Archiv für den Monat: August 2013

Hat der gegen Willen der Prostituierten erzwungene Geschlechtsverkehr Vermögenswert?

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Das LG hat den Angeklagten wegen eines Versuchs der schweren räuberischen Erpressung nach § 253 Abs. 1, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt. Der Angeklagte hatte einen Angriff auf eine Prostituierte unternommen und diese gewürgt. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte entschlossen, die Prostituierte mit Gewalt – unter Drosselung – zu überwältigen und anschließend zu fesseln, um dann mit ihr nach seinem Belieben zu verfahren. Er hatte vor, sie zu zwingen, entweder den ausgehandelten Geschlechtsverkehr ohne Entgelt oder die Wegnahme ihrer Einnahmen oder nacheinander beides zu dulden. Letztlich ging es ihm darum, durch Gewalt gegen das Opfer eine vermögenswerte Leistung – den sexuellen Dienst einer Prostituierten – und/oder Vermögensgegenstände des Opfers an sich zu bringen, worauf er, wie er wusste, keinen Anspruch hatte. Der BGH hat diese Verurteilung aufgehoben und führt dazu im BGH, Beschl. v. 01.08.2013 – 4 StR 189/13 – aus:

„Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hat keinen Bestand. Die Begründung des Landgerichts für die eindeutige Verurteilung wegen eines Versuchs der schweren räuberischen Erpressung nach § 253 Abs. 1, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil bei einem von der Schwurgerichtskammer für möglich gehaltenen Handlungsziel des Angeklagten – der Erzwingung des Geschlechts-verkehrs ohne Entgelt – die Tat nicht auf die Erlangung eines Vermögenswertes zum Nachteil des Tatopfers gerichtet war.

1. a) Das Landgericht ist bei seiner rechtlichen Bewertung der verschie-denen in subjektiver Hinsicht alternativ angenommenen Sachverhaltsvarianten davon ausgegangen, dass es dem Angeklagten unabhängig davon, ob er den unentgeltlichen Geschlechtsverkehr oder die Preisgabe der Einnahmen des Opfers oder beides habe erzwingen wollen, um die Erlangung ungerechtfertig-ter Vermögensvorteile gegangen sei, auf die er keinen Anspruch gehabt habe.

Dies gelte – nach Auffassung der Schwurgerichtskammer – auch dann, wenn sich sein Vorhaben darin erschöpfte, das Tatopfer zur unentgeltlichen Gewäh-rung des Geschlechtsverkehrs zu zwingen, weil sexuelle Dienstleistungen einer Prostituierten, die grundsätzlich nur gegen Entgelt erbracht werden, nach inzwischen gewandelter Einstellung der Rechtsgemeinschaft als vermögenswerte Leistung anzusehen seien.

b) Dieser Ansicht des Landgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit das am 1. Januar 2002 in Kraft ge-tretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten – Prostitutionsgesetz – vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) einen schon im Tat-zeitraum eingetretenen Wandel in der gesellschaftlichen und rechtlichen Bewer-tung der Ausübung der Prostitution zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten, BT-Drucks. 14/5958, S. 4; einerseits BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 – 5 StR 536/02, StV 2003, 616; Urteil vom 13. Juli 2006 – I ZR 241/03, BGHZ 168, 314, 318 f.; andererseits Beschluss vom 18. Januar 2011 – 3 StR 467/10, NStZ 2011, 278; zum Streitstand Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, Anh. zu § 138: § 1 ProstG Rn. 10 ff.). Denn auch die Regelungen des Prostitutionsgesetzes haben nichts daran geändert, dass jedwede bindende Verpflichtung zur Vornahme sexueller Handlungen mit dem in Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Menschenwürde unvereinbar ist und nicht rechtswirksam begründet werden kann (vgl. Fischinger aaO Rn. 15; MüKoBGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 138 Rn. 57 und § 1 ProstG Rn. 7, 19). Von einer durch die Rechtsordnung nicht missbilligten Dienstleistung, die typischerweise gegen Entgelt erbracht wird und deshalb im Rahmen einer entgeltlichen Vertragsbeziehung als Vermögensbestandteil anzusehen ist (vgl. zu § 263 StGB BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 – 4 StR 315/00, NStZ 2001, 258; Beschluss vom 28. April 1987 – 5 StR 566/86, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögen 1; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 98, 102; vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. Mai 2001 – 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534), kann daher allenfalls bei freiwillig erbrachten sexuellen Handlungen einer Prostituierten die Rede sein. Nichts anderes ergibt sich aus der erst nach der Tat am 1. Januar 2002 in Kraft getrete-nen Regelung des § 1 Satz 1 ProstG. Danach erwirbt eine Prostituierte erst dann eine rechtswirksame Forderung, wenn die sexuelle Handlung gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden ist. Die Erpressung einer Prostituierten in der Form, dass ihr der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt abgenötigt werden soll, kommt demgemäß nur in Betracht, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung zuvor einvernehmlich erbracht worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 – 3 StR 467/10 aaO). Dem gegen den Willen der Prostituierten erzwungenen Geschlechtsverkehr kommt hiergegen kein Vermögenswert im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB zu (vgl. Zimmermann, NStZ 2012, 211, 213). Die Rechtsgutverletzung erschöpft sich in diesen Fällen vielmehr in einem Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung, deren Schutz vor Zwangseinwirkungen das geltende Strafrecht mit den Tatbeständen des § 177 StGB und § 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB umfassend gewährleistet.“

