Bordellbesuch mit Folgen – nach dilettantischen Ermittlungen Entschädigung

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Ein Bordellbesuch mit Folgen bzw. ein Schlag mit einem „silberfarbenen Baseballschläger“ – vornehm, vornehm – ist Gegenstand des SG Düsseldorf, Urt. v. 13.06.2013 – S 35 VG 21/10, in dem es um die Frage der Opferentschädigung geht. Der Kläger hatte zusammen mit einem Kumpel ein Bordell aufgesucht . Im Anschluss an die Inanspruchnahme der dort beschäftigten Damen hielt man sich weiter in der Bar des Bordells weiter auf. Plötzlich – so die Aussage des Kumpels in der Ermittlungsakte der StA – sei, aus nicht nachvollziehbaren Gründen, der Sicherheitsdienst des Bordells in Form eines „Türstehers“ gerufen worden. Die betreffende Person habe dann sofort grundlos mit einem silberfarbenen Baseballschläger dem Zeugen in die Magengrube geschlagen und anschließend dem Kläger mit dem Baseballschläger mehrfach auf den Kopf geschlagen. Der Zeuge und der Kläger hätten dann fluchtartig das Bordell verlassen und seien bis zum Ausgang verfolgt worden. Man habe ein Taxi gerufen und sei sofort ins Krankenhaus in  gefahren. Es werden dann (umfangreiche) Ermittlungen geführt, die aber zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens führen.

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Gewaltopferentschädigung wird später von der Verwaltungsbehörde abgelehnt mit der Begründung, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sei und es lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob der Kläger Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei. Dagegen klagt der Kläger und bekommt beim SG Düsseldorf Recht. Begründung: Umkehr der Beweislast wegen „dilettantischer Ermittlungen“:

Nach § 1 Abs. 1 des Opferentschädigungsgesetzes – OEG – erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung, wer im Geltungsbereich des Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Tatbestandsmerkmale „vorsätzlich, rechtswidrig und tätlich“ müssen – aus Sicht des Klägers – im Wege des Vollbeweises (objektive Beweis- oder Feststellungslast) nachgewiesen sein (vgl. z. B. Kunz u. A. Opferentschädigungsgesetz 5. Auflage § 1 Anmerkung 50 mit weiteren Nachweisen und Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Vorliegend behauptet der Kläger einen Sachverhalt, der die vorgenannten Tatbestandsmerkmale eindeutig erfüllen würde. Seine Behauptung wird gestützt durch die Aussagen des Zeugen X1, der – unabhängig von den vom Beklagten behaupteten Widersprüchen in den Aussagen – ebenfalls einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff gegen den Kläger dargelegt hat. Diesen Aussagen des Klägers und des Zeugen steht allerdings entgegen, dass der Manager des Bordells, in dem sich die Tat zugetragen haben soll, einen entsprechenden Vorgang bestreitet und dass die Polizei im Ermittlungsverfahren weder einen Täter ermittelt hat, noch Belege für die Gewalttat gefunden hat.

Es kann jedoch vorliegend dahinstehen, ob der Kläger durch die Aussage des Zeugen X1 nunmehr den Tatbestand des Gesetzes im Sinne des oben genannten Vollbeweises nachgewiesen hat, denn – nach Auffassung der Kammer – findet vorliegend eine Umkehr der Beweislast dergestalt statt, dass der Beklagte beweisen muss, dass der Kläger nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs geworden ist.

Dem Opferentschädigungsgesetz liegt vor allem der Gedanke zugrunde, dass die Gesellschaft für die gesundheitlichen Schäden des Opfers einer Gewalttat einzutreten hat, weil der Staat es im Einzelfall nicht vermocht hat, den Bürger vor einem gewaltsamen Angriff zu bewahren (vgl. Bundesrats-Drucksache 352 aus 74 S. 10). Die Entschädigung der Opfer von Straftaten resultiert aus der besonderen bzw. gesteigerten Verantwortung des Staates für die Unvollkommenheit staatlicher Verbrechensbekämpfung (BSGE 59, 40, 44; Kunz a.a.O. § 1 Anmerkung 1). Die staatliche Verpflichtung, Verbrechen im oben genannten Sinne zu verhindern, schließt die Verpflichtung des Staates ein, wenn schon die Verhinderung des Verbrechens misslingt, das Verbrechen wenigstens so weit wie möglich aufzuklären und dem Geschädigten damit bei der Erbringung des Nachweises eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs zur Seite zu stehen. Diese Verpflichtung hat die Staatsmacht – in Form der Polizei L und der Staatsanwaltschaft L – vorliegend missachtet. Polizei und Staatsanwaltschaft haben nicht nur das vom Kläger behauptete Verbrechen gegen ihn nicht aufgeklärt, was an sich noch nicht zu beanstanden wäre, da nicht alle Verbrechen aufgeklärt werden können, sondern die vorgenannten Staatsgewalten haben hier mit geradezu dilletantischen Ermittlungen verhindert, dass die Straftat als solche offenkundig wurde und ein Täter gefunden wurde.
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Nach alledem steht für die Kammer fest, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung der Ermittlungen durch die Polizei zwar möglicherweise kein Täter gefasst worden wäre, die Ermittlungen aber sicherlich zweifelsfrei dazu geführt hätten, festzustellen, ob sich der vom Kläger und vom Zeugen X1 geschilderte Vorfall am 00.00.2008 im Bordell Q1 ereignet hat. Diese Feststellung ist nun nicht mehr möglich, mit der Folge, dass der Kläger die ihm vom OEG auferlegte Beweisführung nicht mehr erbringen kann. In der Rechtsprechung aller Obergerichte ist grundsätzlich anerkannt, dass sich die im Gesetz verankerte Beweisführungspflicht umkehrt, wenn die eigentlich nicht zur Beweisführung verpflichtete Partei (hier der Staat) die Erbringung des Beweises durch den Kläger vereitelt hat. Genau dies ist hier der Fall. Der Beklagte muss demnach beweisen, dass der Kläger nicht Opfer eines vorsätzlichen tätlichen Angriffs geworden ist. Diesen Beweis hat der Beklagte nicht erbracht. Die Einwendungen des Beklagten, etwa zu den unterschiedlichen Zeitangaben des Klägers und des Zeugen X1 hinsichtlich der Tatzeit, sind als diesbezügliche Beweisführung ungeeignet. Abgesehen davon, dass es durchaus nachvollziehbar ist, dass sich der Täter angesichts seines Gesundheitszustandes heute nicht mehr an die exakte Tatzeit erinnert, wird durch die Einwendungen der Beklagten die Tat an sich nicht in Frage gestellt.

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