Kleiner Grundkurs vom BGH: Wie fasse ich Urteilsgründe/Beweiswürdigung ab?

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

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Nach dem Lesen der Gründe des BGH, Beschl. v. 07.08.2014 – 3 StR 224/14 – werden die Richter der Strafkammer beim LG Neubrandenburg, die das dem BGH, Beschl. zugrundeliegende Urteil verfasst haben, sich wahrscheinlich gefragt: Fortbildung oder was war das? Nun ja, ob eine Fortbildung, weiß ich nicht, jedenfalls aber ein kleiner Grundkurs des BGH zur Abfassung von Urteilsgründen. Der BGH schreibt ja immer mal wieder dazu, vor allem dann, wenn die Gründe einer landgerichtlichen Entscheidung ihm ersichtlich zu lang waren – man muss es ja alles lesen 🙂 – und auch das ein oder andere enthielt, auf das es wohl nicht ankam. So also dann auch dieser Beschluss betreffend eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, in dem der BGH (noch einmal) allgemein zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, insbesondere an die Beweiswürdigung, ausführt:

1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 154/14, juris Rn. 8, mwN). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nach-vollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 13. November 2012 – 3 StR 364/12, NStZ-RR 2013, 78, 79). Es ist zwar anzuerkennen, dass die Abfassung der Urteilsgründe stets auch Ausdruck individueller richterlicher Gestaltung und Bewertung sowie der in Spruchkörpern gewachsenen Erfahrung und Übung ist (so auch schon BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). Aufgabe des Tatgerichts ist es jedoch, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgrün-de ist weder durch § 267 StPO noch sachlichrechtlich geboten, da es, unabhängig von der vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht, dazu geeignet sein kann, den Blick auf das Wesentliche zu verstellen und damit den Bestand des Urteils zu gefährden (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2009 – 1 StR 687/08, BGHR StPO § 267 Darstellung 2). Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Gangs der Hauptverhandlung. Die Annahme, es sei notwendig, das Revisionsgericht im Detail darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben, ist verfehlt (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). So ist es regelmäßig nicht angebracht, Zeugenaussagen in umfänglicher Weise ohne Bezug zu Einzelheiten der Beweiswürdigung wieder-zugeben; denn die bloße Wiedergabe des Beweisergebnisses ersetzt nicht dessen Würdigung (BGH, Beschluss vom 20. September 2000 – 3 StR 287/00, bei Becker, NStZ-RR 2001, 257, 264). Entsprechendes gilt für die Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation.

2. Diesen Anforderungen wird das vorliegende Urteil nicht gerecht. …..Nach der Wiedergabe eines gegen R. ergangenen Urteils – ebenfalls in wörtlicher Form – und der mehrseitigen Dokumentation sonstiger Beweisergebnisse folgt im Abschnitt C. der Urteilsgründe die knappe eigentliche Beweiswürdigung. Die besonders bedeutsame Frage, in welcher Form der Angeklagte an den abgeurteilten Taten beteiligt war und welche Rolle ihm dabei zukam, hat die Strafkammer nur kursorisch abgehandelt. Dabei hat sie zunächst in einem, zu der konkreten Einbindung des Angeklagten in die einzelnen abgeurteilten Taten nichtssagenden Satz auf eine Aussage abgestellt, die R. als Zeuge in einem Verfahren vor der Staatsanwaltschaft Schwerin gemacht hatte. Diese Bekundung R. s sei – so das Landgericht – glaubhaft, weil sie Bestätigung durch die weiteren Beweisergebnisse erfahren habe. So belege die umfangreich durchgeführte Überwachung der Telekommunikation, dass der Angeklagte an R. s Taten beteiligt gewesen sei. Sodann hat die Strafkammer jedoch lediglich dargelegt, auf welche Weise sie sich die Überzeugung verschafft hat, dass der Angeklagte an den überwachten Gesprächen als Sprecher teilnahm. Es folgen kurze Hinweise insbesondere zum Gewinn des Angeklagten, zu einem Angebot an einen Käufer, das Rauschgift zu einem bestimmten Preis erwerben zu können, sowie schließlich zu einer Liste mit Namen von Personen, die dem Angeklagten Geld schuldeten. Einen näheren Bezug dieser Umstände zu den konkret abgeurteilten Taten hat das Landgericht nicht hergestellt….“

Tja, und das war es dann: Aufgehoben und zurückverwiesen. Die neue Strafkammer darf dann jetzt „würdigen“.

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