Archiv für den Monat: Juni 2013

„Die Gestaltung der Urteilsgründe“ – die Not beim BGH muss groß sein..

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Es ist gerade einen Monat her, da hatte ich unter der Überschrift: Immer wieder sagt der BGH: Schreibt nicht so viel über den BGH, Beschl. v. 14.05.2013 – 3 StR 101/13 berichtet, der einen „Hilferuf“ des BGH für kürzere Urteile enthielt. Und der 3. Strafsenat schiebt dann im BGH, Beschl. v. 28.05.2013 – 3 StR 121/13 – gleich noch eine Anleitung zum Schreiben von Urteilsgründen hinterher

Die Gestaltung der Urteilsgründe gibt dem Senat – erneut – Anlass zu folgenden Bemerkungen:

Zur Darstellung der Vorstrafen ist es ausreichend, diejenigen Urteile aufzuführen, die das kriminelle Vorleben des Angeklagten prägen und für die Entscheidung von Bedeutung sind. Der wörtlichen Zitierung der Feststellungen in jenen Urteilen bedarf es dabei indes nicht (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. Rn. 268). Ebenso ist die Wiedergabe des vollständigen Bundeszentralregisteraus-zugs unter Einschluss unbedeutender jugendstrafrechtlicher Maßnahmen wegen ausländerrechtlicher Vergehen bei einer Verurteilung wegen einer Betäubungsmittelstraftat unnötig. Erst recht ist es verfehlt, den Registerauszug in faksimilierter Form im Urteil wiederzugeben und dadurch Lesbarkeit und Verständnis der Urteilsgründe zu erschweren.

Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Es ist regelmäßig untunlich, die Zeugenaussagen aus dem Ermittlungsverfahren und aus der Hauptverhandlung der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen und den Inhalt der überwachten Telekommunikation wörtlich oder auch nur in einer ausführlichen Inhaltsangabe wiederzugeben (hier UA S. 8 bis 26). Dies gilt gleichermaßen, wenn diese Dokumentation in den tatsächlichen Feststellungen oder – gleichsam als Anhang dazu – der eigentlichen Beweiswürdigung vorangestellt wird. Ein solches Vorgehen kann die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebotene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen und unter – hier wegen der weiteren Ausführungen UA S. 29 bis 44 allerdings nicht gegebenen – Umständen den Bestand des Urteils gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 StR 106/98, NStZ-RR 1998, 277 mwN).“

Die Not muss groß sein 🙂

Vorabmeldung für die Radsportfreunde: Gesamtsieger der Jubiläums-Tour de France 2013 erhält automatisch Dopingsperre auf Lebenszeit

Ein Kollege weist mich gerade dankenswerter Weise auf eine Vorabmeldung im „Postillon“ hin (dort „Ehlriche Nachrichten, unahängig und schnell – seit 1845“ 🙂 Danach hat der Weltradsportverband (UCI) einen Tag vor dem Startschuss der 100. Tour de France bekanntgegeben, dass „der diesjährige Gesamtsieger anschließend für den Rest seiner Karriere wegen Dopings gesperrt werden“ soll. „Auch auf den Zweit- und Drittplatzierten warten empfindliche Sperren. Dabei bleibe die Spannung erhalten, betont die UCI. Schließlich wisse man nicht, welcher Fahrer am Ende für wie lange gesperrt werde.“ Wer mehr erfahren will, kann das hier nachlesen.

Na, das ist doch mal eine Meldung, die Freude macht. :-). In dem Sinne: Ein schönes (Radsport)Wochenende

 

 

Aus der Kiste: Begründung der Verfahrensrüge – Wo wohnt der Angeklagte im Inland?

Aus der Kiste „ausreichende Begründung der Verfahrensrüge“ (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – ich habe nicht geschrieben „Trickkiste“ 🙂 – stammt der KG, Beschl. v. 05.04.2013 – (4) 161 Ss 78/13 (71/13), der sich u.a. mit den Anforderungen an die Zulässigkeit der Verfahrensrüge befasst, wenn die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung, in der seine Berufung wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen worden ist, gerügt wird. Dazu der KG, Beschl.:

„…Will die Revision die fehlerhafte Ladung rügen, muss sie alle hierfür maßgeblichen Umstände schlüssig vortragen (vgl. KG NStZ 2009, 111; OLG Stuttgart Justiz 2006, 235; OLG Hamm NStZ-RR 2005, 114; Meyer-Goßner aaO). Dazu zählt auch die Anschrift, unter welcher der Angeklagte hätte geladen werden können, wo er also tatsächlich gewohnt hat, sowie  die Umstände, aufgrund derer das Gericht dies hätte erkennen oder ermitteln können (vgl. OLG Düsseldorf VRS 97, 132). Wenn die Ladung durch öffentliche Zustellung nach § 40 Abs. 2 StPO bewirkt worden ist, weil der Angeklagte bereits zu einer früheren Hauptverhandlung geladen werden konnte, muss die Revision den die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung bewirkenden Umstand mitteilen, dass seine Ladung im Inland hätte bewirkt werden können. Die inländische Anschrift ist anzugeben.

 Diesen Anforderungen genügt die Revision nicht. Der Verteidiger teilt lediglich mit, die Angeklagte sei zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung über die JVA geladen worden und nach der Verurteilung in ihr Heimatland abgeschoben worden. Weiter trägt er vor, die jetzige Wohnanschrift der Angeklagten (offenbar in Rumänien) sei bekannt, ein Versuch, sie hierüber zu laden, sei durch das Landgericht aber nicht unternommen worden.

Die Revision teilt hingegen schon nicht die (ausländische) Anschrift mit, unter der eine Ladung der Angeklagten möglich gewesen wäre. Insbesondere unterlässt sie die Erklärung, unter welcher inländischen Anschrift die Angeklagte hätte geladen werden können. Das wäre erforderlich gewesen, weil die öffentliche Zustellung der Ladung zur Berufungshauptverhandlung nur unzulässig gewesen wäre, wenn sie im Inland hätte bewirkt werden können. Denn die Angeklagte war zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht bereits wirksam über die JVA geladen worden. Nach § 40 Abs. 2 StPO kann der in erster Instanz zur Hauptverhandlung nach allgemeinen Vorschriften geladene Angeklagte durch öffentliche Zustellung geladen werden, wenn er nach Einlegung von Rechtsmitteln ins Ausland übersiedelt oder dorthin zurückkehrt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 48 mwN). Im diesem Falle erwartet der Gesetzgeber, dass der Betroffene sich um den weiteren Fortgang des Verfahrens kümmert und Vorsorge dafür trifft, dass ihn im Inland zu bewirkende Zustellungen fortan erreichen (vgl. KG aaO; OLG Frankfurt aaO). Dies kann durch die Erteilung einer schriftlichen Ladungsvollmacht nach § 145a Abs. 2 Satz 1 StPO gegenüber dem Verteidiger oder auf andere Weise geschehen (vgl. KG aaO). Die erforderliche Mitteilung einer derartigen inländischen Zustellungsmöglichkeit enthält das Revisionsvorbringen nicht.

Wie gehabt bei der Verfahrensrüge. Da ist also eine Menge zu recherchieren und vorzutragen, will man die Hürde des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO überspringen.

Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger/Innen- Verstoß bei 0,2 oder bei 0,15 Promille?

Vor fast sechs Jahren, nämlich am 01.08.2007, ist § 24c StVG – das absolute Alkoholverbot – für Fahranfänger und Fahranfängerinnen in Kraft getreten (vgl. dazu meinen Beitrag aus VRR 10/2007: Der neue § 24 c StVG – Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen). Die Neuregelung hat seitdem die Rechtsprechung kaum beschäftigt. Woran das liegt, ist mir nicht ganz klar. M.E. ist einer der Gründe möglicherweise, dass die Neuregelung keine Privilegierung von Fahranfängern und Fahranfängerinnen ist, sondern, diese, wenn sie die „Grenzwerte“ überschreiten, gleich über § 24a Abs. 1 StVG in Anspruch genommen werden (vgl. dazu OLG Bamberg, Beschl. v. v. 06.05.2013 – 3 Ss OWi 406/13).

Und da haben wir  die Krux „Grenzwert“? Nun, wo steht im Gesetz ein „Grenzwert“? Das ist richtig. Aber: Die Vorschrift wird im Licht der Entscheidung des BVerfG v. 21.12.2004 zu den „Grenzwerten“ bei der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG ausgelegt, weil sie ebenfalls ein Gefährdungsdelikt ist. Und daher setzt die Anwendung des § 24c StVG in der 2. Alternative – Antreten einer Fahrt – voraus, dass der Betroffene unter der Wirkung alkoholischer Getränke steht, was der Fall ist, „wenn der aufgenommene Alkohol zu einer Veränderung physischer oder psychischer Funktionen führen kann und in einer nicht nur völlig unerheblichen Konzentration im Körper vorhanden ist“ (BT-DR. 16/5047, S. 9). Da es sich bei § 24c StVG (ebenfalls) um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, muss eine Wirkstoffkonzentration des Alkohols aber zumindest in einer Höhe festgestellt sein, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit als möglich erscheinen lässt.

Und wann das der Fall ist, da scheiden sich die Geister. Wenn man die BT-Drucksache 16/5047 liest, dann geht der Gesetzgeber wohl von 0,2 Promille aus. Anders jetzt das OLG Stuttgart im OLG Stuttgart, Beschl. v. v. 18.o3.2013 – 1 Ss 661/12, das einen Verstoß gegen das Alkoholverbot für Fahranfänger regelmäßig schon ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,15 Promille annehmen will, und zwar wie folgt berechnet: 0,1 Promille Grenzwert zuzüglich – gem. BGH-Rechtsprechung – 0,05 Promille Sicherheitszuschlag.

Für mich ist nicht so recht nachvollziehbar, warum das OLG einen anderen = niedrigeren Grenzwert annimmt als die 0,2 Promille, die im Übrigen auch von einigen AG in der Vergangenheit schon zugrunde gelegt worden sind. Aber: Das nutzt alles nichts, muss man sich darauf einstellen bzw. versuchen, einen anderen Grenzwert „durchzusetzen“. Und das wird letztlich, wenn er verbindlich sein soll, nur über den Weg gehen, dass BGH, der ggf. über die Vorlage eines anderen OLG mal mit der Frage befasst sein sollte, ein „Machtwort spricht.

Das Gefeilsche/das Hin und Her hat (fast) ein Ende – RVG-Reform kommt (?)

Als ich die Überschrift: „Das Gefeilsche/das Hin und Her hat (fast) ein Ende – RVG-Reform kommt“ geschrieben hatte, habe ich dann doch lieber noch mal ein Fragezeichen gesetzt. Denn man weiß ja nicht, was den Länder ggf. noch bis zum nächsten Freitag, 05.07.2013, einfällt. Vielleicht dann doch noch einen größeren Schluck aus der Pulle?

Wenn nicht: Dann kann man hoffen, dass nach dem Hin und Her der letzten Wochen das 2. KostRMoG, das als Artikelgesetz die Änderungen des RVG enthält, den Bundesrat passiert und damit dann auch die RVG-Reform durch ist. Denn gestern hat der Bundesrat die Änderungen, die der Vermittlungsausschuss am 27.06.2013 beschlossen hat, gebilligt und somit steht nur noch die Entscheidung  des Bundesrates aus (vgl. dazu die DAV-Depesche v. 27.06.2013).

Ob allerdings das Gesetz noch im Juli im BGBl verkündet wird und dann am 01.08.2013 in Kraft tritt, ist für mich noch sicher sicher. Die Justiz in den Ländern muss ja ihre Software anpassen und ob die das so schnell können? Man wird sehen, wie „heiß“ die Länder auf die Mehreinnahmen sind.