Immer wieder dasselbe: Liest denn keiner BGH-Entscheidungen?

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Immer wieder Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB). Man ist erstaunt, dass die Revisionsgerichte sich dazu so häufig äußern müssen, fast mag man es schon nicht mehr lesen. Diese Häufigkeit von Entscheidungen zu den §315b-StGB-Fragen zeigt, dass die ständige Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen und den Urteilsanforderungen offenbar bei den Instanzgerichten nicht ankommt (vgl. zuletzt u.a. zum BGH Endlich mal wieder was zum Verkehrsstrafrecht: Der “Rammer” im Straßenverkehr bzw. die “Rambofahrt”). Diese Rechtsprechung hat das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2013 – 5 RVs 41/13 – noch einmal schön zusammengefasst (vgl. auch meinen Beitrag „Die „konkrete Gefahr“ i.S. der §§ 315c, 315b StGB“ aus VRR 2011, 369.Auf folgende Punkte ist bei der Prüfung eines Urteils u.a. zu achten:

  • Ergibt sich aus den Feststellungen, dass Leib oder Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind? Erforderlich sind Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und ggf. der Kollisionsintensität zwischen den beteiligten Fahrzeugen.
  • Ist die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert belegt. Hat dieser fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht?. Sind insoweit die beiden Prüfschritte eingehalten?

„Detektiv-Entscheidung“ des BGH, oder: Wie prüfe ich die Frage: Ist mein Ehegatte treu?

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Die Frage: Ist meine Ehegatte treu?, kann in manchen Lebens-/Rechtslagen von entscheidender Bedeutung sein. Sie führt allerdings zu der Anschlussfrage: Wie stelle ich das beweissicher für Zivil- und/oder Familienverfahren usw. fest?. Da bietet sich auf den ersten Blick natürlich der Gang zum privaten Detektivbüro an. Und an der Stelle spielt dann die „Detektiv-Entscheidung“ des BGH im BGH, Urt. v. 04.06.2013 – 1 StR 32/13- ein Rolle, auf die ich dann hier doch auch hinweisen will, nachdem dazu inzwischen der Volltext vor – immerhin 38 Seiten, die man hier allerdings kaum darstellen kann, vorliegt. Das muss schon jeder selber lesen, was der BGH zur Begründung seiner Auffassung zur generellen Strafbarkeit der Überwachung Privater durch Private ausführt. Die Leitsätze der für BGHSt-bestimmten Entscheidung geben auf den ersten Blick nicht so viel her, da es sich um sog. „Zu-Leitsätze“ handelt, die immer ein wenig schwammig sind. Sie lauten (nur):

1. Zum Vorliegen nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten bei der Erstellung von sog. Bewegungsprofilen bei Überwachung von Zielpersonen durch Anbringung von GPS-Empfängern an den von diesen genutzten Kraftfahrzeugen durch eine Detektei.
2. Zu den Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Befugnis zum Erstellen von Bewegungsprofilen mittels GPS-Empfängern in engen Ausnahmefällen.

Warum der BGH nicht mit:

„Datenerhebungen und Datenverarbeitungen aus nicht allgemein zugänglichen Quellen im Rahmen privater Beweiserhebungen und Ermittlungen sind nur in engen Ausnahmefällen nicht strafbar.“

formuliert hat, erschließt sich mir nicht. Denn das ist wohl das Fazit, das man aus der Entscheidung ziehen kann.

Zur Erinnerung der Sachverhalt (vgl. auch die PM des BGH zur Entscheidung): Verurteilt worden war vom LG der Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen. Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich. Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten. Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik, indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen.

Das LG hat die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen §§ 44 i.V.m. 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG verurteilt. Nach Auffassung des LG waren die Angeklagten nicht i.S. von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hatte es nicht vorgenommen.

Der BGH ist davon ausgegangen, dass die heimliche Überwachung der „Zielpersonen“ mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar sei eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch könne lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen sei.  Ob solche Ausnahmen in einigen Fällen vorlagen, konnte der BGh nicht abschließend überprüfen, da das LG, das von einem anderen rechtlichen Maßstab ausgegangen war, hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Dies führte zu einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines Teils der angeklagten Fälle.

M.E. hat der BGh verhältnismäßig hohe Hürden aufgestellt: Es muss muss ein berechtigtes Interesse des Detektives bzw. seines Auftraggebers gerade an einem  Bewegungsprofil zur Durchsetzung berechtigter Interessen bestehen. Dies gilt nur dann, wenn das Bewegungsprofil im konkreten Einzelfall zur Durchsetzung des Beweisführungsinteresses benötigt wird. Dabei reicht ein schlichtes Beweisführungsinteresse des Auftraggebers nicht aus. Vielmehr muss nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch von BGHZ letztlich ein Beweisnotstand im Sinne einer notwehrähnlichen Situation für die beweisbelastete Person im Zivilprozess bestehen, die die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts aus schwerwiegenden Gründen mangels anderer in Betracht kommender Beweismittel im Interesse einer wirksamen Rechtspflege erforderlich macht. Hierzu stellt der BGH u. a. auf die Rechtsprechung zur Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität des anonymen Anrufers oder auf Fälle des auf andere Weise nicht anwendbaren Eingriffs auf die berufliche Existenz und sodann weiter auf die entsprechende familienrechtliche Rechtsprechung zu heimlichen Vaterschaftstests und die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz ab.

Insgesamt nimmt der BGH auf dieser Grundlage an, dass das Beweisführungsinteresse die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Zielperson zulässig machen kann,

  • wenn ein konkreter Verdacht gegen diesen besteht,
  • die detektivische Tätigkeit zur Klärung der Beweisfrage erforderlich ist und
  • andere, mildere Maßnahmen nicht als genügend erscheinen.

Dabei müssen die Interessen des Detektivs bzw. seines Auftraggebers umso höher sein, je mehr die Art und Weise der Datenerhebung die Privatsphäre des Observierten beeinträchtigt. Dies liegt u. a. dann vor, wenn mit der Anbringung eines GPS-Empfängers ein Eindringen in befriedetes Besitztum der Zielperson verbunden ist oder wenn Observationsmittel an Fahrzeugen angebracht werden, die für den Detektiv bzw. dessen Auftraggeber fremd sind.

Der BGH kommt auf der Grundlage z.B. zu dem Ergebnis, dass es  generell nicht gerechtfertigt ist, die Aufklärung zu betreiben über die Treue des eigenen Ehegatten, des Lebensgefährten und der Schwiegertochter, ohne dass bereits gerichtliche Verfahren bestanden hätten. Nach den Vorgaben des BGH kann aber in den Fällen der wirtschaftlichen Motivationslage unter Umständen eine Verwertbarkeit nach den vorgenannten Grundsätzen gegeben sein.

Wie gesagt: Komplizierte Entscheidung, daher am besten selber lesen 🙂 (vgl. aber auch hier: GPS-Überwachung im Strafrecht, Verfassungsrecht, Zivilrecht;

Du willst zur Polizei? Du hast gekifft? Geht nicht, du fliegst raus…

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Einen Polizeikommissaranwärter in Rheinland-Pfalz hat jetzt seine Vergangenheit eingeholt. Der Anwärter war seit Mai 2013 in Ausbildung zum Polizisten. Im Juli 2013 erhielten die Vorgesetzten Kenntnis darüber, dass der junge Beamte vor seiner Einstellung Kontakte zur Drogenszene hatte. Nachdem der Beamte hierzu vernommen worden war und dabei die Einnahme von Cannabis vor Antritt der Ausbildung eingeräumt hatte, verbot der Dienstherr ihm die Führung seiner Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an. Hiermit war der Anwärter nicht einverstanden, erhob Widerspruch und beantragte beim VG Koblenz vorläufigen Rechtsschutz bis zu einer endgültigen Entscheidung, um weiterhin die Ausbildung zum Kommissar durchlaufen zu können.

