Fotokopiekosten? Nein: Nimm doch „überschlägig am Bildschirm Kenntnis“ – solche Entscheidungen machen ärgerlich

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Das OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.03.2012 – 2 Ws 49/12 befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Fotokopien des Pflichtverteidigers. Dies hatte der Pflichtverteidiger von TKÜ-Bänden gefertigt. Diese betrafen allerdings nicht die seinem Mandanten von der Staatsanwaltschaft gemachten Vorwürfe. Der Verteidiger hatte die TKÜ-Bände aber dennoch auf Entlastungsmaterial  durchgesehen. Das OLG Frankfurt hat die Erstattungsfähigkeit verneint:

„Denn jedenfalls war die Fertigung von Kopien von TKÜ-Bänden, die von der Staatsanwaltschaft nicht den Anklagevorwürfen betreffend den von dem Beschwerdeführer verteidigten Angeklagten zugeordnet waren, hier nicht erforderlich. Wenn der Pflichtverteidiger gleichwohl die Auffassung vertritt, auch diese TKÜ-Bände auf eventuelle Entlastungsmomente im Hinblick auf seinen Mandanten überprüfen zu müssen, ist dies zwar sein gutes Recht, vermag dies aber die Erforderlichkeit dieser Auslagen nicht zu begründen. Vielmehr hätte für diese Überprüfung eine überschlägige Durchsicht auf dem Bildschirm ausgereicht. Die Anfertigung von Ablichtungen auch dieser TKÜ-Bände stellt sich somit als bloße Erleichterung dar, die einer Erstattung der hierdurch entstandenen Auslagen nicht zugänglich ist.“

M.E. falsch. Ich gehe davon aus, dass es sich um Beiakten gehandelt hat. Dann hatte der Verteidiger aber auch einen Anspruch auf Einsicht und aufs Kopieren. Das OLG kann ihn m.E. nicht darauf verweisen, dass er am Bildschirm „überschlägig durchsehen“ muss. Und wie soll das gehen? Z.B. jedes fünfte Blatt? Wie soll man da feststellen, ob Entlastendes enthalten ist? Das OLG Frankfurt – m.E. eh im Gebührenrecht nicht besonders „verteidigerfreundlich“ – sieht es anders. Mich würde interessieren, wie die OLG-Richter sich Aktenkenntnis verschaffen. Nimmt das Gericht auch „überschlägig“ am Bildschirm Kenntnis?

Falsch m.E. auch der zusätzliche Hinweis:

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dann, wenn — wie hier — dem Pflichtverteidiger der Akteninhalt vollständig in digitalisierter Form vorgelegen hat, sämtliche zum Ausgleich angemeldete Kopierkosten als nicht erforderliche Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG anzusehen sind, da der Pflichtverteidiger auf diese Form der Information über den Akteninhalt verwiesen werden kann und die Fer­tigung von Ablichtungen damit nicht erforderlich wäre (vgl. hierzu OLG Köln ZfSch 2010, 106).

Und was ist, wenn der Verteidiger keine Möglichkeit hat zur „digitalisierten Akteneinsicht“? Beteiligt sich das OLG an den Anschaffungskosten für einen PC/ein Notebook? Ich bin gespannt!

10 Gedanken zu „Fotokopiekosten? Nein: Nimm doch „überschlägig am Bildschirm Kenntnis“ – solche Entscheidungen machen ärgerlich

  1. meine5cent

    Wenn die TKÜ-Protokolle in einer brauchbaren OCR-Scan-Version oder sogar mit normalen Textverarbeitungsprogrammen zur Verfügung gestellt wurde, dürfte ein Durchsehen mit Suchbegriffen deutlich weniger mühsam sein als Durchlesen von 17.089 Blatt

    Und: Wer beauftragt einen Verteidiger, der nicht über einen PC oder ein Notebook verfügt? An anderer Stelle regen sich manche über Gerichte auf, die keine Steckdose für Verteidigernotebooks bereitstellen.
    In Österreich ist man sogar noch ein bisschen weiter, da würden bei uns vermutlich die (wenigen in der Anwaltschaft verbleibenden,aber es gibt sie wirklich noch) Schreibmaschinentäter dem BVerfG die Tür mit Verfassungsbeschwerden einrennen:
    „Jeder Rechtsanwalt ist dazu verpflichtet in seiner Kanzlei den gängigen Standard an modernster Kommunikationstechnik zur Verfügung zu haben, um per elektronischen Rechtsverkehr mit Gericht kommunizieren zu können.“ (Quelle:Österr. Rechtsanwaltskammertag)

  2. RpflNiedersachsen

    Ich erinnere mal an OLG Celle, Beschluss v. 28.11.2011, 1 Ws 415/11. Bei den Kosten hätte ich dem Verteidiger ein neues macbook spendiert.

    Nun ernsthaft: Ich frage mich, warum TKÜ-Sachen überhaupt ausgedruckt werden müssen (egal ob bei Gerichts, StA, Verteidiger). Die Protokolle kommen fertig auf CD gebrannt, ansehlich in pdf-Form und damit durchaus am PC lesbar. In ein paar Jahren soll die digitale Strafakte ja Realität werden (Warten wirs ab). Druckt dann jeder Sachbearbeiter „sein“ Verfahren gesondert aus? Hoffentlich nicht, die Büros werden ja auch nicht größer.

    Den Verteidiger, der nicht digital einsehen kann (sprich keinen PC hat) möcht ich hingegen nicht haben, denn scheinbar hat er die letzten 20 Jahre nicht am technischen Fortschritt partzipiert. Da sind Rückschlüsse auf dessen berufliche Fort- und Weiterbildung nicht fern…

  3. A. Dittrich

    Bereits aus ökologischen Gründen werden umfangreiche Beiakten bei mir gescannt und nicht auf Papier kopiert.
    Letztlich ist es auch eine Verantwortung gegenüber dem Mandanten, unnötige Auslagen zu vermeiden. Schließlich weiß ich vornweg nicht, ob er mit einem Erstattungsanspruch aus der Sache rausgeht…
    Und auch am Bildschirm kann man gründlich lesen, nicht bloß „überschlägig“. Natürlich muß man den alten, flackernden Röhrenmonitor gegen einen modernen Flachbildschirm austauschen. Das ist aber bei der heute gängigen Arbeitsweise, die viel Internetrecherche u.dgl. erfordert, ohnehin anzuraten.

  4. dublette

    Logischerweise kann man die Kopierkosten bei Einführung der digitalen Akte abschaffen.

    Werden bereits jetzt Teile der Akten digitalisiert versandt, erschließt sich nicht, warum ein Ausdruck nötig ist. Vor einiger Zeit wurde ja in RA-Foren über einen Richter gemoppert, der darauf bestand, seine Registerakten auszudrucken. Das ging ja bis vors Richterdienstgericht.

    Auch hier gilt: Ein bisschen weniger Doppelmoral schadet nicht.

  5. Miraculix

    Ich will ja niemandem etwas unterstellen, aber bei 17.089 Blatt kommt doch der Verdacht auf einer Gelddruckmaschine auf …

  6. RA W. Sorge

    Man sollte die Sache doch ein wenig differenziert betrachten. Zwar habe ich auch PC -mit TFT-, Notebook und Tablet, aber meine EMAs habe ich wesentlich lieber in Papierform vor mir. Ich kann munter drin unterstreichen, auch und gerade die kleinen, im Scan nicht immer perfekt lesbaren handschriftlichen Anmerkungen der Ermittlungsbeamten oder der StA können ja Gold wert sein. Bei hohen fünfstelligen Kopien kommt man aber natürlich ins Grübeln. Sowas bremst den Bürobetrieb, und wenn es in elektronischer Form reinkommt, ok. Aber durchgehen sollte man es als Anwalt ja schon, und was gebraucht wird und was nicht, hat m.E. nur der Anwalt zu entscheiden. Denn nur der Anwalt ist ja auch im Zweifel in der Haftung wenn was nicht kopiert oder übersehen wird.Und bis die volldigitale Akte tatsächlich kommt reden wir wohl schon über Windows 12 😉

  7. Werner

    Ärgerlich macht hier nur der dreiste Betrugsversuch des Verteidigers – denn was sonst ist die Behauptung, 17.000 ausgedruckte Seiten TKÜ-Protokolle, die die Anklagevorwürfe gegen den eigenen Mandanten überhaupt nicht betreffen, gelesen zu haben?

  8. Detlef Burhoff

    Nur so viel: Woher wissen Sie, das der Verteidiger das nich gelesen hat? Und wenn das der Grund fuer die Ablehnung ist, sollte man den auch nennen uns sich nicht hinter anderen Gruenden verstecken. Zudem: Die geltend gemachten Gebuehren gibt es nicht fuer das Lesen der Unterlagen. Das muss man schon sauber trennen.

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