Archiv für den Tag: 4. April 2012

„Fernwirkung“ einer „informellen Absprache“?

Inzwischen vergeht kaum eine Woche, in der auf der Homepage des BGH nicht eine Entscheidung veröffentlicht wird, die sich mit der Verständigung/Absprache befasst. Das zeigt, welche praktische Bedeutung die (Neu)Regelung hat. Zu diesem Kreis gehört auch der BGH, Beschl. v. 22.02.2012 – 1 StR 349/11, der die Auswirkungen einer sog. „informellen Absprache“ mit einem Belastungszeugen behandelt. Das LG hatte den Angeklagten als Mitglied einer Bande wegen Diebstahls verurteilt und die Verurteilung auch auf Aussagen von Bandenmitglieder gestützt, die in einem anderen Verfahren bereits rechtskräftig verurteilt worden waren. Dort war es zu informellen Absprachen gekommen. Der Angeklagte hatte geltend gemacht, dass die Aussagen aus dem anderen Verfahren nicht verwertbar waren und das Urteil aus dem anderen Verfahren nicht hätte verlesen werden dürfen. Der BGH hat beides als zulässig angesehen.

Geschwindigkeitsmessung – mündliche Zulassung eines Messgerätes – geht das?

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Folgender Sachverhalt hat das AG Stuttgart und dann das OLG Stuttgart beschäftigt: Die PTB teilt der Eichdirektion Hessen am 29. 06.2010 mit, die Prüfungen der neuen Softwareversion 1.5.5 für das Überwachungsgerät Poliscan Speed seien erfolgreich abgeschlossen, weshalb der Zulassung dieser Software seitens der PTB nichts im Wege stehe. Die Zulassung werde in den nächsten Tagen erfolgen. Die Eichdirektion erstellte am 15.07 .2010 für das Gerät den Eichschein, mit dem die Eichung vom Vortage mit einer Eichgültigkeit bis Ende 2011 bescheinigt wurde. Die schriftliche Bauartzulassung des Messgerätes mit der neuen Softwareversion durch die PTB erfolgte am 21. 07. 2010. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass die Software vor der schriftlichen Bauartzulassung vom 21.072010 zuvor mündlich zugelassen worden sei, sodass der Eichschein am 15.07.2010 hätte erteilt werden dürfen. Es ist von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen. Der Betroffene hat das anders gesehen.

Das OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.02.2012 – 4 Ss 39/12 schließt sich dem AG an:

Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass damit kein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (St 39, 291) vorliegt. Im Zeitpunkt der Erteilung des Eichscheines waren die technischen Prüfungen durch die PTB abgeschlossen. Es stand fest, dass das Überwachungsgerät mit der neuen Softwareversion zugelassen würde. Die schriftliche Zulassung erfolgte dann auch knapp eine Woche nach Ausstellung des Eichscheines. Deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen, dass das Gerät den Anforderungen der Technik entsprach. Es ist unschädlich, dass die schriftliche Bauartzulassung am Tag der Ausstellung des Eichscheines noch nicht vorlag. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Eichgesetzes, die Messsicherheit zu gewährleisten und das Vertrauen in amtliche Messungen zu stärken (§ 1 Nr. 2 und 3 EichG). Dieser Zweck wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Zulassungsschein erst eine Woche nach der Eichung vorlag.

Darüber hinaus hat nach h. M. (OLG Jena VRS 115, 431 [435]; OLG Köln VRS 101, 140; a. A. Böttger in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Auflage, Rn. 660) ein Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EichG nicht zur Folge, dass die Messung im Bußgeldverfahren unverwertbar ist. Vielmehr ist lediglich ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen. Dies zeigt, dass für das Bußgeldverfahren die materielle Richtigkeit der Messung maßgebend ist. Wenn schon keine Unverwertbarkeit in dem Fall angenommen wird, in dem überhaupt keine Eichung vorliegt, so kann in Fällen wie dem vorliegenden, in dem feststeht, dass die Bauart zugelassen wird, aber der Zulassungsbescheid erst wenige Tage nach der Eichung vorliegt, erst recht von einer uneingeschränkten Verwertbarkeit ausgegangen werden. Eines Sicherheitsabschlages bedarf es nicht, da die Eichung materiell richtig war. Deshalb liegt trotz des formalen Mangels bei der Eichung ein standardisierten Messverfahren vor. Im Übrigen hätte der formale Mangel mit der erneuten Erteilung eines gleichlautenden Eichscheins nach Vorliegen der schriftlichen Bauartzulassung geheilt werden können.

Na ja, das kann man auch anders sehen.

Abstandsmessung – nichts Neues aus Bamberg, nur Klarstellung

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Das OLG Bamberg, Beschl. v. 22.02.2012 – 3 Ss OWi 100/12 bringt für die Abstandsmessung nichts Neues, sondern nur eine Klarstellung betreffend standardisierte Messverfahren, wenn es dort heißt:

Die Kriterien für die Einordnung als ‚qualifiziertes Messverfahren’ werden im Hin­blick auf Abstandsmessungen derzeit nur für das auch von der Polizei in Bayern ein­gesetzte sog. ‚Brückenabstandsverfahren VAMA mit Charaktergenerator CG-P 50 E‘ des Herstellers bzw. Zulassungsinhabers JVC/Piller, das diesem verwandte sog. ‚Brückenabstandsmessverfahren ViBrAM-BAMAS‘ des Herstellers bzw. Zulassungsinhabers Deininger und das sog. ‚Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem VKS 3.01‘ des Herstellers bzw. Zulassungsinhabers Vidit Systems GmbH erfüllt (vgl. hierzu sowie zu weiteren Einzelheiten die zusammenfassende Darstellung bei Burhoff (Hrsg.)/Gieg, Handbuch für das stra­ßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 108 ff., insbes. Rn. 119 ff., m.w.N. aus der Rspr.).“

Bei den Verfahren reicht es also, wenn im amtsgerichtlichen Urteil das Messverfahren und der zu Grunde gelegte Toleranzwert angegeben werden.