Archiv für den Monat: Februar 2014

Kein Geständnis – keine Bewährung?

© ferkelraggae - Fotolia.com

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Mal wieder eine strafzumessungsrechtliche Entscheidung, allerdings nicht vom BGH, sondern vom OLG Hamm. Das hat sich im OLG Hamm, Beschl. v. 30.07.2013 – 5 RVs 59/13 mit der Frage der Zulässig, der Ablehnung von Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat abstreitet, befasst. Und: Die Verknüpfung: Keine Geständnis – keine Bewährung, ist so nicht zulässig, denn:

„Die Erwägungen des Landgerichts zur Ablehnung der Aussetzung der Strafe zur Bewährung weisen schwerwiegende Rechtsfehler auf, so dass der Rechtsfolgenausspruch insoweit keinen Bestand haben kann.

Zwar ist auch die Entscheidung über eine Bewährung allein Sache des Tat­richters und unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, so dass die Prognoseentscheidung des Tatrichters, bei der ihm ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, vom Revisionsgericht grund­sätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (BGH, NStZ-RR 2005, 38) und nur darauf hin zu prüfen ist, ob sie rechtsfehlerhaft ist, d. h., ob der Tatrichter Rechtsbegriffe verkannt oder seinen Beurteilungsspielraum fehler­haft angewandt hat (Fischer, StGB, 60. Auflage, § 56 RN 25 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 20.11.2007 – 1 Ss 241/07 -; Beschluss vom 16.09.2009 – 2 Ss 247/09 -; beide zitiert nach Burhoff-Online). Das Land­gericht hat aber bei der Ent­scheidung über die Frage, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, unzulässigerweise berücksichtigt, dass der Angeklagte auch nach den ihn belastenden und die Angaben des Geschädigten bestätigenden Aussagen der Zeugen K. und L nicht bereit war, ein Geständnis abzulegen, obwohl ihm für diesen Fall die Strafaussetzung zur Bewährung in Aussicht gestellt worden war. Zwar hat das Landgericht seine Entscheidung nicht alleine darauf und auf den daraus gezogenen Schluss, der Angeklagte sei nicht in der Lage, sein Fehlverhalten einzuräumen, gestützt, sondern weitere Umstände in seine Abwägung einbezogen. Es ist aber nicht auszu­schließen, dass die Entscheidung über die Frage der Bewährung anders aus­gefallen wäre, wenn das Abstreiten der Tat durch den Angeklagten nicht be­rücksichtigt worden wäre, zumal einige Umstände wie die seit Anfang 2012 durch den Angeklagten be­suchte ambulante Drogentherapie für eine positive Sozialprognose sprechen.“

Diesen ausführlichen, in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der General­staatsanwaltschaft schließt sich der Senat an.

Der Senat weist darauf hin, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ggf. zur Bewährung ausgesetzt wird, das Prozess- bzw. Vertei­digungsverhalten eines Angeklagten nur im Ausnahmefall geeignet ist, die sonst nicht ausgeschlossene günstige Sozialprognose zu verneinen. Dieses gilt auch für die tatrichterliche Erwägung, aus dem hartnäckigen Bestreiten eines Angeklagten folge, dass es ihm an Unrechtseinsicht fehle, was die Prognose negativ beeinflussen müsse. Dies stellt deshalb einen Rechtsfehler dar, weil das Verteidigungsrecht eines Angeklagten ausgehöhlt wird, wenn er befürchten muss, das Bestreiten der Tat werde sich in einem eventuellen Strafausspruch negativ auswirken (vgl. Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rdnr. 480).

Christian Wulff, was war/was kommt – Überraschungen: Ja oder nein?

entnommen wikimedia.org

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Gestern  (27.02.2014) ist Christian Wulff – nach, ich meine, es waren 13 Hauptverhandlungstage – frei gesprochen worden. Ein Ergebnis, dass nach dem Prozessverlauf und den im Laufe der letzten Hauptverhandlungstage mehr oder weniger deutlichen Hinweisen der Strafkammer zu erwarten war und nicht mehr sonderlich überrascht hat. Mich überraschen auch nicht die Kommentare/Erläuterungen/Erklärungen, die seit gestern und sicherlich auch noch in den nächsten Tagen – nicht überall ist Karneval – auf uns einstürzen werden. Denn auch die waren/sind zu erwarten.

Nach dem Ende des Verfahrens macht man sich so seine Gedanken – da bin ich sicherlich nicht allein. Ob denn alles so kommen musste, wie es gekommen ist, oder ob nicht doch das Ein oder Andere überraschend ist/war. Blicken wir also zurück, aber blicken wir auch nach vorn.

