Vorsitzender/BE krank? Na und, dann muss eben ein anderer Richter (unter)schreiben

© Dan Race Fotolia .com

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M.E. häufen sich in der letzten Zeit Verstöße gegen § 275 StPO, der die Urteilsabsetzungsfristen regelt. Denn ich stoße vermehrt auf BGH-Entscheidungen, in denen die Revisionen Erfolg haben, weil die Urteilsabsetzungsfrist überschritten worden ist und dafür nicht ausreichende Gründe vorliegen. So auch im BGH, Beschl. v. 18.12.2013 – 4 StR 390/13. Der Vorsitzende, der auch Berichterstatter war, ist nach Urteilsverkündung erkrankt. Deshalb kommt das Urteil verspätet zur Akte. Der BGH moniert das und die Verfahrensweise der Kammer:

„Ein solcher Umstand ist nicht etwa in der noch bei Eingang der Revisionsbegründung am 17. Juli 2013 andauernden Erkrankung des Vorsitzenden, der zugleich der Berichterstatter war, zu sehen. Der Vermerk der beisitzenden Richterin S. vom 13. Februar 2013 führt hierzu u.a. Folgen- des aus:

„Der Vorsitzende Richter am Landgericht K. wurde am 31.01.2013 aufgrund einer nicht vorhersehbaren schweren Erkrankung stationär im Krankenhaus aufgenommen. Nunmehr wurde bekannt, dass seine Erkrankung voraussichtlich einen längerfristigen Aufenthalt im Krankenhaus erfordert. …“

Auf diese Feststellung am Tag vor Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist durften sich die beisitzenden Richter nicht beschränken. Alle berufsrichterlichen Mitglieder des Spruchkörpers sind für die Einhaltung der Frist nach § 275 Abs. 1 StPO verantwortlich. Beim Ausfall des Berichterstatters muss deshalb notfalls ein anderer erkennender Berufsrichter das Urteil abfassen, sofern ihm dies möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1975 – 1 StR 701/75, BGHSt 26, 247, 249; Beschlüsse vom 9. August 1988 – 5 StR 295/88, BGHR StPO § 338 Nr. 7 Fristüberschreitung 1, vom 27. April 1999 – 4 StR 141/99, NStZ 1999, 474, und vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 485/10, StV 2011, 211). Gründe dafür, dass es den Beisitzern unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, innerhalb der verbleibenden Urteilsabset-zungsfrist von zwei Wochen das nicht sonderlich umfangreiche und schwierige Urteil selbst abzufassen, sind nicht ersichtlich. Der Senat vermag insbesondere den von der Revision mitgeteilten Vermerken der Richterin am Amtsgericht S. vom 13. Februar, 8. Mai und 4. Juni 2013 einen die Fristüberschreitung rechtfertigenden Grund nicht zu entnehmen: Der Umstand, dass bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist nicht geklärt worden ist, ob und in welchem Umfang Vorsitzender Richter am Landgericht K. bereits einen Urteilsentwurf gefertigt hatte, ist hierzu von vornherein ungeeignet. Die Stellungnahmen enthalten sich auch jeder Begründung dafür, dass die Abfassung des Urteils ohne Einsicht in Mitschriften des erkrankten Vorsitzenden nicht möglich gewesen sein sollte; das ist nach Sachlage auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 – 2 StR 492/07, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 4 Umstand 6). Sonach hat das Revisionsgericht davon auszugehen, dass Umstände, die eine Fristüberschrei-tung rechtfertigen könnten, fehlen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 und vom 27. April 1999, jew. aaO).“

Ich denke, den BGH wird vor allem auch gestört haben, dass die Beisitzer „das nicht sonderlich umfangreiche und schwierige Urteil“ nicht selbst abgefasst haben.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

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