Wer A sagt, muss auch B sagen, oder: Absprache führt zur Bindung

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Die Flut der Entscheidungen des BGH zur Absprache/Verständigung (§ 257c StGB) ist ein wenig zurückgegangen. Aber die ein oder andere wichtige Entscheidung gibt es dann doch noch. So den für die Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v. 21.06.2012 – 4 StR 623/11 – der sich neben einer für den Ausschluss der Öffentlichkeit wichtigen Frage mit der Bindungswirkung befasst. Und zwar der Bindunsgwirkung für die StA an die von ihre erklärte Zustimmung zur Verständigung und für das Gericht. Der BGH führt aus, dass sich beide nicht so einfach von einer einmal zustande gekommenen Verständigung lösen können. Sodnern – so die Leistätze:

 Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvor-schlag des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und un-widerruflich.

Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung.

Und lösen kann sich das Gericht von einer Verständigung erst, wenn aufgrund neuer Umstände die „ausgehandelte“ Strafe bzw. der in Aussicht genommene Strafrahmen nicht mehr passt.

…c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2  StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Progno-se ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zu-sage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Ge-richts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuld-angemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht – wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung – ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zu-gleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat  dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Straf-ober- und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin…“

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