Nochmal Revision, nach 18 Jahren? Nicht nach wirksamer Rücknahme

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Die dem BGH, Beschl. v. 20.08.2013 – 1 StR 305/13 – zugrundeliegenden zeitlichen Abläufe erstaunen. Der Angeklagte ist nämlich bereits im November 1995 verurteilt worden. Hiergegen haben der Angeklagte und seine Verteidigerin Revision eingelegt. Der Angeklagte hat die Revision dann später zurückgenommen. Auch die Verteidigerin hat wenige Tage darauf Rücknahme erklärt. Mit Schreiben vom 13. 04.2013 hat der Angeklagte dann erneut Revision gegen das Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt. Zur Begründung trägt er vor, das Urteil beruhe auf einer unzulässigen Absprache. Hierzu zitiert er eine Fundstelle einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. „Man“ habe ihm im Hinblick auf eine versprochene Bewährung ein pauschales Geständnis abgenommen. Der „formlose Deal“ sei „geplatzt“, er habe deswegen Revision eingelegt. Daraufhin sei er damit „bedroht“ worden, bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Untersuchungshaft bleiben zu müssen, anstatt in den Strafvollzug zu gelangen. Wegen dieser „Drohung“ habe er die Revision zurückgenommen; die Rücknahme sei unwirksam. Die Verteidigerin habe sich damals schon geweigert, die Revision zu begründen.

Der BGH geht von einer wirksamen Rechtsmittelrücknahme aus:

„Die Zurücknahme der Revision durch den Angeklagten, die sich stets auf das Rechtsmittel des Verteidigers erstreckt – so dass es auf die Frage der ausdrücklichen Ermächtigung zur Rücknahme gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht mehr ankommt (BGH, Beschlüsse vom 11. März 2008 – 3 StR 562/07 und vom  3. November 2011 – 2 StR 353/11) – ist unwiderruflich und unanfechtbar (BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 572/09).

Schwerwiegende Willensmängel, für die die Rechtsprechung Ausnahmen von diesem Grundsatz in besonderen Fällen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1999 – 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51, 53; Beschluss vom 20. April 2004 – 5 StR 11/04, NJW 2004, 1885) anerkennt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Tatsachenvortrag des Angeklagten belegt keine Täuschung oder sonst eine Einwirkung des Gerichts mit unlauteren Mitteln auf seine Rücknahmeentscheidung. Der Hinweis des Vorsitzenden auf die bis zur Rechtskraft fortdauernde Untersuchungshaft stellt keine objektiv unrichtige Erklärung dar (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 22). Da dieser Hinweis zudem schon keine Verknüpfung zwischen einer Haftentlassung und der Rücknahme herstellte, kommt es auf die Frage einer eklatant sachwidrigen Abhängigkeit nicht mehr an (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 20. April 2004 – 5 StR 11/04, NJW 2004, 1885).

Soweit der Angeklagte in seiner zweiten Eingabe zudem darauf abhebt, er sei über die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels getäuscht worden, behauptet er schon selbst keine Beeinflussung seiner Rücknahmeentscheidung hierdurch. Abweichend vom Schreiben vom 13. April 2013, in dem er die Rücknahme noch als alleinige Folge der Drohung mit der Fortdauer der Untersuchungshaft statt des Strafvollzugs darstellt, behauptet er nunmehr lediglich, seine Entscheidung sei auch durch die Erklärung der Verteidigerin beeinflusst gewesen, sie stehe für eine Revision nicht zur Verfügung.

Zwar behauptet der Angeklagte, dem Urteil habe eine unzulässige Absprache zugrunde gelegen. Jedoch liegt schon auf der Grundlage seines Vortrags ebenfalls keine Beeinflussung der Rechtsmittelrücknahme hierdurch vor. Vielmehr erklärt er, dass er auf das „Platzen des formlosen Deals“ hin überhaupt Revision eingelegt habe. Schon aus diesem Grund geht auch sein Hinweis auf das Fehlen einer qualifizierten Rechtsmittelbelehrung fehl (vgl. zum Erfordernis BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 61; zu den Folgen BGH aaO S. 62 und Beschluss vom 1. Juli 2005 – 5 StR 583/03, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 27). Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag des Angeklagten eine unzulässige Absprache nicht trägt. So behauptet er schon nicht, dass ihm das Gericht zu irgendeinem Zeitpunkt eine Strafe bei einem bestimmten Aussageverhalten in Aussicht gestellt habe. Dass seine Verteidigerin in ihm die Erwartung geweckt haben soll, er bekomme eine Bewährungsstrafe, stellt keine Absprache dar. Soweit man seinen Ausführungen noch die Behauptung entnehmen möchte, bei der Haftbefehlsverkündung sei ihm von der Staatsanwältin zugesichert worden, bei einem Geständnis würde er entlassen, so bleibt offen, ob das Tatgericht hierüber Kenntnis hatte. Dies versteht sich nicht von selbst, da dieser Termin noch vor dem als Haftgericht zuständigen Amtsgericht Pforzheim statt-fand. Im Übrigen lässt sich den für den Senat im Freibeweis zugänglichen Akten entnehmen, dass der Angeklagte keineswegs ein bloßes „Pauschalgeständnis“ abgelegt hat. Seine geständigen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung umfassen 32 Seiten. Auch später hat der Angeklagte immer wieder durch umfangreiche schriftliche Eingaben zum Tatvorwurf Stellung genommen. Hierbei hat er sich auch im Rahmen von Haftprüfungsanträgen bzw. -beschwerden zu den Haftverhältnissen erklärt; von der Zusicherung einer Entlassung ist in keinem der zahlreichen Schreiben die Rede. 

Ein Motivirrtum über die Aussichten des Rechtsmittels ändert an der Unwiderruflichkeit der Rechtsmittelrücknahme nichts (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341).“

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