Archiv für den Monat: Januar 2014

Strafzumessung II: Bei Aussagedelikten gibt es generell keine Bewährung?

© Thomas Becker - Fotolia.com

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Und nach Strafzumessung I: Das Fehlen mildernder Umstände geht zu deinen Lasten, dann gleich noch eine Strafzumessungsentscheidung vom 2. Strafsenat, nämlich den BGH, Beschl. v. 11.12.2013 – 2 StR 478/13. Im Grunde zwei klassische Fehler, die das LG dort gemacht hat. Der eine führt zur Aufhebung, auf den anderen weist der BGH nur hin :-).

Das Landgericht hat die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB aus dem Strafrahmen des § 153 StGB i.V.m. § 26 StGB – drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe – gebildet. Es hat dabei u.a. zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die von ihm angestiftete Haupttäterin „der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt hat“ (UA S. 10).

Diese Wertung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Anstiftung (§ 26 StGB) setzt voraus, dass ein anderer zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt wird. Wird – wie hier – die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat begangen, besteht regelmäßig die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (vgl. auch § 160 Abs. 1, § 163 Abs. 1 StPO). Die regelmäßigen Auswirkungen der Anstiftungshandlung stellen aber keinen Strafschärfungsgrund dar (vgl. auch Senat, Beschluss vom 3. April 1998 – 2 StR 101/98, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Beihilfe 3 zu den regelmäßigen Auswirkungen der Beihilfehandlung). Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung eine niedrigere Strafe ausgesprochen worden wäre.

3. Der Senat weist auf Folgendes hin:
 
a) Die bisherige Begründung des Landgerichts, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat zunächst die Prüfung unterlassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose zu stellen ist (§ 56 Abs. 1 StGB; vgl. auch Senat, Beschluss vom 22. Dezember 1988 – 2 StR 664/88, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 3). Bei Anwendung der Ausnahmevorschrift (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 43) des § 56 Abs. 3 StGB hat das Landgericht zudem nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juli 1990 – 2 StR 270/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 7), Untersuchungshaft verbüßt und die Tat gestanden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 1991 – 1 StR 320/91, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 11). Die Überlegungen des Landgerichts laufen zudem auf den – bedenklichen – Gedanken eines generellen Ausschlusses der Aussetzungsmöglichkeit bei Aussagedelikten hinaus. Der Senat verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 13. April 2011 – 2 StR 665/10, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 21.

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Strafzumessung I: Das Fehlen mildernder Umstände geht zu deinen Lasten

© Dan Race - Fotolia.com

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Strafzumessung ist nicht immer einfach und es werden häufig (vermeidbare) Fehler gemacht.. Das zeigt sich sehr deutlich in der Rechtsprechung des BGH, m.E. seit einiger Zeit vor allem in der des 2. Strafsenats. Denn m.E. werden von dem – zumindest gefühlt – mehr landgerichtliche Entscheidungen als früher wegen Strafzumessungsfehlern aufgehoben. Ein Beispiel ist das BGH, Urt. v. 09.10.2013 – 2 StR 119/13,  in dem der 2. Strafsenat eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu überprüfen hatte. Den Schuldspruch hat der BGH nicht beanstandet, aber den Rechtsfolgenausspruch:

b) Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat das Landgericht jedoch auch zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass sich seine Angriffshandlungen gegen „Repräsentanten des Staats“ richteten, die hierzu „keinerlei Anlass“ gegeben hatten. Diese Erwägung stößt auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 5 StR 158/06 Rn. 4 juris) auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

Schon die strafschärfende Erwägung, dass sich die Angriffe gegen „Repräsentanten des Staates“ richteten, ist mit im Blick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) nicht unbedenklich. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht den Umstand, dass es sich bei den Geschädigten um Polizeibeamte handelte, noch einmal zu Lasten des Angeklagten eingestellt hat, ob-gleich schon der Tatbestand des § 113 StGB eine gegen einen Amtsträger der Bundesrepublik gerichtete Handlung voraussetzt. Im Übrigen wird man auch kaum annehmen können, Gewalttätigkeiten, die im Rahmen eines (schweren) Landfriedensbruchs gegen Unbeteiligte oder sonstige Dritte begangen werden, verwirklichten eine „geringere“ Schuld als Gewalt gegen Polizeibeamte.

Jedenfalls erweist sich die Erwägung, dass die Geschädigten dem Angeklagten „keinerlei Anlass“ für einen Angriff gegeben hätten, als rechtsfehlerhaft. Da die Polizeibeamten dem Angeklagten jedenfalls insoweit einen „Anlass“ gegeben hatten, als sie ihn unter Einsatz unmittelbaren Zwangs aus den Kreuzungsbereich wegdrängten bzw. dies absicherten, kann das Landgericht bei dieser Erwägung nur darauf abgestellt haben, dass es keinen berechtigten oder sonst verständlichen Anlass für den Messereinsatz gab. Dabei handelt es sich aber letztlich um eine strafschärfende Berücksichtigung des bloßen Fehlens eines strafmildernden Umstands.

Zwar schlagen nach allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung strafmildernd zu Buche, wie z.B. eine Tatverstrickung durch Dritte oder der Umstand, dass das Opfer selbst zu der Situation beigetragen hat, aus der heraus die Tat begangen wird. Das Fehlen solcher mildernden Umstände berechtigt indes nicht, dies zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Ap-ril 2012 – 2 StR 73/12, NStZ 2013, 46). Daher kann der Umstand, dass ein Täter „grundlos“ gegen das Tatopfer vorgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 1993 – 4 StR 207/93 Rn. 6 juris; Senat, Beschluss vom 11. Februar 1998 – 2 StR 668/97 Rn. 3 juris) oder, dass das Opfer dem Täter „keinerlei Anlass“ für die Tat geboten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 3 StR 106/10; Senat, Urteil vom 20. November 1992 – 2 StR 392/92), grundsätzlich nicht strafschärfend berücksichtigt werden, weil damit lediglich das Fehlen von Umständen be-schrieben wird, die sich – wenn sie vorlägen – strafmildernd auswirken könnten.

Zwar darf der Grundsatz, wonach das Fehlen eines Strafmilderung-grunds keinen Strafschärfungsgrund darstellt, nicht dahin missverstanden wer-den, dass die Einbeziehung gegebener Tatsachen in die Abwägung der Um-stände, die für die Strafzumessung von Bedeutung sind, stets dann rechtsfehlerhaft sei, wenn sie im Urteil in negativer Formulierung umschrieben sind. Die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich vielmehr am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts und nicht an dessen – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzureichenden – Formulierun-gen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.; vgl. auch im Ergebnis: BGH, Urteil vom 21. November 1993 – 1 StR 384/93 Rn. 15 juris). Nur wenn die Strafe tatsächlich an bloß fiktiven Erwägun-gen oder an einem nur hypothetischen Sachverhalt gemessen wird, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat, wird ein rechtlich fehlerhafter Maßstab an die Wertung des Verhaltens des Angeklagten angelegt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1980 – 3 StR 176/80, NStZ 1981, 60 mwN; Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 288/13 Rn. 7 juris; Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 4 StR 392/12, NStZ-RR 2013, 81, 82).

Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Ausgangspunktes hat das Landgericht mit seiner Formulierung, dass es für den Angeklagten „keinerlei Anlass“ gab, die Polizeibeamten anzugreifen, im Ergebnis allein darauf abgestellt, dass der Angeklagte von der Tat hätte absehen können und müssen, weil er für sie keinen von den Polizeibeamten geschaffenen berechtigten oder „verständlichen“ Anlass hatte. Dies stellt eine strafschärfende Verwertung des Umstands dar, dass die Tat überhaupt rechtswidrig begangen wurde.

c) Bedenken begegnet im Übrigen die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte befinde sich zwar erstmals in Haft, diese Erfahrung habe ihn aber „in keiner Weise zu beeindrucken“ vermocht. Es fehlt hier an einem sachlichen Zusammenhang zwischen dem grundsätzlich strafmildernden Umstand der Erstverbüßung und seiner weitgehenden Relativierung.“

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Vorsitzender/BE krank? Na und, dann muss eben ein anderer Richter (unter)schreiben

