Die „Ortsferne“ des Verteidigers – kein Argument gegen Pflichtverteidigung

Die Frage, ob der Bestellung des Rechtsanwalts ggf. entgegensteht, dass der Sitz des Verteidigers nicht in der Nähe des Gerichts liegt hat in der Vergangenheit bei der Auswahl des Pflichtverteidigers im Bestellungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des „ortsansässigen Verteidigers“ die Diskussion „belebt“. das hing u.a. auch mit der früheren Fassung des § 142 Abs. 1 StPO zusammen. Nach dem der nun geändert worden ist, spielen diese Fragen in der Rechtsprechung offensichtlich nicht mehr die große Rolle. Dazu passt dann der LG Duisburg, Beschl. v. 03.09.2012 – 35 Qs 716 Js 9/12 – 102/12, in dem es zu der Problematik der Ortsnähe/Ortsferne nur heißt:

„Die Ortsferne des Kanzleisitzes des Verteidigers steht vorliegend der Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts nicht entgegen, da nicht ersichtlich ist, dass hierdurch eine sachdienliche Verteidigung des Angeklagten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet würden (vgl. etwa OLG Thüringen, NStZ 2009, 175). Im Bestellungsverfahren tritt der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nämlich grundsätzlich hinter dem besonderen Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu seinem Verteidiger zurück, das auf der Grundlage der Ausführungen im Schriftsatz vom 10.07.2012 anzunehmen ist.

Und bestellt hat das LG, weil die Sache schwierig war (§ 140 Abs. 2 StPO). Es handelte sich um Manipulationen an einem EG-Fahrtenschreiben.

Die Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 268 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB bereitet vorliegend Schwierigkeiten, da in rechtlicher Hinsicht durchaus umstritten ist, unter welchen konkreten Voraussetzungen von einer störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang eines EG-Fahrtenschreibers auszugehen ist (vgl. zum Streitstand etwa BayObLGSt 2001, 57 ff.). Die stattgehabte Manipulation durch Aufsetzen eines Magneten auf den Kitas-Geber an der Getriebeausgangswelle zwecks Beeinflussung der Steuerleitung am Impulsgeber ist in der vorhandenen veröffentlichten Rechtsprechung — soweit ersichtlich — noch nicht unter den Voraussetzungen des § 268 Abs. 1, Abs. 3 StGB beurteilt worden. Entscheidend wird es dabei auf die zu klärende Rechtsfrage ankommen, ob es sich lediglich uni eine — nicht tatbestandliche — Fremdbetätigung des technischen Gerätes handelt, die die Funktionsweise selbst nicht beeinträchtigt, oder aber – wofür aus Sicht der Kammer einiges spricht -, ob es aufgrund von Umständen, die außerhalb seiner Funktionsweise liegen, nicht so bedient werden darf und der Sachverhalt insoweit mit den bereits obergerichtlich entschiedenen Fällen des Verbiegens des Geschwindigkeitsschreibers bzw. des eigenhändigen Versteilens der Zeituhr des Kontrollgerätes vergleichbar ist (vgl. im Einzelnen BayObLGSt 2001, 57 mwNw.).

Dabei wird das Amtsgericht – unabhängig von der hier nicht zu entscheidenden Frage der gleichzeitigen Schwierigkeit der Sachlage gem. § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO – tatsächlicher Hinsicht zu prüfen haben, ob nicht ein Sachverständiger zu Klärung der tatsächlichen technischen Zusammenhänge hinzuzuziehen ist.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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