Gehen wir zunächst zurück an den Anfang. Da hat mich überrascht, wie wenig professionell Christian Wulff mit der Affäre umgegangen ist. Aus einem Schneeball wurde eine Lawine, die nicht mehr aufzuhalten war. Und das erst recht nach dem unsäglich unglücklichen Anruf beim Bild-Chefredakteur. Man darf überall anrufen, nur da nicht. Ich habe mich auch seitdem immer wieder gefragt: Was wäre eigentlich, wenn Christian Wulff nicht so defensiv reagiert und die Karten auf den Tisch gelegt hätte? Wäre er dann heute noch Bundespräsident?

Nicht überrascht hat mich die Einleitung der Ermittlungen durch die StA Hannover im Februar 2012. Der erforderlich Anfangsverdacht lag sicherlich vor. Allein schon das ungeschickte Taktieren von Christian Wulff und die angewandte Salamitaktik rechtfertigten m.E. zusammen mit dem, was bis dahin bekannt war, die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Ob man allerdings auch noch das Privathaus von Christian Wulff mediengerecht – aber wo lauert die Meute nicht – durchsuchen musste: Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, was man dort eigentlich noch zu finden hoffte, nachdem die Krise zum Zeitpunkt der Durchsuchung schon Wochen/Monate schwelte. Wenn es Belege u.Ä. gegeben hat, dann wären die m.E. vernichtet gewesen. Aber vielleicht denkt man als Staatsanwaltschaft anders, ich weiß es nicht.

Etwas mehr Probleme habe ich mit der Frage, ob es zutreffend war, wenn die Staatsanwaltschaft dann nach den (Vor)Ermittlungen einen hinreichenden Tatverdacht bejaht und dann Anklage erhoben hat. Auf den ersten Blick ist man gewillt zu sagen: Das war falsch, wie der Freispruch beweist, die Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung hätte nicht bejaht werden dürfen. Argumentiert man aber so, bedeutet das jedoch, dass bei jedem Freispruch nachträglich die Anklageerhebung zu rügen wäre. Das kann aber nicht richtig sein, denn man würde dabei aus den Augen verlieren, dass es bei der Anklageerhebung eben nur um die „Wahrscheinlichkeit“ der Verurteilung geht, die am Ende der Beweisaufnahme stehende Verurteilung aber die „Überzeugung“ des Gerichts von der Täterschaft des jeweiligen Angeklagten voraussetzt. Das sind gewaltige – dem Strafverfahren und der StPO immanente  – Unterschiede, die man hinnehmen muss.

Man fragt sich natürlich in dem Zusammenhang: Hätte die Strafkammer, die jetzt frei gesprochen hat, nicht auch schon eher sehen können, ja müssen, dass es für eine Verurteilung nicht reicht und hätte daher gar nicht erst das Hauptverfahren eröffnen dürfen? Aber auch hier muss man fragen: War das Ergebnis, das jetzt vorliegt, zu dem Zeitpunkt der Eröffnung denn schon absehbar? Wahrscheinlich und aus Sicht der Kammer nicht, denn dann hätte man – davon gehe ich aus – nicht eröffnet. Letztlich wird man das aber ohne genaue Kenntnis der Akten kaum entscheiden können. Und: Es gibt Rechtsprechung, die in Zweifelsfällen, in denen die Verurteilung ebenso wahrscheinlich ist wie die Nichtverurteilung die Eröffnung als zulässig ansieht, wenn letztlich erst eine Hauptverhandlung Klärung bringt. Ggf. würde das eine aus heutiger Sicht (!!!) falsche Eröffnungsentscheidung rechtfertigen. Wie gesagt: Wer außer dem Gericht, den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft kennt die Akten?

Mich überrascht es schließlich nicht, wenn die Staatsanwaltschaft in die Revision geht. Überall hört man jetzt bzw. hat schon vor dem Freispruch gehört, dass damit das Verfahren in die zweite Runde gehen würde, auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Nun, wir wissen, dass das Quatsch ist, denn einen zweiten „Rechtsgang“ gibt es erst, wenn der BGH das Urteil des LG Hannover aufgehoben hat. Ich kann im Übrigen nachvollziehen, wenn die StA in die Revision geht. Sie hat die Ermittlungen aufgenommen, Anklage erhoben und das Verfahren mit dem Ziel der Verurteilung von Christina Wulff betrieben. Da ist es nur folgerichtig, wenn man dann jetzt auch noch in die Revision geht. Alles andere würde mich überraschen. Natürlich ist das für den Angeklagten weitere Belastung, aber: Am Ende steht ggf. die Verwerfung der Revision der StA und damit einen Freispruch durch den BGH.

Was bleibt? Das gestrige Urteil war (sicherlich) noch nicht das Ende des Verfahrens. Christian Wulff hat eine Schlacht gewonnen, noch nicht den Krieg. Gesamt-  und nicht nur Etappensieger – ist er erst, wenn ggf. der BGH ein (letztes) Wort gesprochen hat. Warten wir es ab.

„die Ellenbogenprellung als lediglich geringfügige und folgenlose Beeinträchtigung…“

FragezeichenWir kennen sie alle – die geringfügigen und folgenlosen „Körperverletzungen“, bei denen man sich dann fragt, ist das bereits eine Beeinträchtigung von strafrechtlicher Relevanz, was im Strafverfahren, insbesondere auch nach einem Verkehrsunfall, ja von erheblicher Bedeutung sein kann. Nicht nur für die Frage, ob der Tatbestand des § 229 StGB erfüllt ist, sondern ggf. auch im Bereich der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Mit einer solchen Verletzung hat sich jetzt der KG, Beschl. v.  17.12.2013 –  (3) 121 Ss 240/13 (179/13) – befasst – und das landgerichtliche Urteil aufgehoben:

„Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht. Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands der Körperverletzung ist nach dem Gesetzeswortlaut eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsbeschädigung des Verletzten. Eine körperliche Misshandlung setzt nach der Rechtsprechung ein übles, unangemessenes Behandeln, das das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, voraus (vgl. OLG Karlsruhe VRS 108, 427, 428; Fischer, StGB 61. Aufl., § 223 Rn. 4 m. N.). Die Urteilsgründe belegen nicht, dass die körperliche Unversehrtheit der Geschädigten beeinträchtigt worden ist, da keine Verletzungsfolgen im Sinne einer Substanzschädigung dargelegt werden. Zwar kann eine Prellung zu einer solchen führen, aber nur dann, wenn sie über nur geringfügige Einwirkungen auf die körperliche Integrität hinausgeht. Die von der Geschädigten ausweislich eines. ärztlichen Attests erlittene Ellenbogenprellung ohne weitere Folgen und ohne Behandlungsbedarf belegt lediglich eine geringfügige und folgenlose Beeinträchtigung. Auch eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Geschädigten lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Dazu bedarf es einer erheblichen körperlichen Einwirkung, der Zufügung eines länger andauernden oder eines kurzfristig intensiven Schmerzes (vgl. OLG Karlsruhe a. a. 0.). Derartiges belegen die Urteilsgründe, in denen lediglich mitgeteilt wird, die Geschädigte habe leichte Schmerzen verspürt, könne aber nicht mehr genau sagen, was ihr wehgetan habe, nicht.“

Die Narren vor dem Kadi – für Weiberfastnacht

© Spiky83 - Fotolia.com

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Im Rheinland hat er gerade begonnen – der Straßenkarneval. Da passt ganz gut eine Zusammenstellung von Entscheidungen unter dem Thema: „Narren vor dem Kadi“, die angelehnt ist an die Zusammenstellung aus dem Jahr 2013 bei LTO (vgl. hier „Karneval und Recht„).

Hinzuweisen möchte ich auf:

  • Es gibt an Karneval keinen Anspruch auf bezahlte Freizeit. Weiberfastnacht, Rosenmontag und Karnevalsdienstag sind keine gesetzlichen Feiertage. Wer nicht arbeiten will, muss im Zweifel Urlaub nehmen.
  • Man darf ggf. kostümiert zur Arbeit kommen, aber immer noch passend. Ein Krümelmonster in der Bank soll nicht passend sein – kommt auf die Bank an, oder? 😀
  • Und wir schließen den Reigen mit Münster (ja, auch da soll es Karneval geben): Nachdem sich die Tanzmariechengruppe „1. Bischöfliche Münsterische Offizierscorps“ von ihren Verein getrennt hatte, wollten der den Mariechen das Tanzen verbieten. Per einstweiliger Verfügung verlangte er, dass das Tanzcorps sofort seinen Namen und die Uniformen ablegt. Ein Gerichtsvollzieher beschlagnahmte die Kostüme. Das LG Münster hatte  mehr Verständnis: Es kassierte die Verfügung und gab den Mariechen ihre Hüte, Röcke und Spitzenhöschen rechtzeitig zur Session zurück (LG Münster, Beschl. v. 21.11.2005 – 2 O 664/05).

Und als Bild gibt es dann eins vom für Karneval prächtig herausgeputzten Prinzipalmarkt. Helau 🙂 .