Das VG hat das abgelehnt, dazu aus der PM: Der Anwärter darf wegen Drogenkonsums vorläufig vom Dienst suspendiert werden. Die Abwägung der gegenseitigen Interessen, so das Gericht, ergebe, dass die Belange des Anwärters zurückstehen müssten. Es lägen zwingende dienstliche Gründe vor, die es nicht zuließen, den Beamten auf seinem Dienstposten zu lassen. Der Leiter der Landespolizeischule habe plausibel dargelegt, dass ernsthafte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberuf bestünden. Ein Drogenkonsum eines Beamten stehe generell nicht im Einklang mit den für den Polizeiberuf geforderten persönlichen Eigenschaften. Bereits in der Ausbildung und erst recht im späteren Berufsleben werde ein Polizist auch zur Verfolgung von Drogendelikten eingesetzt. Diese nachvollziehbare Einschätzung rechtfertige die Suspendierung des Anwärters vom Dienst und sei verhältnismäßig, auch wenn sich der Antragsteller noch in der Ausbildung befinde. Hierfür spreche nicht nur der Umstand, dass Polizisten Dienstwaffenträger seien und bereits während ihrer Ausbildung zur Verfolgung von Straftaten eingesetzt würden. Hinzu komme, dass Polizeibeamte während ihrer Ausbildung auch Kenntnisse über Interna (z. B. polizeitaktisches Wissen) erhielten, die nicht in falsche Hände gelangen dürften. Könnte der Anwärter seine Ausbildung beenden und erweise sich später endgültig seine Ungeeignetheit für den Polizeiberuf, bestehe die Gefahr einer unzulässigen Weitergabe dieser Informationen. Von daher würden dienstliche Interessen beeinträchtigt, falls der Anwärter bis zu einer endgültigen Entscheidung über seine Entlassung einstweilen im Dienst verbleibe.

Quelle: PM 29/2013 des VG Koblenz

BVerfG “ einfachrechtlich nicht schlüssig“ – BGH zur Mitteilungspflicht bei der Absprache

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Der BGH hatte ja schon vorab in einer PM (vgl. hier) über zwei Entscheidungen zu den Anforderungen an die Dokumentation von Verständigungsgesprächen(§ 257c StPO) berichtet. Zu der einen Entscheidung, nämlich dem BGH, Urt. v. 10.07.2013 – 2 StR 47/13 – liegt jetzt der Volltext vor.

In dem Verfahren hatte die Revision gerügt, der Vorsitzende der Strafkammer habe zu Unrecht nicht mitgeteilt, ob Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hätten. Die Rüge hat der BGH als unzulässig angesehen, weil nicht vorgetragen wurde, es hätten überhaupt Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung stattgefunden. Nur in diesem Fall bestehe aber nach dem Gesetz (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) eine Mitteilungspflicht. Dem Vortrag der Revision fehlte daher schon die Behauptung eines Rechtsfehlers.

Grundlage der Entscheidung ist die Annahme des BGH, dass es einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bedarf, wenn überhaupt keine oder nur solche Gespräche stattgefunden haben, die dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind. Das folgert der BGH aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 3 StPO:

„Das erklärt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten. Diese bilden einen Schwerpunkt des Verständigungsgesetzes und sollen die zentrale Vorschrift des § 257c StPO flankieren und die Transparenz der Verständigung sowie die Möglichkeit einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 8 f.). Erfasst werden dabei nicht nur der formale Verständigungsakt selbst, sondern auch die auf eine Verständigung abzielenden Vorgespräche. Die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung voraus. Die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten dienen der „Einhegung“ der den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften (BVerfG NJW 2013, 1058 ff, 1064 Rn. 82 und 1066 Rn. 96). Wenn aber überhaupt keine auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden haben, ist das Regelungskonzept des § 257c StPO nicht tangiert. Soweit die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 78 Abs. 2 OWiG (BT-Drucks. 16/12310 S. 16) darauf hin-deuten, § 243 Abs. 4 StPO habe die Pflicht statuieren sollen, auch eine Nichterörterung mitzuteilen, hat dies im Gesetzestext letztlich keinen Ausdruck gefunden. Entgegen Frister (in SK-StPO 4. Aufl., § 243 Rn. 43) geht der Senat nicht davon aus, dass dies auf einem bloßen Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruht.“

Etwas anderes folgt für den BGH nicht aus der „Absprache-Entscheidung“ des BVerfG:

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (aaO). Zwar führt das Bundesverfassungsgericht – ohne auf den entgegenstehenden Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO einzugehen – aus, wenn zweifelsfrei feststehe, dass überhaupt keine Verständigungsgespräche stattgefunden haben, könne ausnahmsweise (lediglich) ein Beruhen des Urteils auf dem Unterbleiben einer Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden (BVerfG aaO, S. 1067 Rn. 98; so auch in einem obiter dictum BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 4 StR 121/13).

Gleichzeitig betont das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass die Mitteilungspflicht nur dann eingreift, wenn bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum standen (BVerfG aaO, S. 1065 Rn. 85 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/12310 S. 12 und auf BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10). Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, beim Fehlen von Vorgesprächen entfalle das Beruhen des Urteils auf dem Fehlen einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist daher einfachrechtlich nicht schlüssig, da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift in diesem Fall bereits kein Rechtsfehler vorliegt.“

Nun ja: Man muss als Vorsitzender nicht mitteilen, aber man kann mitteilen, dass keine Gespräche in der Richtung einer Absprache stattgefunden haben und das auch dokumentieren. Sicher ist sicher.

Und: „ einfachrechtlich nicht schlüssig“ wird man am Schloßplatz nicht so gerne lesen :-).