Herr Kollege: Learning by doing? – gibt es nicht

Gesicht ärgerlichManchmal ist es – nun ja – peinlich, mir fällt nichts Besseres ein – vielleicht noch fremd schämen? -, wenn man liest, wie Kollegen taktieren/vortragen, wenn das Kind – durch eigenes Verschulden in den (berühmten) Brunnen gefallen ist. So im KG, Beschl. v. 16.04.2014 – 4 VAs 5/14. Da hatte der Verurteilte bei der StA die Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG beantragt. Nach Ablehnung dieses Gesuchs durch die StA und die GenStA hatte er über seinen Verteidiger beim KG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG gestellt. Das KG hatte diesen Antrag mit Beschluss als unzulässig verworfen, weil er keine aus sich heraus verständliche Sachdarstellung und insbesondere keine Darlegungen der (fortbestehenden) Betäubungsmittelabhängigkeit des Verurteilten sowie des Kausalzusammenhangs zwischen Taten und Betäubungsmittelabhängigkeit enthalten hatte. Dagegen wandte sich der Verurteilte über seinen Verteidiger mit einer Gegenvorstellung und einer als „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ bezeichneten Anhörungsrüge, mit der er beanstandete, das KG habe ihn nicht auf die Anforderungen an das Antragsvorbringen im Verfahren gem. §§ 23 ff. EGGVG hingewiesen.

Und darauf kommt (natürlich) das, was kommen muss und zu erwarten war:

b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtlichen Gehör ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht daraus, dass der Senat ihn bzw. seinen Verteidiger nicht auf die Anforderungen an das Antragsvorbringen im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG hingewiesen hat. Zwar setzt eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Hieraus ergibt sich jedoch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens liegt nur vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2011, 460 m.w.N.). Eine solche „Überraschungsentscheidung“ war der Beschluss des Senats jedoch nicht. Es ergibt sich aus dem Gesetz (§ 24 Abs. 1 EGGVG) und es entspricht dem beschränkten Prüfungsumfang des Oberlandesgerichts (§ 28 Abs. 3 EGGVG) sowie der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschluss vom 1. Februar 2012 – 4 VAs 6/12 – [juris]), dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsverletzung mit dem Antrag nach § 23 EGGVG dargetan werden müssen. Das Erfordernis einer – ohne Rückgriff auf Akten – aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung hätte der anwaltliche Vertreter des Antragstellers – so er trotz seiner anwaltlichen Erfahrung mit dem Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG  unvertraut sein sollte – zudem bereits einem Kurz-Kommentar entnehmen können (vgl. Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., Rn. 3 vor § 23 EGGVG).

 c) Der Senat merkt ergänzend an, dass auch die – hier nicht erfolgte – Berufung auf Anwaltsverschulden dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg verhülfe. Denn die unterbliebene ausreichende Antragsbegründung des Verteidigers muss sich der Betroffene im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG als Verschulden zurechnen lassen (vgl. KG, Beschluss vom 5. März 2008 – 1 VAs 6/08 – [juris]; OLG Hamburg, Beschluss vom 29. Juli 2003 – 2 VAs 3/03 – [juris]; Mayer in KK-StPO 7. Aufl., § 26 EGGVG Rn. 13; Böttcher in LR-StPO 26. Aufl., § 26 EGGVG Rn. 9 m.w.N.).

3. Der Senat sieht davon ab, den hilfsweise gestellten Antrag auf Außervollzugsetzung von „Haftbefehlen“ zu bescheiden. Nach den §§ 23 ff EGGVG wäre der Antrag mangels jedweder Ausführungen unzulässig, mit Abschluss des hiesigen Verfahrens unbegründet.W

M.E. leicht angesäuert das KG. Und das kann es auch sein – Fortbildung bzw. Nachhilfe bei der Begründung von Anträgen gibt es nicht. Also „learning by doing“ ist ausgeschlossen. Der Kollege Verteidiger scheint aber eh Probleme mit Begründungen zu haben. Was soll ein Außervollzugssetzungsantrag, wenn ich ihn nicht  begründe?

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