Bewährungswiderruf 54 (!!) Monate nach Ende der Bewährungszeit – geht „natürlich nicht“

Gesicht ärgerlichDie Frage: „Bewährungswiderruf 54 (!!) Monate nach Ende der Bewährungszeit – geht das?“ stellen, heißt: Sie verneinen. Nein, das geht natürlich nicht – und ich schreibe bewusst natürlich. Denn wenn man den sich mit dieser Frage befassenden KG, Beschl. v. 22.01.2014 – 2 Ws 17/14 – mit dem Leitsatz:

Eine Strafaussetzung kann nach Ablauf der Bewährungszeit nicht mehr widerrufen werden, wenn durch das fehlerhaft betriebene Widerrufsverfahren ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der dem Widerruf entgegensteht. Dies ist der Fall, wenn die Strafaussetzung erst etwa 54 Monate nach dem Ende der Bewährungszeit und über zwei Jahre nach Rechtskraft der Anlassverurteilung widerrufen wurde, obwohl dies früher möglich gewesen wäre.

liest, dann kann man m.E. nur mit „natürlich nicht“ formulieren.

Das das KG „angefressen“ war über die Behandlung der Sache beim AG Tiergarten und/oder bei StA kann man m.E. unschwer den Formulierungen/ Wendungen im Beschluss entnehmen, wenn es dort u.a. heißt – man kann es sich „auf der Zunge zergehen lassen“:

„Zu einem aus der Akte nicht ersichtlichen Zeitpunkt – wohl im Jahre 2009 – wurde diese vom Amtsgericht versandt und später beim Landgericht Berlin als Beiakte zu dem Verfahren – (522) 1 Kap Js 1228/09 Ks (18/09) – geführt….

Ausweislich eines Rechtspflegervermerks gelangten sie erst am 9. März 2011 zur Staatsanwaltschaft zurück. Dort fiel immerhin auf, dass die Entscheidung über den Straferlass noch nicht getroffen worden war, weshalb darum gebeten wurde, diese nunmehr (etwa zwei Jahre nach Ablauf der Bewährungszeit) nachzuholen.

Doch auch diese Anregung führte nicht zu einer sachgemäßen Bearbeitung des Verfahrens durch das Amtsgericht Tiergarten, wo zunächst zudem „unentdeckt“ blieb, dass längst nicht mehr das ursprüngliche Urteil vom 13. Januar 2005 Grundlage der Bewährungsüberwachung war, sondern der (eigene) nachträgliche Beschluss vom 11. April 2006…..

Obwohl die Akten nun ausweislich des oben erwähnten Rechtspflegervermerks „wieder aufgetaucht“ waren und auf Anforderung der Staatsanwaltschaft am 28. April 2011 auch eine Ausfertigung des (nicht rechtskräftigen) Urteils vom 21. Dezember 2010 zur Akte gelangte, geschah – für den Verurteilten erkennbar – nichts. Zwar hatte die staatsanwaltliche Dezernentin – völlig zutreffend – am 16. Mai 2011 angeregt, nunmehr den Verurteilten darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf das noch laufende Revisionsverfahren auch ein Widerruf der Strafaussetzung in Betracht komme, doch wurde diese Anregung durch das Amtsgericht nicht umgesetzt, weil es zunächst weiterhin davon ausging, dass die Bewährungszeit bereits am 12. Januar 2008 geendet hatte. Erst nach einer Anfrage bei der Staatsanwaltschaft unternahm der zuständige Amtsrichter am 16. Juni 2011 einen ersten Anlauf, den Verurteilten (und seine frühere Pflichtverteidigerin) darauf hinzuweisen, dass er weiterhin mit dem Widerruf der Bewährung zu rechnen habe. Die Nachricht erreichte den Verurteilten jedoch nicht, weil sie ihm nicht in die Untersuchungshaftanstalt gesandt worden war, wo er sich seit dem 21. Juni 2009 aufhielt, was sich dem Urteil vom 21. Dezember 2010 unschwer hätte entnehmen lassen. Erst die Rücksendung des Schreibens durch die Postzustellungsfirma am 28. Juni 2011 führte beim Amtsgericht zu der nahe liegenden Überlegung, dass ein (nicht rechtskräftig) zu neun Jahren Freiheitsentzug verurteilter Mann in Berlin mit hoher Wahrscheinlichkeit in der JVA-Moabit aufzufinden sein dürfte, was sodann durch eine telefonische Nachfrage insoweit seine Bestätigung fand, als der Verurteilte sich zu dieser Zeit im Haftkrankenhaus aufhielt. Doch auch dieser Umstand wurde – soweit aktenkundig – nicht zum Anlass genommen, den Verurteilten nunmehr über die fortbestehende Möglichkeit des Bewährungswiderrufs zu informieren…….

Nichts dergleichen wurden indessen von der Staatsanwaltschaft beantragt oder vom Amtsgericht in Angriff genommen. Dafür gab es keinen sachlichen und somit auch keinen dem Verurteilten erkennbaren Grund. ….

Erst am 5. November 2013 erkannte das Amtsgericht Tiergarten seine Unzuständigkeit im Hinblick auf die laufende Strafvollstreckung (§ 462a Abs. 1 StPO) und verwies die Sache zur Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer, die etwa 54 Monate nach dem Ende der Bewährungszeit die angefochtene Entscheidung erließ, obwohl sie bereits problemlos etwa zwei Jahre früher durch das Amtsgericht Tiergarten hätte getroffen werden können.“

Hätte ich als AG-Richter/StVK/StA nicht lesen wollen.

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