„…der Kollege ist kriminell…“ – darf man nicht sagen

© m.schuckart - Fotolia.com

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Hoch her ging es im OLG-Bezirk Koblenz in Zusammenhang mit der Einziehung von Geschäftsanteilen einer GmbH. Das war dann Gegenstand eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, das die von der Zwangseinziehung betroffene Gesellschafterin gewonnen hat. Im Anschluss daran äußerte ein Gesellschafter der GmbH gegenüber einer Kollegin des Rechtsanwalts, der die Gesellschafterin, die das einstweilige Verfügungsverfahren gewonnen hat, in dem Verfahren vertreten hatte, das dieser ein Krimineller sei und in einem gerichtlichen Verfahren eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Ein Verfahren habe er nur aufgrund der von ihm falsch abgegebenen eidesstattlichen Versicherung gewonnen. Die Streitigkeiten hätten der Mandantin  nichts gebracht, der Verfügungskläger habe nur das Geld seiner Mandantin verbrannt.

Und das war dann Gegenstand eines Unterlassungsverfahrens, das mit dem Hinweisbeschluss des OLG Koblenz v. 16.12.2013 – 3 U 1287/13 – und dem OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.2013 – 3 U 1287/13 -geendet hat. Ergebnis: So etwas darf man nicht sagen.

Bezüglich des Vorwurfs, der Verfügungskläger sei kriminell und habe ein gerichtliches Verfahren nur deshalb gewonnen, weil er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine subjektive Meinungsäußerung, die ein Werturteil darstellt.

Eine gemäß § 823 Abs. 1 BGBi.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGBi.V.m. § 185 StGBzu unterlassende rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung stellt eine Meinungsäußerung nur dann dar, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 – 1 BvR 153/96 – NJW 1999, 1322, 1324 [BVerfG 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96]).

Bei der Abwägung ist unter anderem zu berücksichtigen, ob die Äußerung im öffentlichen Meinungskampf aufgestellt worden, in dem eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede besteht und ob sie gegenüber unbeteiligten Dritten aufgestellt worden ist. In der öffentlichen Auseinandersetzung muss auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses droht (BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89NJW 1991, 95 f.). Dementsprechend sind Werturteile von dem Recht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder sie formal beleidigend sind. Insoweit ist eine Interessenabwägung erforderlich. Eine sachliche Kritik ist nicht widerrechtlich. Unzulässig sind aber Werturteile, die in eine jeder sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähkritik übergehen. Dabei macht selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Die Zulässigkeitsgrenze wird vielmehr erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen (BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89BVerfGE 82, 272; BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92NJW 1995, 3303 f.; BGH; Urteil vom 10.11.1994 – I ZR 216/92NJW-RR 1995, 301; Urteil vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99NJW 2000, 1036, 1038; Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03NJW 2005, 279, 283; OLG Koblenz, Beschluss vom 12.07.2012 – 2 U 862/06ZUM-RD 2007, 522 ff., zitiert nach […]).

Bei Anlegung dieser Grundsätze überschreitet die Äußerung des Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger sei kriminell und habe ein gerichtliches Verfahren nur deshalb gewonnen, weil er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, den Bereich einer zulässigen Meinungsäußerung. Die Äußerung stellt eine Schmähkritik dar, weil sie darauf ausgerichtet ist, den Verfügungskläger zu diffamieren. Dabei kommt im Rahmen der Abwägung dem Umstand besonderes Gewicht zu, das der Verfügungskläger Rechtsanwalt ist. Der Vorwurf des Verfügungsbeklagten verletzt den Verfügungskläger nämlich nicht nur persönlich in seiner Ehre, sondern in besonderer Weise in seinem beruflichen Ansehen als Rechtsanwalt und damit als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO). Der Verfügungskläger muss diese nicht hinnehmen.

4 Gedanken zu „„…der Kollege ist kriminell…“ – darf man nicht sagen

  1. justizfreund

    BVerfG Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15
    Folgende Äusserungen stellen nicht alle zwingend eine Formalbeleidigung dar. Für die Höhe einer Strafe ist auch der Kontext zu berücksichtigen:

    „dahergelaufene Staatsanwältin“, „durchgeknallte Staatsanwältin“, „widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin“, „geisteskranke Staatsanwältin“

    …Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 ; 85, 1 ; 93, 266 ). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 ). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

    Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Landgericht verkannt. Zwar sind die in Rede stehenden Äußerungen ausfallend scharf und beeinträchtigen die Ehre der Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen legen aber nicht in einer den besonderen Anforderungen für die Annahme einer Schmähung entsprechenden Weise dar, dass ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes stand. …

    Die Entscheidung bedeutet ja nichts anderes als das ein Nichtanawalt als Prolet es hinnehmen müsste. Das Ansehen der Person ist bei den meisten Richtern das wichtigste Entscheidungskriterium. Vielleicht ist es auch ein wohlgefälliger Anwaltskollege.
    Ausserdem wurde der Wahrheitsgehalt anscheinend nicht untersucht.

    „Insoweit ist der Ehrenschutz stets auch Wahrheitsschutz im Sinne eines öffentlichen Interesses“ (Thomas Fischer StGB 55. Auflg. Vor§185 Rn 5)

    „Der Richter muß den Wahrheitsgehalt einer beanstandeten Aussage prüfen… Wahre Aussagen sind … hinzunehmen.“ (BVerfG in 1 BvR 232/97 vom 12.11.2002)

    Diese gelogene Aussage von Prof. Bausback ist ja gerade in bayerischen Gerichtssälen mehr als unbeschreiblich lächerlich:
    „Denn: Die akribische Suche nach der Wahrheit ist der wohl wichtigste und zugleich sensibelste Auftrag unserer Gerichte und damit elementarer Bestandteil für einen funktionierenden Rechtsstaat.“
    https://www.facebook.com/justizfreund/posts/1880232225635002

    Oder anders gesagt was da im Ansehen der Person als Wahrheit ermittelt wird:
    Unschuldig verurteilt mit unfassbarer Wirklichkeit bei Gerichten, die in Romanen überzogen wäre, Psychologe Prof. Steller klagt Justiz an, zeit-online, 19.11.2015

    Da kann man die aufwendige gewollte „Wahrheitssuche“ auch gleich weglassen besonders wenn man am Ende weiss was dabei als akribisch ermittelte Wahrheit herauskommt.

    Ich hatte auch mal einen gegnerischen Anwalt, der seiner Mandantin eine falsche EV zur Unterschrift vorgelegt hat und damit eine EV ohne mündliche Verhandlung erstmal gewonnen hat.
    Den Anwalt, nennen wir ihn RA B., habe ich genau aus den Gründen aber nicht namentlich benannt, weil ich als Prolet im Ansehen der Person selbstverständlich wegen Beleidigung zu verurteilen wäre ohne das „die“ Wahrheit überprüft worden wäre oder so wie gewollt festzustellen wäre.
    Das wurde dann auch mit einer Strafvereitelung von 2 Staatsanwältinnen durchgeführt. Es wurde die Wahrheit ermittelt, dass die EV der Wahrheit entspricht. Es gab zwar eine Dienstliche Stellungnahme eines Richters in der das Gegenteil stand wie in der EV des Anwalts aber Dienstliche Äusserungen, die aus Befangenheitsverfahren stammen, die abgelehnt worden sind, sind als Beweismittel nicht verwertbar und damit auch nicht mein Zeugnis und auch nicht alle anderen Beweismittel.

    Weil die Meinungsfreiheit gegenüber gewaltausübenden Behörden freier ist habe ich die Staatsanwältinnen in einem Artikel namentlich benannt. Das erste Beleidigungsverfahren wegen der Äusserungen wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt ohne Wahrheitsermittlung.
    Im zweiten Verfahren wurde ich wegen genau einer gleichen Äusserung wegen Beleidigung verurteilt. Ob die strafvereitelnde Tätigkeit der Staatsanwältinnen der Wahrheit ensprach konnte nicht ermittelt werden, so Richter E., weil es sich um ein abgeschlossenes Verfahren handelt und ausserdem leide ich an einer schweren abartigen geistigen Krankheit, die dafür sorgt, dass ich nicht das geringste rechtlich verstehen kann und daher müsse ich eine besonders hohe Strafe erhalten.

    Ein Richter P. (jetzt Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft) erklärte als Zeuge in einem Beleidigungsverfahren in Coburg vor Gericht: „Eine stets strafbare Formalbeleidigung liegt immer dann vor, wenn man einer Person eine geistige Krankheit vorwirft“. Das wurde akribisch als wahrheitsgemäss von einer Richterin B. festgestellt, weil es wurde einem Richter kontextbezogen auf seine Entscheidung schizophrenie unterstellt.
    Für Richter P. sind zB. gezahlte Bussgelder in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall Unfallursachen an denen das zivile Verschulden als Indiz festgestellt wird uam.
    Das habe er 2 mal überprüft und für 100% richtig befunden.

    Das Ansehen der Person ist letztlich das wichtigste Entscheidungskriterium.
    Von daher kann man sich auf nichts verlassen.

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