Die Stinkbomben im Bordell – können teuer werden

© Guzel Studio - Fotolia.com

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Das Leben liefert doch die schönsten Sachverhalte, manche sind so schön, dass man sie nicht erfinden kann. So der, der dem OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2014 -5 U 1243/13 – zugrunde gelegen hat; passt ganz schön zu „Weiberfastnacht“ 🙂 , und zwar:

Die Beklagte vermietet Zimmer an Prostituierte. Dort warf der Kläger an zwei Tagen Stinkbomben. Es gelang der Beklagten, ihn zu identifizieren, nachdem sie in ihrer Videoüberwachungsanlage gespeicherte Fotos seiner Person ins Internet gestellt hatte. Der Versuch, den Kläger dann in seiner Wohnung zur Rede zu stellen, schlug fehl. Danach kam es aber zu einem Gespräch mit einem Generalbevollmächtigten der Beklagten (!!) und nachfolgend zu einem gemeinsamen notariellen Termin, bei dem der Kläger im Hinblick auf die durch sein Verhalten entstandenen Schäden ein auf 12.000 € nebst Zinsen lautendes Schuldanerkenntnis gegenüber der Beklagten unterzeichnete und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwarf. Die Beklagte versprach in derselben Urkunde, die Fotos des Klägers aus dem Internet herauszunehmen und alle über den Kläger gespeicherten Daten unter Verschluss zu halten. Des Weiteren sollten die gegen ihn gestellten Strafanträge zurückgezogen werden, sobald er seine Zahlungszusage erfüllt hatte. Jetzt streiten Kläger und Beklagte um das notarielle Schuldanerkenntnis. Der Kläger will, dass die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr dann stattgegeben. Begründung:

a) Der Kläger hat innerhalb des Rechtsstreits die Anfechtung wegen Drohung erklärt und dazu erläutert, er sei insbesondere durch die Veröffentlichung seiner Fotos im Internet hochgradig unter Druck gesetzt worden. Mit dieser Erklärung, die den inhaltlichen Anforderungen des § 143 Abs. 1 BGB (vgl. dazu Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 143 Rn. 3) genügte und innerhalb der Frist des § 124 BGB erfolgte, ist das am 28.01.2013 gegebene Zahlungsversprechen hinfällig geworden (§ 142 Abs. 1 BGB); denn der Anfechtungstatbestand des § 123 Abs. 1 BGB ist erfüllt.

b) Das streitige deklaratorische Schuldanerkenntnis wurde durch unzulässig ausgeübten Zwang veranlasst. Dieser Zwang ging von der – möglicherweise nicht wörtlichen, aber nach den Umständen zumindest konkludent vermittelten – Ankündigung der Beklagten aus, die laufende Veröffentlichung der Fotos des Klägers erst dann zu beenden, wenn dieser die notarielle Verpflichtungserklärung abgab. Ein entsprechender Zusammenhang wird aus dem Urkundstext selbst deutlich, demzufolge die Herausnahme der Fotos aus dem Internet als Gegenleistung zum Schuldanerkenntnis des Klägers ausgestaltet wurde. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zum Ausdruck gebracht hätte, auch ohnedies – nämlich im Sinne einer eigenständigen, von jeder Verknüpfung mit dem Verhalten des Klägers freien Vorleistung – zu einem solchen Schritt bereit zu sein. Ein dahingehendes, nach außen gerichtetes Signal gibt auch die in ihrem nachgereichten Schriftsatz aufgestellte Behauptung, sie sei willens gewesen, die Verbreitung der Aufnahmen mit der Entdeckung des Klägers zu beenden, nicht zu erkennen. Von daher besteht kein Anlass, deshalb die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Das gilt umso mehr, als die Behauptung angesichts des gegenläufigen tatsächlichen Verhaltens der Beklagten der Plausibilität entbehrt.

Indem die Beklagte die notarielle Zahlungszusage des Klägers durch den Hinweis auf die ansonsten fortdauernde Publikation der Fotos herbeiführte, übte sie eine widerrechtliche Drohung aus, weil die Veröffentlichung gegen das Gesetz verstieß und unabhängig von jedwedem Entgegenkommen des Klägers hätte beendet werden müssen (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 123 Rn. 16). Die Publikation war gemäß § 22 KunstUrhG verboten und damit ohne Weiteres zu unterlassen. Die Vorschrift gestattet die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen einer Person nur mit deren Erlaubnis, an der es im vorliegenden Fall fehlte.

c) Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe ein legitimes Interesse daran gehabt, „denjenigen ausfindig“ zu machen, „der die Stinkbomben im Bordell zerplatzen ließ“, „nicht zuletzt, um weitere Anschläge zu vermeiden“. Selbst wenn man darin – was aus der Sicht des Senats freilich eher fern liegt – primär einen Rechtfertigungsgrund gemäß § 227 BGB oder § 34 StGB (zu dessen Anwendung im Zivilrecht vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 227 Rn. 10) sähe, war für einen solchen Rechtfertigungsgrund jedenfalls kein Raum mehr, nachdem die Beklagte die Identität des Klägers ermittelt hatte und dessen Urheberschaft feststand. Diese Situation war bei der Errichtung der notariellen Urkunde längst eingetreten.