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M.E. häufen sich in der letzten Zeit Verstöße gegen § 275 StPO, der die Urteilsabsetzungsfristen regelt. Denn ich stoße vermehrt auf BGH-Entscheidungen, in denen die Revisionen Erfolg haben, weil die Urteilsabsetzungsfrist überschritten worden ist und dafür nicht ausreichende Gründe vorliegen. So auch im BGH, Beschl. v. 18.12.2013 – 4 StR 390/13. Der Vorsitzende, der auch Berichterstatter war, ist nach Urteilsverkündung erkrankt. Deshalb kommt das Urteil verspätet zur Akte. Der BGH moniert das und die Verfahrensweise der Kammer:

„Ein solcher Umstand ist nicht etwa in der noch bei Eingang der Revisionsbegründung am 17. Juli 2013 andauernden Erkrankung des Vorsitzenden, der zugleich der Berichterstatter war, zu sehen. Der Vermerk der beisitzenden Richterin S. vom 13. Februar 2013 führt hierzu u.a. Folgen- des aus:

„Der Vorsitzende Richter am Landgericht K. wurde am 31.01.2013 aufgrund einer nicht vorhersehbaren schweren Erkrankung stationär im Krankenhaus aufgenommen. Nunmehr wurde bekannt, dass seine Erkrankung voraussichtlich einen längerfristigen Aufenthalt im Krankenhaus erfordert. …“

Auf diese Feststellung am Tag vor Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist durften sich die beisitzenden Richter nicht beschränken. Alle berufsrichterlichen Mitglieder des Spruchkörpers sind für die Einhaltung der Frist nach § 275 Abs. 1 StPO verantwortlich. Beim Ausfall des Berichterstatters muss deshalb notfalls ein anderer erkennender Berufsrichter das Urteil abfassen, sofern ihm dies möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1975 – 1 StR 701/75, BGHSt 26, 247, 249; Beschlüsse vom 9. August 1988 – 5 StR 295/88, BGHR StPO § 338 Nr. 7 Fristüberschreitung 1, vom 27. April 1999 – 4 StR 141/99, NStZ 1999, 474, und vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 485/10, StV 2011, 211). Gründe dafür, dass es den Beisitzern unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, innerhalb der verbleibenden Urteilsabset-zungsfrist von zwei Wochen das nicht sonderlich umfangreiche und schwierige Urteil selbst abzufassen, sind nicht ersichtlich. Der Senat vermag insbesondere den von der Revision mitgeteilten Vermerken der Richterin am Amtsgericht S. vom 13. Februar, 8. Mai und 4. Juni 2013 einen die Fristüberschreitung rechtfertigenden Grund nicht zu entnehmen: Der Umstand, dass bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist nicht geklärt worden ist, ob und in welchem Umfang Vorsitzender Richter am Landgericht K. bereits einen Urteilsentwurf gefertigt hatte, ist hierzu von vornherein ungeeignet. Die Stellungnahmen enthalten sich auch jeder Begründung dafür, dass die Abfassung des Urteils ohne Einsicht in Mitschriften des erkrankten Vorsitzenden nicht möglich gewesen sein sollte; das ist nach Sachlage auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 – 2 StR 492/07, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 4 Umstand 6). Sonach hat das Revisionsgericht davon auszugehen, dass Umstände, die eine Fristüberschrei-tung rechtfertigen könnten, fehlen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 und vom 27. April 1999, jew. aaO).“

Ich denke, den BGH wird vor allem auch gestört haben, dass die Beisitzer „das nicht sonderlich umfangreiche und schwierige Urteil“ nicht selbst abgefasst haben.

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„Vollmachtstrick“ (?) – selbst unterzeichnete Vertretungsvollmacht

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Ich habe ja in der letzten Zeit schon ein paar Mal über Verfahren berichtet, in denen der Verteidiger eine Verwerfung des Einspruchs (gegen den Strafbefehl/Bußgeldbescheid) wegen unerlaubter Abnwesenheit des Angeklagten/Betroffenen u.a. dadurch zu verhindern versucht hatte, dass er einen Entbidnungsantrag gestellt und eine von ihm selbst unterzeichnete Vertretungsvollmacht vorgelegt hatte (vgl. dazu für das OWi-Verfahren den KG, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 Ws (B) 202/13 – 122 Ss 62/13 /12 und Der nächste “Vollmachtstrick” (?) – die selbst unterzeichnete Vertretungsvollmacht sowie für das Strafverfahren den OLG Dresden, Beschl. v. 21.08.2012 – 3 Ss 336/12 und dazu Vertretungsvollmacht – selbst unterzeichnet, das ist kein “Vollmachts-Trick”). Nun hat es auch das OLG Celle „erwischt“. Das hat im OLG Celle, Beschl. v. 20.01.2014 – 322 SsRs 24/13 – die Selbstunterzeichnung ebenfalls für zulässig angesehen und mit der Begründung die Ablehnung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrages (§§ 73, 74 OWiG) gerügt.

b) Das Amtsgericht hat dem Betroffenen das rechtliche Gehör versagt, indem es den von seinem Verteidiger gestellten Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung abgelehnt hat. Nachdem der Betroffene bei seinem Verteidiger seine Fahrereigenschaft verwertbar eingeräumt hatte und im Übrigen angekündigt hatte, keine weiteren Angaben machen zu wollen, war das persönliche Erscheinen des Betroffenen in der Hauptverhandlung unter keinem Gesichtspunkt mehr erforderlich. Danach hätte das Amtsgericht dem Entbindungsantrag des Betroffenen stattgeben müssen und den Einspruch nicht verwerfen dürfen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die dem Verteidiger erteilte Vollmacht nicht von dem Betroffenen persönlich unterzeichnet war. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:

„Der Verteidiger war auch im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG legitimiert, weil er von dem Betroffenen zur Vertretung bevollmächtigt wurde und seine Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen hat. Dabei ist unschädlich, dass der Verteidiger die Vollmachtsurkunde selbst unterzeichnet hat. Diesbezüglich ist zwischen der Erteilung der Vollmacht und dem Nachweis durch Vorlage einer entsprechenden Urkunde zu unterscheiden. Einer besonderen Form bedarf die Erteilung der umfassenden Vertretungsvollmacht nicht; sie kann insbesondere auch mündlich erteilt werden. In der Erteilung kann die Ermächtigung enthalten sein, eine ggf. erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Auftraggebers zu unterzeichnen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 07.11.2001 – 5StRR 285/01 ; KG Berlin, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 Ws (B) 202/13). Nach dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde hat der Betroffene seinen Verteidiger umfassend bevollmächtigt. Diese Erklärung schließt die Ermächtigung des Verteidigers ein, die Vollmachtsurkunde im Namen des Betroffenen zu unterzeichnen (vgl. BayObLG, a.a.O.; KG Berlin, a.a.O.). Danach war der Verteidiger berechtigt für den Betroffenen Erklärungen auch zur Sache abzugeben und einen Entbindungsantrag zu stellen.“

Es ist übrigens kein „Vollmachtstrick“ :-).

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Bei 43.000 Blatt Kopien/6.500 € Kopierkosten reicht die anwaltliche Versicherung nicht (mehr)?

RVG KasseIn einem Verfahren beim LG Köln haben sich der Pflichtverteidiger und die Rechtspflegeri um die Festsetzung der Kopierkosten gestritten. Da ging es allerdings (mal nicht) um Peanuts, sondern um rund 6.500 € für rund 43.000 Blatt Kopien. Der Rechtspflegerin reichte bei der Summe nicht allein die anwaltliche Versicherung des Pflichtverteidigers über die Erstellung der Kopien, sondern sie wollte mehr, und zwar zur Glaubhaftmachung die Vorlage der Kopien. Der Pflichtverteidiger hat sich geweigert, die Rechtspflegeri nicht festgesetzt – und so kam die Sache dann ans OLG. Das hat der Rechtspflegerin – wie auch schon das LG – Recht gegeben. Im OLG Köln, Beschl. v. 18.12.2013 – 2 Ws 686/13 – heißt es dazu:

„Es verstößt nicht gegen §§ 46, 55 Abs. 5 S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 ZPO wenn das Gericht zur Glaubhaftmachung der angefallenen Auslagen die Vorlage der Kopien verlangt. Im Rahmen seiner Antragstellung nach § 55 Abs. 1 RVG hat der Rechtsanwalt seine Kostenansätze gemäß § 55 Abs. 5 S. 1 RVG i. V. m. § 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Nach § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO genügt hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenen Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann, § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO. Daraus folgt im Umkehrschluss aber, dass für die sonstige Kostenfestsetzung die Mittel der Glaubhaftmachung keiner Einschränkung unterliegen (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 2009, 370/371) und die bloße anwaltliche Versicherung nach allgemeiner Ansicht – der die Kammer sich anschließt – nicht zwangsläufig reicht (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, § 55, Rn. 32; OLG Düsseldorf a. a. O.; AG Halle, Beschluss vom 31.05.2013, Az. 103 II 972/13, zit. nach Juris; AG Konstanz NJW-RR 2007, 209; LG Aachen AnwBl. 1999, 58.). Danach kann das Gericht im Einzelfall trotz Vorliegens einer anwaltlichen Versicherung die Vorlage der Kopien zur Glaubhaftmachung des Anfalls der Auslagen verlangen. Glaubhaftmachung bedeutet nämlich, dass an die Stelle des Vollbeweises, eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung tritt. Für diese gilt der Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens; Grundlage der Entscheidung ist ein den konkreten Umständen angepasstes Maß an Glaubhaftigkeit, d. h. die Sicherheit der Feststellung muss von den Folgen der zu treffenden Entscheidung abhängig gemacht werden (Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 294, Rn. 6). Die anwaltliche Versicherung wird insbesondere dann zum Tragen kommen und ausreichend sein, wenn objektive Mittel nicht zur Verfügung stehen (AG Halle, Beschluss vom 31.05.2013, Az. 103 II 972/13, zit. nach Juris). Wenn aber wie hier Sachbeweise für die Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen, kann die Vorlage dieser objektiv überprüfbaren Unterlagen verlangt werden. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen die in Rede stehenden Auslagen wie vorliegend fast die Hälfte des festzusetzenden Gesamtbetrages ausmachen und daher ein besonderes Interesse der Überprüfung besteht, um eine unangebrachte Belastung der Staatskasse zu verhindern.“

An dieser Stelle dazu zwei Dinge:

  • Ich verstehe nicht so ganz, warum der Verteidiger „mit dem Kopf durch die Wand wollte“ und einfach auf die anwaltliche Versicherung verwiesen hat, dass diese Kosten entstanden sind, zu verweisen. Denn das der Verteidiger hier ja getan und alle „Friedensangebote“ der Rechtspflegerin abgelehnt. Die hatte sich sogar bereit erklärt, in die Kanzleiräume des Verteidigers zu kommen und dort zu prüfen. Auch zu einer stichprobenartigen Vorlage der Kopien war der Verteidiger offenbar nicht bereit. Mit dieser sturen Haltung ist der Verteidiger dann gescheitert. M.E. zu Recht, denn den §§ 46, 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, § 104 Abs. 2 ZPO lässt sich eben nicht entnehmen, dass die anwaltliche Versicherung immer ausreichend ist. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an (vgl. auch AnwKomm-RVG/Volpert, a.a.O., § 55 Rn. 16 m.w.N.). Und da meine ich, wird man bei Fotokopierkosten in der hier geltend gemachten Höhe schon mal näher nachfragen dürfen. Der Verteidiger hat es m.E. dann in der Hand, wie er reagiert. Er kann die gemachten Fotokopien vorlegen, wobei er allerdings seine Verschwiegenheitspflicht beachten muss. Steht die der Vorlage eines Teils der Fotokopien entgegen, wird man es als ausreichend ansehen müssen, wenn nur der „nicht kontaminierte Teil“ vorgelegt und im Übrigen die anwaltliche Versicherung abgegeben wird, dass darüber hinaus weitere Fotokopien angefertigt worden sind.
  • Und: Dem Verteidiger hilft im Übrigen auch nicht das Hinweis darauf, dass ggf. das Gericht durch Beschluss im Verfahren nach § 46 Abs. 2 RVG festgestellt hat, dass das Anfertigen von Fotokopien in der Höhe erforderlich ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 RVG). Es ist zwar richtig, diesen Weg zu gehen, um im Kostenfestsetzungsverfahren mit dem Kostenbeamten nicht mehr über die Frage der Notwendigkeit der Kopien streiten zu müssen. Die Frage der grundsätzliche Erforderlichkeit der Kopien, um die es im Verfahren nach § 46 Abs. 2 RVG geht, ist aber von der Frage, ob ihre tatsächliche Entstehung nach §§ 55 Abs. 5 RVG, 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht ist, zu trennen.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…