Klassischer Rotlichtunfall – Haftungsverteilung?

entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Folgenden – in der Praxis sicherlich häufigen – Sachverhalt, einen „klassischer Unfallhergang“ – hatte das LG Dortmund im LG Dortmund, Urt. v. 11.04.2014 – 4 S 70/11 – zu beurteilen: Es war in einem Kreuzungsbereich zu einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen gekommen. Die Klägerin behauptete dann im Schadensersatzverfahren, zunächst vor einer roten Ampel gewartet zu haben und als diese wieder Grünlicht anzeigte, in die Kreuzung eingefahren zu sein, wo das Beklagtenfahrzeug sie überraschend seitlich gerammt habe. Der Beklagte hatte eingewendet, er sei bei Grünlicht gefahren und habe im Zuge eines Rückstaus auf der Kreuzung stehen bleiben müssen, wo ihn schließlich die Klägerin gerammt habe. Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte dann beim LG keinen Erfolg. Das ist von einer 100-prozentigen Haftung der Beklagten ausgegangen.

Die nach §§ 18 Abs. 3, 17 StVG vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Verschuldensanteile ergibt eine Haftungsquote von 100 % zulasten der Beklagten.

Die Abwägung der gegenseitigen Verschuldensanteile nach §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 2, 1 StVG ist notwendig, weil auch die Klägerin nach § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich für die unfallbedingten Schäden haftet. Denn der Unfall hat sich auch bei dem Betrieb ihres Fahrzeugs ereignet und ihre Haftung war ebenfalls nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da das Schadensereignis auch für sie nicht auf höherer Gewalt beruhte.

Der Unfall war auch weder für die Klägerin noch für den Beklagten zu 1) unvermeidbar im Sinne von §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 3 StVG. Davon muss das Gericht ausgehen, weil keiner der Parteien der Beweis gelungen ist, dass der Unfall für die Klägerin bzw. den Beklagten zu 1) ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war. Ein unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn auch ein Idealfahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können bzw. der Unfall auch bei äußerster möglicher Sorgfalt nicht abzuwenden war und auch nicht weniger folgenschwer gewesen wäre.

Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen L hätte die Klägerin in einer Entfernung von etwa 18 m bis zu ihrer späteren Kollisionsposition ohne erhebliche Sichtbehinderung nach links in Richtung des Beklagtenfahrzeugs schauen können. Hätte sie das Beklagtenfahrzeug zu diesem Zeitpunkt erkannt, hätte sie bei zeitgerechter aktiver Reaktion nach längstens einer Sekunde durch eine Abwehrbremsung noch hinter dem Beklagtenfahrzeug zurückbleiben können. Auch wenn das Erkennen des Beklagtenfahrzeugs für die Klägerin in ihrer Fahrsituation nicht zwingend eine Reaktionsaufforderung darstellte, weil auch der Beklagte zu 1) noch circa 15 m von seiner Kollisionsposition entfernt war und er aus Sicht der Klägerin sein Fahrzeug noch hätte zum Stillstand bringen können, hätte ein Idealfahrer eine Nichtreaktion des Beklagten zu 1) dennoch erwogen und den Unfall durch eigenes Abbremsen verhindern können.

Für den Beklagten zu 1) wäre die Kollision ohne weiteres zu vermeiden gewesen, wenn er auf ein deutlich verspätetes Einfahren in den Kreuzungsbereich nach dem Umschalten der für ihn maßgeblichen Lichtzeichenalge auf Rot verzichtet hätte. Insoweit wird auf die Folgenden Ausführungen verwiesen.

Bei der nach §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist das Gericht zu der Wertung gelangt, dass der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) den Verursachungsbeitrag der Klägerin so sehr überwiegt, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs dahinter zurücktritt.

Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1) in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, obwohl die ihn betreffende Lichtzeichenanlage Rotlicht angezeigt hat und damit gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO verstoßen hat. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugin Q und des Zeugen T sowie den Ausführungen des Sachverständigen L….“

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