Woher kommen die Feststellungen? – die Inbegriffsrüge

© froxx – Fotolia.com

Als Verteidiger muss man sich, wenn man ggf. ein Urteil mit der Revision oder der Rechtsbeschwerde angreifen will, immer fragen: Woher kommen die tatrichterlichen Feststellungen im Urteil? Stammen Sie aus dem sog. Inbegriff der Hauptverhandlung, waren sie also Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO)? Ist das nicht der Fall, dann kann eine Inbegriffsrüge erfolgreich sein.

Das war eine solche Rüge im KG, Beschl. v. 18.04.2012 – (4) 121 Ss 53/12 (91/12). Da hatte das LG als Berufungskammer nämlich einen Teil seiner Feststellungen aus dem gem. § 324 StPO verlesenen Urteil des Amtsgerichts gewonnen.Das ist aber nicht Teil der Beweiserhebung. Dazu das Leitsatz des KG:

Zur Urteilsgrundlage dürfen nur Beweiserhebungen einschließlich der Einlassung des Angeklagten gemacht werden, die in einer vom Gesetz vorgeschriebenen Form in das Verfahren eingeführt worden sind. Die Verlesung des mit der Berufung angefochtenen Urteils (§ 324 Abs. 1 Satz 2 StPO) ist Bestandteil des Vortrags über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Sie ist nicht Teil der Beweiserhebung und nicht als (Urkunds-)Beweis verwertbar.

Wird die Inbergiffsrüge erhoben, dann muss man darauf achten, dass es sich um eine Verfahrensrüge handelt. Es gelten also die strengen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Beim KG hatte der Verteidiger ausreichend begründet. Worauf es ankommt, zeigt dann auch der KG, Beschl.:

aa) Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO ist zulässig erhoben. Dies setzt voraus, dass mit den Mitteln des Revisionsrechts ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, dass eine im Urteil getroffene Feststellung nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und auch sonst nicht aus zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehörenden Vorgängen gewonnen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 1997 – 3 StR 520/96 – = NStZ-RR 1998, 17; OLG Koblenz, Beschluss vom 24. März 2011 – 2 SsBs 154/10 – = NStZ-RR 2011, 352; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 261 Rdn. 38a; Schoreit in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 261 Rdn. 8).

 Die Revision hat unter Mitteilung der maßgeblichen Urteilsgründe und der notwendigen Aktenteile ausreichend dargelegt  (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), dass sich der Angeklagte zum Tatgeschehen im Einzelnen nicht geäußert habe und das Tatgeschehen auch nicht in sonst zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sei. Der fehlende Vortrag zu dem Inhalt der Sitzungsniederschrift der Berufungsverhandlung ist unschädlich, denn der Verstoß gegen § 261 StPO kann sich dem Revisionsgericht – wie hier – auch aus den Urteilsgründen erschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07 – = NStZ 2008, 705; Kammergericht, Urteil vom 14. April 2011 – (2) 1 Ss 496/10 (43/10) – ).

Ohne die Ausführungen geht es nicht (weiter).

 

2 Gedanken zu „Woher kommen die Feststellungen? – die Inbegriffsrüge

  1. meine5cent

    Kurioses zur Inbegriffsrüge (eigentlich weniger zur Rüge als zum Urteil) zeigt der heute auf der BGH-Seite eingestellte Beschluss BGH 2 StR 219/12:
    Das Urteil des LG war auf eine Aussage gestützt, die in der HV gar nicht stattfand, weil der Zeuge vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte und ersichtlich keine Vernehmungsperson vernommen wurde…..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert