Das „Organ der Rechtspflege“ im Gebührenrecht – solche Beschlüsse ärgern mich

© Alex White _Fotolia.com

© Alex White _Fotolia.com

Im letzten Posting So gehts “im wilden Süden”: Durchsuchung/Beschlagnahme im OWi-Verfahren“ hatte ich moniert, dass nicht immer alles das, was im Verfahren als bedeutsam angesehen wird, im Gebührenrecht dann ebenfalls Auswirkungen hat. Und da haben wir dann gleich ein Beispiel – nur zufällig auch aus dem Süden der Republik, nämlich den LG Würzburg, Beschl. v. 06.02.2012 – 1 Qs 23/12 -, in dem es um die Mittelgebühren ging. Das LG verwendet viel Platz darauf darzulegen, warum die Verteidigerin nicht die Mittelgebühren geltend machen kann.

Zusammenfassung:

  • Allein der Umstand, dass der Bußgeldbescheid die Eintragung von 3 Punkten im Verkehrszentralregister vorsah, begründet keine besondere Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG.
  • Auch die Verhängung eines Fahrverbotes von der Mindestdauer von einem Monat begründet als solches keine besondere Bedeutung des Verfahrens für die Betroffene, zumal wenn es ein nach § 25 Abs. 2a StVG zeitlich flexibles Fahrverbot ist und eine besondere Härte für den Betroffenen nicht vorgetragen wurde.

Sehe ich anders. Und wird auch in der Rechtsprechung – m.E. von der h.M. – anders gesehen. Aber damit setzt man sich nicht auseinander. Man hat ja eine eigene ständige Rechtsprechung:

„Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung — die Auffassung, dass allein der Umstand, dass für die verfahrensgegenständliche Verkehrsordnungswidrigkeit die Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister vorgesehen ist, nicht per se eine besondere Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen begründet, sondern nur dann, wenn damit unmittelbare Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis des Betroffenen verbunden sind.

 Ansonsten käme beinahe jedem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren mit einem Bußgeld von mindestens 40,00 EUR eine besondere Bedeutung im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG zu.“

Diese Ausführungen sind zudem insoweit unzutreffend, als eine „besondere Bedeutung“ von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht gefordert wird.

Ein Punkt ist darüber hinaus anzumerken:

Die Verteidigerin hatte wohl in einem Schriftsatz angekündigt, dass sie ihre Verteidigungsstrategie überdenken wolle. Ob das nun geschickt war und wie es rechtlich zu beurteilen ist, lassen wir mal dahin gestellt. Jedenfalls ist das natürlich eine Steilvorlage für die Kammer. Sie merkt an:

Soweit die Verteidigung am Ende des Schriftsatzes vom 31.01.2012 (BL 60 d.A.). anmerkt, die erfolgte Kostenfestsetzung gegebenenfalls zum Anlass zu nehmen, ihre Verteidigungsstrategie zu ändern, zukünftig keine Einlassungen vor der Hauptverhandlung mehr abzugeben und Sachverständigengutachten erforderlich werden zu lassen, mithin letztlich allein aus Kostengründen -das Verfahren zu verlängern, bleibt dies unter dem Hinweis auf die Stellung des Rechtsanwaltes als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) unkommentiert.“

Kein Kommentar? Na ja, so ganz ja nun wohl doch nicht. Und: Da ist es wieder: Das „Organ der Rechtspflege“, das man immer bemüht, wenn man den Verteidiger/Rechtsanwalt in die Pflicht nimmt. Dass aber auch das „Organ der Rechtspflege“ seinen „Laden“ am Laufen halten muss usw., das übersieht man schnell/gerne.

Irgendwie machen mich solche Beschlüsse ärgerlich. Ich glaube, man merkt es auch am Posting.

12 Gedanken zu „Das „Organ der Rechtspflege“ im Gebührenrecht – solche Beschlüsse ärgern mich

  1. meine5cent

    Er hat seinen Laden am Laufen zu halten, das ist richtig. Aber deshalb hat er/sie in einer Standardsache ohne dass es hierfür konkreten Anlass oder aber Auftrag des Mandanten gibt, nicht alle Register zu ziehen und einen Textbausteinschriftsatz mit Beweisanträgen zu verfassen, nur um die Sache plötzlich umfangreich und schwierig zu machen. Derartige Ankündigungen wie die der Verteidigerin sind wohl dem Umstand geschuldet, dass man, wenn es schiefgeht, meist nicht dem Mandanten erklären muss, weshalb er nun auch noch Sachverständigengutachten in der schwierigen Angelegenheit zahlen soll, sondern „nur“ der Rechtsschutzversicherung.

  2. Detlef Burhoff

    Sie wissen mal wieder mehr. Wo steht bitte etwas von Textbausteinen? Und wo bitte etwas von „Standardsache ohne dass es hierfür konkreten Anlass oder aber Auftrag des Mandanten“?

  3. Orkan der Rechtspflege

    Von einem „Organ der Rechtspflege“ lese ich in § 1 BRAO nichts. In der mir vorliegenden Fassung heißt es „unabhängiges Organ der Rechtspflege“. Oder anders gesagt: „Ich bin vielleicht ein Organ, Herr Vorsitzender, aber bestimmt nicht Ihr Organ.“ Und wer offensichtlich weder Ahnung von RVG-Rechtsprechung noch von Betriebswirtschaft hat, sollte andere nicht auf den Gesetzestext verweisen und diesen auch noch falsch zitieren.

  4. Orkan der Rechtspflege

    @Burhoff

    Nein, natürlich nicht! Ich meinte den Verfasser des Beschlusses.

    Dazu noch eine weitere Anmerkung: wenn ich eine Hauptverhandlung sorgfältig vorbereite und vor dem ersten Hauptverhandlungstag oder zwischen zwei Hauptverhandlungstagen Schriftsätze einreiche, die dazu bestimmt und geeignet sind, dem Gericht die Arbeit zu erleichtern und das Verfahren möglichst schnell abzuschließen, bekomme ich das in der Kostenfestsetzung um die Ohren gehauen. Diese Arbeit erhöhe weder die Verfahrens- noch die Terminsgebühr. Bei solchen Richtern, die mir immer wieder mit solchen Begründungen die Gebühren kürzen (und nur bei solchen), bin ich dazu übergegangen, keine vorbereitenden Schriftsätze mehr zu verfassen. Das wird alles stundenlang in der Hauptverhandlung verlesen, auf daß es einen weiteren Hauptverhandlungstermin gibt. Und einen weiteren. Und einen weiteren.

    Wenn ich dann gefragt werde, weshalb ich das alles erst in der Hauptverhandlung vorbringe, muß ich leider mit den entsprechenden Kostenbeschlüssen wedeln und erklären, daß diese Arbeit nach Meinung des Gerichts ja nur dann zu vergüten ist, wenn die Anträge in der Hauptverhandlung gestellt werden und diese (unnötig) verlängern. Organ der Rechtspflege hin oder her. § 1 BRAO vermag nicht Art. 12 Abs. 1 GG außer Kraft zu setzen, der eine angemessene Bezahlung garantiert. Darauf hat das BVerfG auch schon hingewiesen.

    Dem Mandanten, der ohnehin mehrere Jahre einfahren muß oder eine Rechtsschutzversicherung hat, ist es übrigens herzlich egal, wie hoch die – im Zweifel ohnehin niederzuschlagenden – Verfahrenskosten sind. Erst recht gilt dies bei Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen, die oftmals durch entsprechend ausführliche Anträge erwirkt werden können.

    Mein Eindruck ist, daß manche Richter sich als Hüter der Staatskasse mißverstehen oder die Kostenfestsetzung als kleine Disziplinierungs- oder „Rache“maßnahme mißbrauchen. Den Ball spiele ich aber zurück… 🙂 Übrigens: ich mache auch viele Pro-Bono-Mandate, bin also nicht völlig geldversessen. Aber veräppeln lassen möchte ich mich auch nicht.

  5. RA JM

    @ RA Burhoff:

    Stimmt, leider war der Link falsch, sorry.

    Aber diese eigentlich auch nur am Rande, vielmehr die Formulierung:

    Ein solches Verteidigerverhalten, welches objektiv und subjektiv die Absicht erkennen lässt, das Bußgeldverfahren zu sabotieren, ist bei einem Rechtsanwalt mit Blick auf seine Stellung als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) dysfunktional …

    Demnach ist ein Verteidigerverhalten immer dann dysfunktional, wenn versucht wird, Verfahrensfehler zu provozieren? (Dass die Verteidigung dort allerdings auch offensichtlich ziemlich dilettantisch herumgetrickst hat, steht auf einem anderen Blatt)

  6. meine5cent

    @D.B. Ich weiß nicht „wieder einmal mehr“. (wo denn noch?).Sie ärgern sich über die Kammer, lassen aber „dahin gestellt“, ob die zitierte Äußerung der Verteidiger.in „geschickt“ war. Die Kammer hat niemanden “ in die Pflicht genommen“. Die Ankündigung, so wie zitiert, lässt allenfalls erkennen, dass die Verteidigerin keine Taktik ankündigt, die von dem Gedanken des Mandanteninteresses getragen ist, sondern nur davon, Umfang/Schwierigkeit bei der späteren Kostenfestsetzung/Gebührenabrechnung zu rechtfertigen.

    Ich weiß nicht, ob die Entscheidung der Kammer richtig ist. EIne Deckelung wie beim Streit um die 1,3 oder 1,5 bei 2300 VV RVG gibt es offenbar bei den OWi-Gebühren nicht.
    Wenn allerdings Fahrereigenschaft und Messung unproblematisch gewesen sein sollten (spekulier, spekulier), sehe ich nicht so ganz, weshalb alleine die (offenbar Standard-) Rechtsfolgen für einen Ersttäter durchschnittlichen Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung begründen sollen.

    Für Steuerberater gibt es übrigens eine Tendenz, befördert durch das OLG Düsseldorf, die besagt, dass es keine Mittelgebühr gibt und der Steuerberater alles zu begründen hat, was über den Mindestsatz hinaus geht.

    @Orkan. Das Gericht hat nicht nach betriebswirtschaftlichen Kriterien der Kanzleiführung zu entscheiden. Das ist soweit ich weiß – Herr Burhoff, bitte korrigieren Sie mich- nämlich weder nach § 14 RVG noch nach § 11 StBGebV ein zulässiger Gesichtspunkt für die Frage, ob die Gebührenbestimmung nach billigem Ermessen erfolgt ist (auch wenn es in den Vorschriften heißt „Berücksichtigung aller Umstände“) und somit auch kein zulässiges Entscheidungskriterium für das Gericht.

    Wenn die gesetzlichen Gebühren nicht ausreichen sollten, um kostendeckend zu arbeiten, ist es Sache des Gesetzgebers, nachzubessern. Oder des RA /StB, eine Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten abzuschließen. Ärgerlich, aber ist nun einmal so.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert