Archiv für den Monat: Januar 2015

Hörschaden

© Kovalenko Inna - Fotolia.com

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Vor einigen Tagen bin ich auf die PM Nr. 4/2015 des KG gestoßen, betreffend ein Urteil des LG Berlin, und zwar das LG Berlin, Urt. v. 21.01.2015 – 3 O 55/14. Berichtet wird über die Klage eines Anwohners in der Nähe des Flughafens Berlin-Tegel gegen eine Airline auf Zahlung einer Entschädigung wegen Körperverletzung. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe am 23. 01.2011 den U-Bahnhof Kurt-Schumacher-Platz verlassen und sei zur dort befindlichen Bushaltestelle gelaufen, als eine im Landeanflug befindliche Maschine der verklagten Airline einen sehr lauten Knall ähnlich einer Fehlzündung eines Autos verursacht habe. Dadurch seien bei ihm ein Schockzustand und eine Taubheit auf dem linken Ohr ausgelöst worden.

Der Kläger war der Auffassung, die Fluggesellschaft hafte gem. § 33 LuftVerkehrsG für die bei ihm eingetretenen Gesundheitsschäden. Insoweit sei ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von ca. 25.000,00 € gerechtfertigt.

Das LG hat die Klage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung einer Zeugin abgewiesen. Den Volltext gibt es noch nicht – mich interessiert die Begründung des LG schon. Das Urteil ist auch noch nicht rechtskräftig. Wahrscheinlich wird es auch nicht rechtskräftig werden und wir werden zu der Frage, in der m.E. viel Geld steckt – sowohl für die Anwohner von Flugplätzen, als auch für Betreiber und Airlines – sicherlich demnächst mehr vom KG hören. Ich bin gespannt.

Regress der Versicherung bei einem Unfall während eines Fahrverbotes?

© rcx - Fotolia.com

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Eine Frage, die sich in der Praxis ggf. häufiger stellt oder stellen könnte, behandelt das LG Hannover, Urt. v.  19.11.2014 – 6 S 52/14, leider ohne Sachverhalt, aber der erschließt sich aus der rechtlichen Wertung des LG, und zwar: Gegen den Versicherungsnehmer ist ein Fahrverbot festgesetzt worden. Das hält ihn aber nicht davon ab, dennoch mit seinem Pkw zu fahren. Es kommt zu einem Unfall, der von seiner Kfz-Haftpflichtversicherung reguliert wird. Die nimmt den Versicherungsnehmer nun in Regress und hat damit beim AG auch Erfolg gehabt. Das LG sagt: Nein, geht nicht, denn:

„Die diesem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist nicht zutreffend. Nach Ziffer D.1.3 AKB darf das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt werden, der nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Schon dem Wortlaut nach unterfällt ein Fahrverbot dieser Bestimmung nicht. Denn es berührt nicht die Fahrerlaubnis, die während des Fahrverbots fortbesteht (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 11.02.1987, Aktenzeichen IVa ZR 144/85, Rn. 24, nach Juris; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 25.04.1985, Aktenzeichen 5 U 171/84, Orientierungssatz 2., nach Juris). Auch der Zweck von Ziffer D.1.3 AKB rechtfertigt es nicht, sie auch auf Fahrverbote zu erstrecken, denn das Fehlen der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wird festgestellt, wenn die Fahrerlaubnis entzogen, nicht aber, wenn ein Fahrverbot ausgesprochen wird (BGH a.a.O., Rn. 25).

Hat aber der Beklagte nicht gegen Ziffer D.1.3 AKB verstoßen, ist die Klägerin auch nicht gemäß Ziffer 0.3.1 AKB von ihrer Leistungspflicht freigeworden und kann daher nicht die Erstattung des an den Unfallgeschädigten gezahlten Betrages verlangen.“

Glück gehabt, wenn wir mal die strafrechtlichen Folgen außen vor lassen….

53. VGT 2015 – die Empfehlungen – Radfahrer, Landstraße, Handy – überrascht?

Autor User Grosses on de.wikipedia

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Gestern ist der 53. VGT 2015 in Goslar zu Ende gegangen. Natürlich gibt es jetzt auch schon die Empfehlungen/Ergebnisse aus den Arbeitskreisen online, und zwar hier. Über das Programm des 53. VGT hatte ich ja schon unter Nur der Vollständigkeit halber: Das Programm des 53. VGT in Goslar berichtet.

Ich will jetzt nicht alle Ergebnisse aus den AK einstellen, die kann der interessierte Leser bei dem Link nachlesen. Hinweisen will ich nur auf drei Punkte, die für mich teils nicht, teils aber auch überraschend waren, und zwar:

  • Arbeitskreis III – Neue Promillegrenzen für Radfahrer?, u.a. mit der Forderung/Empfehlung, für Radfahrer einen Bußgeldtatbestandem wie er in § 24 a StVG (0,5-Promille-Grenze) für Kraftahrzeugführer vorhanden ist, zu schaffen, und zwar im Bereich von 0,8 bis 1,1 o/oo.

Eine für mich nach dem vorab zu diesem AK veranstalteten Presserummel nicht überraschende Forderung.

  • Arbeitskreis IV Unfallrisiko Landstraße u.a. mit der Forderung, dass zur Reduzierung schwerer Unfälle die Regelgeschwindigkeit für Pkw und Lkw gleichermaßen bei 80 km/h liegen soll. Dazu sei eine Umkehrung von Regel und Ausnahme bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erforderlich. Entsprechend ausgebaute oder ertüchtigte Straßen können danach weiter für Tempo 100 freigegeben werden.

Das war für mich schon überraschend, die Forderung hatte ich so nicht erwartet.

  • Arbeitskreis V Ablenkung durch moderne Kommunikationstechniken, u.a. mit der Forderung:
    IV. § 23 StVO ist im Hinblick auf die technische Entwicklung nicht mehr zeitgemäß. Das betrifft insbesondere die Begriffe „Mobil- oder Autotelefon“ und den ausgeschalteten Motor sowie die Beschränkung auf Aufnehmen oder Halten des Hörers. Der Arbeitskreis fordert den Verordnungsgeber zu einer Neufassung der Vorschrift auf. Diese sollte an die visuelle, manuelle, akustische und mentale Ablenkung von der Fahraufgabe anknüpfen. Die Geldbuße sollte eine gestaffelte Erhöhung bei Gefährdung sowie bei Schädigung vorsehen. Bei der Neufas-sung ist auf eine bessere Nachweisbarkeit in der Praxis Rücksicht zu nehmen.“

Nun, wenn das umgesetzt wird, werden lange Ausführungen in Handbüchern überflüssig bzw. erheblich reduziert. Aber, wie will man an „die visuelle, manuelle, akustische und mentale Ablenkung von der Fahraufgabe anknüpfen“? Da wird man im Zweifel an die aktuelle Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1a anknüpfen (müssen) und hat dann dieselben Probleme, nur unter einem anderen Obersatz. Und das soll dann das Bundesverkehrsministerium machen? Na, ob die das können? Die bekommen ja schon die Maut nicht auf die Reihe bzw. haben damit derzeit genug zu tun.

Ich habe mal eine Frage: Kann ich so der ARAG ein Schnippchen schlagen?

Fotolia © AllebaziB

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Heute habe ich dann mal eine taufrische Gebührenfrage, taufrisch, weil sie gestern erst „reingekommen“ ist. Und: Schwierig, jedenfalls für mich und daher nicht einfach mal so zu beantworten. Spielt nämlich  Zivilrecht mit rein und da bin ich nach mehr als 30 Jahren Strafrecht doch ein wenig vorsichtig. Aber: Die Frage  ist m.E. von allgemeinem Interesse, da das geschilderte Problem sicherlich viele Kollegen kennen und nach einer Lösung suchen. Also:

Lieber Kollege,
diesmal habe ich mal eine gebührenrechtliche Frage: Es geht um das – alle OWi-Verteidiger werden es kennen – leidige Problem mit der beratungsresistenten ARAG und der dortigen Praxis, prinzipiell unter Verwendung von Textbausteinen nicht einmal einschlägigen Urteilen pauschal Verteidigergebühren zu kürzen. Wir erwägen hier derzeit verschiedene Vermeidungsstrategien.
Mir kam nun folgende Idee:
Als Verkehrsrechtsboutique haben wir mit der ARAG nicht nur als Betroffenen-RSV zu tun, sondern auch in zahlreichen Verkehrsunfällen als Kläger-RSV, wo wir in der ganz überwiegenden Zahl die Prozesse so führen können, daß am Ende der Gegner die Anwaltsgebühren erstatten muß, welche die ARAG als RSV bevorschußt hat, so daß wir wiederum an diese erstatten müssen.
Jetzt die Preisfrage:
Kann ein RA gegenüber einer RSV von Zivilkläger A gegen den Erstattungsanspruch der RSV von A auf Gegnerzahlungen aus Kostenerstattungsansprüchen aufrechnen mit dem an den RA abgetretenen restlichen Gebührenfreistellungsanspruch von OWi-Mandant B gegen dieselbe RSV?
Kurz: Ätsch, ich zahl Euch nicht das von KH-Vers. X erstattete Geld, weil ich mit der Gebührenkürzung aus einer anderen Akte aufrechne? Es liegen schließlich durch die Abtretung zwei gleichartige Geldforderungen zwischen denselben Parteien vor, RA und RSV.“

Ich habe darauf geantwortet:

„Hallo Herr Kollege, das ist ja tiefstes Zivilrecht. Ich blogge mal dazu und mache mir ein Tableau. Ok?

Und der Kollege hat dann auch noch einmal „nett“ nachgelegt:

„oh ja, so firm bin ich in solchen Dingen auch nicht. Zumal ich nicht weiß, ob nicht irgendwelche ARB-Regelungen dem im Wege stehen. Bin mal gespannt, was die Kommentatoren so meinen. Wäre eigentlich ne feine Grätsche 🙂 Die ARAG raubt einem den letzten Nerv, der Sauladen. In jeder Akte geht das so, in jeder. Der Baustein ist immer gleich. Die schicken mir ernsthaft den Standardbaustein, wenn ich für eine 22seitige Rechtsbeschwerde mit drei Verfahrensrügen die Mittelgebühr abrechne…“

So, und nun los. Vielleicht finden wir ja gemeinsam eine Lösung?

Am Monatsersten ist Zahltag – auch im Knast….

© Birgit Reitz-Hofmann - Fotolia.com

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Dieses Posting passt ganz gut zum ablaufenden Monat und zum vor der Tür stehenden Monatsersten. Denn in der Regel gibt es ja am Monatsersten Geld, ist Zahltag. Der eine bekommt sein Gehalt/seinen Lohn rückwirkend, die Beamten werden alimentiert und es wird im Voraus gezahlt. Nur, wie ist es im Knast/Strafvollzug. Wie wird bzw. muss da gezahlt werden. Zu der Frage verhält sich der OLG Koblenz, Beschl. v. 04.11.2014 – 2 Ws 499/14 (Vollz). Gegenstand des Verfahrens war ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem ein (bedürftiger) Strafgefangener u.a. von der JVA  verlangte, dass diese das ihm zustehende Taschengeld monatlich so frühzeitig auszuzahlen hat, dass er den am 3. Tag eines Monats in der JVA stattfindenden Einkauf wahrnehmen kann. Die StVK hatte dem entsprochen, die JVA war in die Rechtsbeschwerde gegangen und hat beim OLG „verloren“. Das OLG meint u.a.:

„b) Gemäß 67 Abs. 1 Satz 1 LJVollzG wird bedürftigen Strafgefangenen auf Antrag Taschengeld gewährt. Bedürftig sind Strafgefangene dann, soweit ihnen aus Hausgeld und Eigengeld monatlich ein Betrag bis zur Höhe des Taschengelds voraussichtlich nicht zur Verfügung steht (§ 67 Abs. 1 Satz 2 LJVollzG). Das Taschengeld beträgt 14 v.H. der Eckvergütung nach § 65 Abs. 2 LJVollzG (§ 67 Abs. 4 Satz 1 LJVollzG). Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt (§ 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG).

Der Begriff „zu Beginn des Monats im Voraus“ ist weder im Landesjustizvollzugsgesetz noch in anderen Gesetzen näher bestimmt. Er findet sich auch im Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (§ 62 Abs. 3 Satz 2 LSVVollzG) und entspricht der Begrifflichkeit in den Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzen anderer Bundesländer (vgl. etwa § 62 Abs. 3 Satz 2 SVVollzG Bln; § 62 Abs. 3 Satz 2 BbgSVVollzG; § 68 Abs. 4 Satz 2 BbgJVollzG; § 59 Abs. 2 Satz 2 SJStVollzG; § 62 Abs. 2 Satz 2 SVVollzG M-V; § 57 Abs. 3 Satz 2 StVollzG M-V; § 63 Abs. 3 Satz 2 SichVVollzG Br; § 68 Abs. 4 Satz 2 ThürJVollzGB; § 57 Abs. 3 Satz 2 SLStVollzG). Mit Inhalt und Begründung hat sich der Gesetzgeber in § 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG dem Musterentwurf zum Landesstrafvollzugsgesetz (ME-StVollzG) vom 23. August 2011 (dort § 57 Abs. 3 Satz 2 ME-StVollzG) angeschlossen.

c) 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG verwendet den Begriff „Monat“ im Wort- bzw. kalendarischen Sinne, wonach der Zeitspanne von einem Kalendermonat ein bestimmter Monatsname (z.B. März) zugeordnet wird. Davon geht auch die Antragsgegnerin aus, wie sich aus den von ihr erstellten Kontoauszügen ergibt. Ein Monat im kalendarischen Sinn „beginnt“ mit dem ersten Tag, dem sog. Ersten eines Monats (z.B. dem 1. März 2014). Der Wortlaut von § 67 Abs. 4 Satz 2 LJVollzG mit der Formulierung „zu Beginn eines Monats“ spricht deshalb dafür, dass die Auszahlung des Taschengeldes zum Ersten eines Kalendermonats zu erfolgen hat, zumal die Wortwahl noch dadurch verstärkt wird, dass das Geld „im Voraus“ zu gewähren ist.
d) Diese Auslegung nach dem Wortsinn wird durch Sinn und Zweck der Regelung bestätigt. Nach den Gesetzesmaterialien erfolgt die Gewährung von Taschengeld „im Voraus“, um von Beginn der Haftzeit an ein Abgleiten des Strafgefangenen in die Subkultur zu vermeiden (vgl. Landtag Rheinland-Pfalz, Drucks. 16/1910 v. 18.12.2012, S. 141)……“

Manchmal ist man schon erstaunt, um was alles gestritten werden muss 🙂 .