„Verjährungsfalle“ (?) – egal, da rechtsgeschäftliche (Zustellungs)Vollmacht

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Da ja aller guten Dinge Drei sind, hier die dritte Vollmachtsentscheidung, und zwar der OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.05.2013, 1 Ss (OWi) 83/13.

Der Sachverhalt: „Mit Schreiben vom 23.07.2012 hatte sich die Rechtsanwältin F. bei der Verwaltungsbehörde erstmals als Verteidigerin des Betroffenen gemeldet und bat um Übersendung der Akten an sie. Dem Schreiben hatte sie eine Vollmachtsurkunde beigefügt, die auf Rechtsanwältin U. H. ausgestellt war. Diese Rechtsanwältin wird auf dem Briefkopf des genannten Schreibens, dessen Briefkopf ansonsten den Namen „F.“ als Namen der Kanzlei angibt und hervorhebt, als „angestellte Rechtsanwältin“ bezeichnet.

Nachdem Rechtsanwältin F. die Akten eingesehen und wieder zurückgesandt hatte, erließ die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid, der der Rechtsanwältin F. – „genannten Verteidigerin“ zugestellt wurde. Die Verteidigerin hat Eintritt der Verjährung reklamiert. Das AG hat nicht eingestellt und das damit begründet, dass das Verhalten der Verteidigerin als sog „Verjährungsfalle“ rechtsmissbräuchlich sei. Zum Beleg hat das Amtsgericht auf einen weiteren Vorgang hingewiesen, in dem die Verteidigerin ebenfalls allein in Erscheinung getreten sei, wiederum zunächst eine auf einen anderen Verteidiger ausgestellte Vollmacht zu den Akten gereicht und sich wegen angeblich unwirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids dann später auf Verjährung berufen habe.

Das OLG ist ebenfalls nicht von Verjährung ausgegangen, hat aber den Vorwurf des Aufbaus einer „Verjährungsfalle“ offen gelassen, sondern mit der rechtsgeschäftlichen Vollmacht argumentiert.

Ob der vorliegende Fall, wie das Amtsgericht meint, ebenfalls als bewusst herbeigeführte „Verjährungsfalle“ und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten der Verteidigerin (vgl. dazu auch BGHSt 51, 88ff) zu bewerten ist, und dies dann zur Folge hat, dass es auf eine zur Akte gelangte Verteidigervollmacht nicht mehr ankommt, kann aber dahinstehen, weil der Verteidigerin eine Zustellungsvollmacht jedenfalls rechtsgeschäftlich erteilt wurde.

Die Regelung der §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG schließt eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht keineswegs aus, sondern schafft nur daneben eine zusätzliche – fingierte – Rechtsmacht zur Entgegennahme von Zustellungen durch einen Strafverteidiger. Auch einem Verteidiger kann aber – zusätzlich – durch Rechtsgeschäft eine Zustellungsvollmacht erteilt werden, was angesichts dessen, dass eine Zustellung auch an sonstige rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Dritte erfolgen könnte, sogar nahe liegt (BayObLG, aaO.). Diese bedarf dann keiner besonderen Form (§ 167 BGB), so dass sie bspw. auch mündlich erteilt werden kann (vgl. zur einem Verteidiger rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht: BGH, Beschluss vom 18.02.1997, 1 StR 772/96; juris; Brandenburgisches OLG, aaO.; BayObLG, aaO.).

Eine solche Vollmacht ist der Verteidigerin vorliegend – wie die Verteidigerin in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht selbst mitgeteilt hat – erteilt worden. Danach hat der Betroffene „per Telefax und Telefon“ sie – also gerade nicht Rechtsanwältin H. – als Verteidigerin beauftragt. Durch ein „Versehen der Mitarbeiter“ sei dem Betroffenen anschließend dann aber der Vordruck einer auf Frau Rechtsanwältin H. lautenden Vollmacht übersandt worden.

Dem entspricht auch das gesamte aus den Akten ersichtliche Verhalten der Verteidigerin: Sie – und nicht Rechtsanwältin H. – hat sich zu den Akten als Verteidigerin gemeldet, hat um Akteneinsicht ersucht und diese erhalten, hat den Einspruch eingelegt, die Einstellung des Verfahrens beantragt, als Verteidigerin an der Hauptverhandlung teilgenommen, und nur sie hat die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet. Zudem hat Rechtsanwältin F. den an sie zugestellten Bußgeldbescheid sowie das Urteil entgegengenommen. Daran, dass der Betroffene Rechtsanwältin F. und – trotz des Wortlauts der zu den Akten gelangten Urkunde – gerade nicht Rechtsanwältin H. als Verteidigerin gewählt hat, bestehen daher keine Zweifel.

Die zu den Akten gelangte Vollmachtsurkunde, die ersichtlich das vorher „per Telefax und Telefon“ Vereinbarte schriftlich dokumentieren sollte, hätte also – gerade so wie erteilt – eigentlich auf die Verteidigerin lauten sollen. Da die Urkunde eine Zustellungsbefugnis aber ausdrücklich enthält, hat die Verteidigerin diese Befugnis somit rechtsgeschäftlich eingeräumt bekommen. Darauf, dass eine auf sie lautende schriftliche Verteidigervollmacht nicht zu den Akten gelangt ist, kommt es somit zur Beurteilung der Verjährungsfrage nicht an.

Das weitere Erfordernis, dass aus Gründen der Rechtssicherheit auch das Vorliegen einer rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht in den Akten dokumentiert sein muss (vgl. BayObLG, aaO.), ist ebenfalls erfüllt, weil sich die oben wiedergegebenen Ausführungen der Verteidigerin aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ergeben. Zwar wurde kein Wortprotokoll geführt, sondern nur festgehalten, dass die Verteidigerin (im Zusammenhang mit den Erörterungen zur Verjährungsfrage und den dazu verlesenen Urkunden) eine Erklärung abgegeben hat, jedoch wird der Inhalt dieser Erklärung dann im schriftlichen Urteil des Amtsgerichts im Einzelnen mitgeteilt.

Damit ist der „Vollmachtsfrieden“ oder die Balance dann ja (fast) wieder hergestellt.

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