Pflichtverteidiger im Bußgeldverfahren? Bei uns nicht, auch nicht, wenn Fahrerlaubnisentziehung droht.

© J. Steiner – Fotolia.com

Auch im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers möglich. § 60 OWiG verweist auf § 140 StPO. In der letzten Zeit haben auch einige AG und LG im Bußgeldverfahren Pflichtverteidiger beigeordnet.

Dazu gehört nun das LG Stuttgart aber nicht. Das hat im LG Stuttgart, Beschl. v. 13. 12. 2012 – 19 Qs 154/12 OWi die Beiordnung abgelehnt, obwohl m.E. die Voraussetzungen vorgelegen haben. Das LG führt u.a. aus:

1. Wegen der Schwere der Tat erscheint die Mitwirkung eines Verteidigers nicht geboten.

a.       Die Höhe der im vorliegenden Fall zu erwartenden Geldbuße spricht nicht für eine schwere Tat. Es handelt sich lediglich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die noch dazu mit einer vergleichsweise geringen Geldbuße in Höhe von 200,00 € (Regelgeldbuße gemäß BKat-Nr. 132.3) geahndet wurde, wobei der Sanktionsrahmen gemäß § 24 Abs. 2 StVG bis zu 2.000,00 € umfasst.

b.       Auch die Eintragung weiterer Punkte im Punktesystem und die damit verbundene Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren nach § 4 StVG reicht nach Ansicht der Kammer nicht aus, um die Mitwirkung eines Verteidigers zu ge-bieten, auch wenn der Betroffenen dadurch Nachteile für seinen Frachtbetrieb und damit seine Berufsausübung zu erwarten hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich im vorliegenden Fall um einen schwerwiegenden Nachteil handeln würde, nämlich eine drohende Betriebsaufgabe, da solch ein Nachteil nur mittelbar aus der Verurteilung folgt und damit in der Regel außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Auflage, 2012, § 60 Rn. 25; Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Auflage, 2006, § 60 Rn. 31).

 Der Betroffene ist selbständiger Frachtführer und Spediteur, der überwiegend selbst fährt und teilweise Fahrer als Aushilfen einstellt. Die Existenz des Betriebs ist jedoch, entgegen dem Vortrag des Betroffenen, durch den Verlust seiner Fahrerlaubnis nicht zwangsläufig gefährdet, denn der Betroffene kann sich behelfen indem er für die Zeit, in der er nicht selbst fahren kann, weitere Fahrer beschäftigt.

 Doch auch wenn man vorliegend von einer Bedrohung der Existenz des Betriebs und damit einem schwerwiegenden Nachteil für den Betroffenen ausginge, so würde dies nicht zur Annahme einer notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO führen. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn neben der etwaigen Verurteilung die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde droht und diese wiederum die Gefahr der Arbeitsplatzkündigung mit sich bringt (LG Mainz, Beschluss vom 06.04.2009, 1 Qs 49/09; LG Köln, Beschluss vom 09.12.2009, 105 Qs 382/09, jeweils zitiert nach Juris). Dieser Ansicht folgt die Kammer jedoch nicht. Dass der Betroffene die zum Entzug der Fahrerlaubnis führende Punktzahl erreicht hat, ist darauf zurückzuführen, dass er bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl von Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen hat. Wenn nun die hier durch das Amtsgericht abzuurteilende Ordnungswidrigkeit dazu führen sollte, dass der Betroffene die Punktzahl erreicht, bei der die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgesehen ist, so ist diese Verurteilung lediglich der sog. Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Gefahr einer Entziehung stand dagegen schon längere Zeit im Raum und beruht auf dem Vorverhalten des Betroffenen. Für diese Ansicht spricht auch, dass im Rahmen der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde eine Eintragung im Verkehrszentralregister – gleichgültig mit welchen Konsequenzen – nicht beachtlich ist. Eine Eintragung im Verkehrszentralregister stellt nämlich keine Nebenfolge „nichtvermögensrechtlicher Art“ i.S.d. OWiG § 79 Abs. 1 S 1 Nr. 2 dar (Göhler/Seitz, OWiG, § 79 Rn. 8 m.w.N.).

 Rechtsfolge der Verurteilung ist – nicht das Vorliegen einer schweren Tat und damit eine notwendige Beiordnung, da die Folgen für den Betroffenen durch die zeitliche Begrenzung auf einen Monat überschaubar sind und ihnen durch die Beschäftigung anderer Fahrer begegnet werden kann.

Die Begründung zieht so nicht: Natürlich sind die mittelbaren Folgen zu berücksichtigen. Wenn das nicht (mehr) der Fall wäre, würden ganz Bibliotheken von Entscheidungen zur Beiordnung im Strafverfahren Makulatur. Oder sollte das LG übersehen haben, dass die Beiordnung des Pflichtverteidigers häufig damit begründet wird, dass der Bewährungswiderruf in anderen Verfahren droht. Das ist doch nichts anderes als die hier ggf. anstehenden Fahrerlaubnismaßnahmen.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert