Verteidiger (mit)abgehört – gelöscht werden muss dann alles – „versteht sich von selbst“

1896_telephoneIch habe das Gefühl, dass die Verfahren in denen die Kommunikation des Beschuldigten mit (s)einem Verteidiger überwacht wird bzw. worden ist, zunehmen. Jedenfalls nehmen m.E. die Entscheidungen zu, in denen die mit einer Überwachung zusammenhängenden Folgefragen eine Rolle spielen, wobei die nach der Verwertung der gewonnenen „Erkenntnisse“ im Vordergund stehen (vgl. dazu hier schon Für die Praxis wichtig II: Was der Rechtsanwalt erfährt, darf nicht abgehört/verwendet werden… oder Der Telefonkontakt zum Verteidiger – verwertbar oder nicht?). In diese Reihe reiht sich nun ein Beschluss des LG Dresden ein, den mir der Kollege, der ihn erstritten hat, hat zukommen lassen.

Der Sachverhalt – im Grunde ganz einfach: Gegen den Beschuldigten ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des (besonders) schweren Raubes u. a. anhängig. Im Rahmen der gegen den Beschuldigten erfolgten TÜ-Maßnahmen wurde auch ein zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger geführtes Telefonat vom 25. 3. 2014 sowie eine an diesem Tag vom Beschuldigten an den Verteidiger versandte SMS aufgezeichnet. Über deren Inhalt wurde ein Vermerk gefertigt, der sich ebenfalls in den Akten befindet. Der Verteidiger beantragte neben der Feststellung, dass die entsprechenden TKÜ-Maßnahmen rechtswidrig seien, die Löschung der entsprechenden Aufzeichnungen sowie des hierzu gefertigten Vermerks. Diesen Anträgen kam der Ermittlungsrichter des AG im Wesentlichen nach, lehnte aber den Antrag auf Löschung des Vermerks und dessen Entfernung aus der Ermittlungsakte ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verteidigers hatte beim LG Dresden Erfolg. Dieses führt im LG Dresden, Beschl. v. . 05.06.2014 – 14 Qs 56/14 – aus:

1. Die Löschung von Aufzeichnungen nach § 160 a Abs. 1 Satz 3 StPO hat sich nicht lediglich auf die Speicherung der Daten, die unmittelbar durch die TKÜ-Maßnahmen erlangt wurden, zu erstrecken, sondern auch auf entsprechende Niederschriften (siehe etwa Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 101, Rn. 28). Mithin ist sämtliches insoweit angefallenes Material, insbesondere auch ein über den Inhalt des Telefonats bzw. der Kurznachricht gefertigter Vermerk, vollständig zu löschen.

Dies versteht sich von selbst, da andernfalls der besondere Schutz, den die entsprechende grundrechtssichernde Verfahrensregelung nach § 101 Abs. 8 StPO sowie der hier einschlägigen – noch weitergehenden – Vorschrift des § 160 a Abs. 1 StPO bieten soll, nicht effektiv gewährleistet werden könnte.

Den vom Amtsgericht geäußerten Bedenken ist daher nur insoweit Rechnung zu tragen, als die entsprechenden Aktenbestandteile, wie bereits die Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers ausgeführt hat, nicht kommentarlos entfernt werden dürfen, sondern durch Fehlblätter mit einem entsprechenden Vermerk – etwa unter Hinweis auf den die Entfernung anordnenden Beschluss – zu ersetzen sind. Schon um die spätere Nachvollziehbarkeit im Rahmen von Rechtsschutzbegehren Betroffener zu sichern, müssen die Tatsache der Erlangung unverwendbarer Erkenntnisse („aber natürlich nicht diese selbst“ – Meyer-Goßner a.a.O., § 160a Rn. 6) ohnehin nach § 160 a Abs. 1 S. 4 StPO dokumentiert werden.“

M.E. ist dem nichts hinzu zu fügen. „Versteht sich [wirklich] von selbst“, dass alles gelöscht werden muss. Denn würde man nicht alles, also z.B. auch über die Überwachungsmaßnahme gefertigte Vermerke mit inhaltlichen Angaben zu den (ab)gehörten Gesprächen, löschen, dann könnte man die Aufzeichnung des Gesprächs/der SMS u.a. auch gleich in den Akten lassen. Der Schutz, den die §§ 101 Abs. 8, 160 Abs. 1 Satz 3 StPO gewähren soll, ginge ins Leere.

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