Archiv für den Tag: 15. März 2012

Jugendstrafe: Worauf ist zu achten?

Nichts Weltbewegendes, aber immerhin eine anschauliche Zusammenfassung der Grundsätze zur Verhängung von Jugendstrafe enthält der KG, Beschl. v. 17.02.2012 – 1 Ss 540/11 (336/11).

Danach „bemisst sich die Schwere der Schuld i.S.d. 5 17 Abs. 2 JGG nach dem Gewicht der Tat und der in der Persönlichkeit des Angeklagten begründeten Be­ziehung zu ihr. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d. h. inwieweit sich die charakterliche Hal­tung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des ju­gendlichen in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Die Schwere der Schuld ist nicht abstrakt messbar, sondern nur in Beziehung zu einer bestimmten Tat zu erfassen, so dass deren äußerer Unrechtsgehalt, insbesondere die Bewertung des Tatunrechts, die in den gesetzlichen Strafandrohungen ihren Aus­druck findet, nicht unberücksichtigt bleiben darf.  Demgemäß ist die Schwere der Schuld vor allem bei Kapitalverbrechen zu bejahen und wird daneben in der Regel nur bei anderen beson­ders schweren Taten in Betracht kommen (vgl. BGHSt 15, 224; BGH StV 1992, 325; Senat, a.a.O.; OLG Hamm StV 2011, 175). Eine derartige besonders schwere Tat hat das Landgericht jedoch nicht ausreichend festgestellt. Die Annahme der Schwere der Schuld hat es erkennbar lediglich auf die Gefährlichkeit der „schweren Gewalttat“ an sich gestützt. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht ohne ausreichende Berücksichtigung des Tatmotivs und des spontanen Tatentschlusses zu einseitig auf das in der Tathandlung zum Ausdruck kommende Tatunrecht abgestellt hat, was sich bei einem Jugendlichen als rechtsfehlerhaft erweist. Dies umso mehr, als das Gericht dem Angeklag­ten vorliegend – allerdings nicht durch Darlegung einer überprüfbaren Rückrechnung von Trinkmengenangaben – eine verminderte Schuldfähigkeit attestiert hat.

b) Hinzu kommt, dass Jugendstrafe nur verhängt werden darf, wenn und soweit dies aus erzieherischen Gründen auch zur Zeit der Urteilsfindung noch erforderlich ist. Dies gilt auch für die reine Schuldstrafe nach § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2CO3 – (4) 1 Ss 195/C3 (132/03) -). Die danach für die rechtsfehlerfreie An­wendung des § 17 Abs. 2 JGG unerlässliche zusätzliche Erörte­rung, ob die Verhängung von Jugendstrafe zur erzieherischen Einwirkung auf den geständigen Angeklagten geboten ist, ge­nügt den hieran zu stellenden Anforderungen nicht. …….“

Beweiswürdigung: Über eine DNA-Spur kommt man nur schwer hinweg…

DNA-Spuren sind immer verhältnismäßig „sichere BeweismitteL“ – ein Kollege sprach neulich von einem „todsicheren“ und meinte damit, dass damit das Verfahren „tot“  sei für den Angeklagten, die Verurteilung also sicher sei Jedenfalls liest man selten, dass Gerichte trotz DNA-Spuren frei sprechen. Das hatte das LG Kaiserslautern getan, dem der BGH im BGH, Beschl. v. 12.02.2012 – 4 StR 499/11 – allerdings bescheinigt hat, dass das rechtsfehlerhaft war, weil das LG die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt hätte. Der BGH führt u.a. aus:

„a) Die Erwägungen des Landgerichts, warum eine aktive Beteiligung des Angeklagten an der Tat vom 28. Juli 2009 trotz seiner eindeutigen Identifizierung als Spurenleger an einem am Tatort aufgefundenen 60 cm langen Klebe-band (Spur T06.06) nicht nachweisbar sei, lassen besorgen, dass es über-spannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass die DNA-Antragung bei einem Anlass erfolgt sei, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen zum Nachteil des L. stehe. Die DNA-Antragung befand sich an der gerissenen Seite des Klebebandes, während die andere Kante mittels eines Abrollers durchtrennt war. Aufgrund der generellen persönlichen Verflechtung des Angeklagten mit den Tätern bestehe die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte die Klebebandrolle im anderen Zusammenhang in der Hand gehabt habe. Selbst wenn sich die gerissene Kante bei Tatbeginn noch im Rolleninneren befunden hätte, könne die DNA-Antragung seitlich der späteren Abrisskante erfolgt sein. Hierfür spre-che, dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe getragen hätten, also darauf bedacht gewesen seien, keine Spuren zu hinterlassen……“

Und: Der BGH vermisst eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Das darf jetzt eine andere Strafkammer des LG Kaiserslautern nachholen.

Akteneinsicht im Bußgeldverfahren… auch in Bayern gibt es die Bedienungsanleitung

Über die Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – Umfang und Art und Weise – habe ich ja schon oft berichtet. Ist wirklich ein Dauerbrenner, wie mir auch die vielen Entscheidungen, die mir von Kollegen übersandt werden, zeigen. Dafür an dieser Stelle herzlichen Dank.

In die Schar derjenigen, die Akteneinsicht ohne Einschränkungen gewähren, hat sich nun auch das AG Bamberg eingereiht, nachdem es neulich erst in einem Beschluss die Akten an die Verwaltungsbehörde gem. § 69 Abs. 5 OWiG zurückgegeben hatte (vgl. hier). Jetzt heißt es im AG Bamberg, Beschl. v. 02.03.2012 – 14 OWi 2311 Js 13450/11:

„Soweit der Verteidiger die Vorlage konkreter Beweismittel wie den Eichschein, die Lebensakte des Messgeräts, Schulungsnachweise des Messbeamten und die Bedienungsan­leitung des Messgeräts beantragt, sind diese Unterlagen dem Verteidiger zugänglich zu ma­chen.

Dies gilt auch, wenn diese Gegenstände noch nicht Teil der Gerichtsakte sind, sondern sich in behördlicher Hand befinden. 

Der Verteidiger darf nicht darauf verwiesen werden, die Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung der technischen Messgeräte nach vorheriger Absprache bei einr Verwaltungs-/Polizeibehörde einzusehen bzw. diese gegen Bezahlung beim Hersteller dieser Geräte anzu­fordern.

Geht doch.