entfallen kann, hat der Tatrichter zwar grundsätzlich alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen, doch kann entsprechend dem Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB die Gewerbsmäßigkeit des Handelns, die als Regelbeispiel zur Prüfung des § 29 Abs. 3 BtMG führt, nicht als Umstand herangezogen werden, um ein Ab-sehen von der durch die Gewerbsmäßigkeit begründeten Regelwirkung zu verneinen….

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die zu verhängenden Strafen einen gerechten Schuldausgleich für die begangene Tat darstellen müssen und insoweit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr in keinem Verhältnis mehr für das durch geringe Handelsmengen (von zum Teil lediglich 3 Gramm Marihuana) bei einer Wirkstoffkonzentration von nur 2 % THC geprägte Tatunrecht steht (vgl. BGH, StV 2014, 611).“

 

614 km = hohe Fahrtkosten, aber dennoch Pflichtverteidiger

© pedrolieb -Fotolia.com

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Ich freue mich immer über Beschlüsse, die ich von Kollegen geschickt bekomme. Besonders freue ich mich über diejenigen, bei denen ich sagen kann: Habe ich ja immer schon gesagt 🙂 . Und um solch einen Beschluss handelt es sich bei dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2014 – 1 Ws  162/14. Er behandelt ein Problem der Pflichtverteidiger, nämlich die Beiordnung des nicht ortsansässigen Rechtsanwalts/Anwalts des Vertrauens als Pflichtverteidiger. Eine Frage, die in der Praxis eine große Rolle spielt und mit der sich die (Instanz)Gerichte häufig schwer tun. So auch im entschiedenen Fall. Denn da hatte der Rechtsanwalt seinen Sitz in Düren, das Verfahren war beim LG Neuruppin anhängig. Das sind mal locker etwas mehr als 600 km. Und da werden Vorsitzende von Strafkammern dann „mucker“. So auch beim LG Neuruppin. Die Beiordnung des Rechtsanwalts wurde abgelehnt. Begründung: Eine sachdienliche Verteidigung sei ob der Entfernung nicht möglich sein werde und die Bestellung erscheine aus Kostengründen unverhältnismäßig.

Das OLG hat es dann zutreffend anders gesehen:

„Gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO bestellt der Vorsitzende den vom Beschuldigten bezeichneten Verteidiger, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen. Zwar gibt die Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO dem Beschuldigten keinen Rechtsanspruch auf die Bestellung einer bestimmten (von ihm ausgewählten) Person als Verteidiger. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass ein Beschuldigter in den vom Gesetz genannten Fällen rechtskundigen Beistand erhält und zugleich ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf gesichert ist (vgl. OLG Düsseldorf StV 1984, 372). Dabei liegt die Auswahl des Verteidigers grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Allerdings ist dieses Ermessen unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze (vgl. BVerfGE 9, 36, 38; 39, 238, 239; BVerfG NJW 2001 3695, 3696) dahin eingeschränkt, dass bei der Auswahl des Verteidigers auch dem Interesse des Beschuldigten, von einem Anwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung getragen werden muss. Grundsätzlich soll der Beschuldigte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat (vgl. BVerfGE 9, 36, 38). Deshalb soll der Beschuldigte nach § 142 Abs. 1 StPO Gelegenheit erhalten, einen Anwalt zu benennen. Diesen muss das Gericht beiordnen, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen (§ 142 Abs. 1 Satz 2 StPO). Der ortsferne Kanzleisitz des gewählten Verteidigers kann zwar einen Grund darstellen, die Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts abzulehnen. Im Bestellungsverfahren tritt der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung aber grundsätzlich gegenüber dem besonderen Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu seinem Verteidiger zurück (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695, 3696, 3697; BGHSt 43, 153, 157; OLG Stuttgart StraFo 2006, 112, 113). Der Umstand der Ortsferne an sich ist deshalb nicht ausreichend. Er steht nur dann der Bestellung entgegen, wenn dadurch eine sachdienliche Verteidigung des Beschuldigten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet werden. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Der Verteidiger ist trotz der Ortsferne seit vielen Jahren für den Angeschuldigten tätig. Offensichtlich hat diese bislang nicht zu Schwierigkeiten bei der Vertretung geführt. Der Verteidiger hat in seinem Erwiderungsschriftsatz vom 8. Oktober 2014 ausreichend dargetan, dass trotz der erhebliche Entfernung zwischen seinem Kanzleisitz und dem Wohnort des Angeschuldigten in den vergangenen Jahren ausreichende Kommunikation zwischen ihnen stattgefunden habe. Negative Auswirkungen auf die Effektivität der Verteidigung des Angeschuldigten bzw. auf die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sind hiernach nicht zu befürchten.

Auch haben fiskalische Interessen an der Entstehung möglichst niedriger Verteidigerkosten (insbesondere Fahrtkostenersatz) angesichts der hohen Bedeutung des Rechts eines Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, zurückzutreten.“

Ich habe es ja immer schon gesagt…. 🙂