Ordnungsruf, oder: Die „Mitbestimmung“ bei der Pflichtverteidigerbestellung

© ProMotion - Fotolia.com

© ProMotion – Fotolia.com

Manchmal ist man erstaunt, wie die Instanzgerichte einmal getroffene Entscheidungen über Pflichtverteidigerbestellungen „mit Zähnen und Klauen“ verteidigen,und zwar auch dann, wenn m.E. offensichtliche Fehler im Beiordnungsverfahren vorliegen. So auch das AG Magdeburg, das dafür dann aber vom LG Magdeburg im LG Magdeburg, Beschl. v. 16.07.2014 – 22 Qs 366 Js 38796/13 (45114) – zur Ordnung gerufen worden ist.

Da hatte die Staatsanwaltschaft am 19.12.2013 Anklage erhoben. Das AG forderte die Angeschuldigte am 24. 01. 2014 auf, ggf. Stellung zu der übersandten Anklage zu nehmen. Ein Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, erfolgte nicht. Nachdem die Angeschuldigte eine Weile nicht erreichbar war, konnte ihr letztlich die Aufforderung vorn 24. 01. 2014 am 29. 04. 2014 zugestellt werden. Die Jugendrichterin des AG Magdeburg legte dann die Sache mit der Bitte um Übernahme dem Jugendschöffengericht vor. Das Jugendschöffengericht übernahm das Verfahren am 26. 04. 2014 und bestellte am 24. 06. 2014 der Angeschuldigten Rechtsanwältin R als Pflichtverteidigerin, ohne dass zuvor noch eine Anhörung stattgefunden hätte. Dieser Beschluss wurde von der Kanzlei bearbeitet am 25. 06. 2014. Bereits am 24. 06. 2014 ging der Antrag der Angeschuldigten beim AG Magdeburg ein, ihr Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Am 03. 07. 2014 ging die Beschwerde der Angeschuldigten gegen den Beiordnungsbeschluss vom 24. 06. 2014 beim AG ein.  Dieses half der Beschwerde nicht ab, da die unterbliebene Anhörung der Angeschuldigten durch den Beiordnungsbeschluss und die Erklärung des Verteidigers nachgeholt worden sei. Im Übrigen sei bereits Termin mit Rechtsanwältin R für den 08.09.2014 sowie den 22.09.2014 abgestimmt worden. Diese habe die Angeschuldigte auch bereits zuvor vertreten. Gründe für die Umbestellung von Rechtsanwalt F. in einer bereits terminierten Sache seien nicht ersichtlich.

 Dazu dann der „Ordnungsruf“ des LG im Beschl. v. 16.07.2014

„… Allerdings hat das Amtsgericht entgegen § 142 StPO die Angeschuldigte vor der Bestellung der Pflichtverteidigerin nicht angehört, um ihr Gelegenheit zu geben, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Dieser Verstoß wird nicht dadurch geheilt, dass das Amtsgericht der Angeschuldigten die Pflichtverteidigerbestellung zugestellt hat und diese bereits vor der Zustellung des Beschlusses sich über Rechtsanwalt Funck als Verteidiger gemeldet hat. Die Anhörung soll dazu dienen, dass die Angeschuldigte eine Mitbestimmung bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat und ausüben kann, nicht das bereits getroffene Entscheidungen lediglich förmlich zur Kenntnis gegeben werden, ohne dass eine tatsächliche Einflussmöglichkeit besteht. Hier hat die Angeschuldigte bereits am 24. Juni 2014 (Eingang beim Gericht) gewünscht, dass ihr Rechtsanwalt Funck als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Zu diesem Zeitpunkt hat ersichtlich der Beschluss vom 24. Juni 2014 noch nicht das Amtsgericht verlassen.

Nun hat die Angeschuldigte auf der anderen Seite keinen Anspruch darauf, dass ihr der von ihr gewünschte Pflichtverteidiger tatsächlich beigeordnet wird, wenn dieser Beiordnung gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, § 142, Rz. 9). Solche gewichtigen Gründe können zum Beispiel sein, dass der gewünschte Pflichtverteidiger auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, an einer Verhandlung teilzunehmen. Dies gilt insbesondere in Haftsachen. Ein weiterer Grund könnte sein, wenn der gewünschte Pflichtverteidiger nicht hinreichend qualifiziert wäre.

Solche Gründe sind aber nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Rechtsanwältin R als auch Rechtsanwalt Funck hinreichend qualifiziert sind, um die Pflichtverteidigung auszuüben. Sie sind auch dem Beschwerdegericht aus einer Reihe von Verfahren bekannt.

Im Übrigen hat das Amtsgericht nicht dargelegt, dass Rechtsanwalt Funck etwa auf absehbare Zeit verhindert wäre, an einer Verhandlung über die Anklage zu Lasten der Angeschuldigten teilzunehmen. ….“

Ein Gedanke zu „Ordnungsruf, oder: Die „Mitbestimmung“ bei der Pflichtverteidigerbestellung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert