Wiederholungsgefahr – wann? Bei 1.000 € oder mehr oder immer?

© Andy Dean - Fotolia.com

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Der (subsidiäre) Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist in der Praxis unbeliebt, wird von den Gerichten aber „gern“ genommen. Daher heute mal ein Posting zu zwei Entscheidungen zur Frage, wann eine erhebliche Straftat im Sinne des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO vorliegt. Gegensätzlicher kann man die Rechtsfrage kaum beantworten, als es einerseits das OLG Celle im OLG Celle, Beschl v. 19.12.2013 – 1 Ws 561/13, bzw. andererseits das LG Bremen im LG Bremen, Beschl. v. 27.02.2012 – 41 Qs 275/12 (350 Js 9657/12), der mir erst jetzt übersandt worden ist, tun.

Es geht um die Frage: Ist ein Einbruchdiebstahl (§ 243 StGB) eine erhebliche Tat, ggf. immer oder ggf. unter welchen Voraussetzungen?

Dazu sagt das OLG Celle:

„1. Zwar wird von der Rechtsprechung zu weiten Teilen angenommen, die Erheblichkeit im Sinne des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO fehle bei einer Schadenssumme von weniger als 2.000 Euro (so etwa OLG Sachsen-Anhalt, StV 2012, 353; OLG Hamm, StV 2011, 291;  ThürOLG StV 2009, 251; OLG Oldenburg, StV 2005, 618; a.A.: KG OLGSt StPO § 112a Nr. 4). Dies gilt aber nicht stets und auch nicht uneingeschränkt. Die Höhe des durch die Tat entstandenen bzw. zu befürchtenden Schadens ist zwar ein wesentliches, indessen lediglich eines von mehreren in Betracht kommenden Kriterien für die Würdigung, ob eine Tat erheblich in diesem Sinne ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juni 2013 ? 1 Ws 218/13). Den maßgeblichen Entscheidungen lagen Straftaten des Betrugs oder des Diebstahls nach § 243 StGB zugrunde. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist indessen ein Wohnungseinbruchdiebstahl nach Maßgabe von § 244 StGB, bei dem ein die Rechtsordnung in erheblichem Maße beeinträchtigendes Geschehen sich nicht allein am Wert des schließlich erlangten Diebesgutes bemisst. Denn zum einen hängt es letztlich vom Zufall und von den konkreten, im Vornherein indessen nicht absehbaren Umständen ab, wie hoch die Beute schließlich ausfällt, und zum anderen tritt in nicht unbedeutendem Maße hinzu, dass die Rechtsordnung zumindest aus Sicht der betroffenen Be- und auch Anwohner bei unbefugtem Einsteigen in einen Wohnraum – vor allem auch psychisch – in ganz erheblicher Weise beeinträchtigt wird. Der Wert des erlangten Diebesgutes ist nach aller kriminologischer Erfahrung hierbei regelmäßig nachrangig. Derartige Taten sind sowohl vom Unrechtsgehalt als auch von der aufgewendeten kriminellen Energie mit sonstigen Vermögenstaten nicht zu vergleichen. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und deren „Gefühl der Geborgenheit im Recht“ (Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Aufl. § 112a Rn. 9) werden gerade bei Serieneinbruchstaten ungleich mehr beeinträchtigt. Demnach sind Amts- und Landgericht auch vor dem Hintergrund, dass die Vorschrift des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als vorbeugende Schutzmaßnahme eher restriktiv auszulegen ist (BVerfGE 19, 342), völlig zutreffend von der Erheblichkeit im Sinne von § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO ausgegangen. Hinzu kommt, dass der Angeschuldigte bei früheren bzw. weiteren Taten des Wohnungseinbruchs Diebesgut auch im Wert von jeweils deutlich mehr als 2.000 Euro erbeutet hatte. Dass das Urteil vom 12. November 2013 nicht rechtskräftig ist, steht dem bei der Prüfung von Untersuchungshaft nicht entgegen. Die Besorgnis weiterer erheblicher Taten steht hiernach nicht in Frage.

Demgegenüber das LG Bremen:

c) Die am 05.05.2012 ab 21.19 Uhr in der in Bremerhaven begangene Tat zu Lasten des Geschädigter pp, derer der Beschuldigte dringend tatverdächtig ist, ist keine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Tat gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO. Da die Katalogtaten nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO von generell schwerwiegender Natur sind, können nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes bzw. solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen, als Anlasstaten in Betracht kommen (OLG Jena StV 2009, 251). Maßgeblich für die Beurteilung sind insbesondere Art und Umfang des jeweiligen angerichteten Schadens (BVerfG, NJW 1973, 1363). Dabei ist jede der wiederholt begangenen Taten separat zu betrachten (OLG Hamm StV 2011, 291 m.w.N.). Ein Schaden von bis zu 1.000,- wird dabei noch nicht als überdurchschnittlich schwer eingestuft (OLG Jena StV 2009, 251; OLG Hamm StV 2011, 291; OLG Frankfurt StV 2010, 583). Bei der Tat wurde keine Beute erlangt, der durch die Sachbeschädigungen eingetretene Schaden erreicht 1.000,- realistischerweise nicht. Mangels überdurchschnittlichen Schadens ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung nicht gegeben. Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass die Tat von einer Bande begangen wurde, die in Verdacht steht, in und um Bremerhaven vergleichbare Taten begangen zu haben.

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