Archiv für den Tag: 14. März 2012

Sichverschaffen/Besitz kinderpornografischer Schriften – eingezogen wird nur die Festplatte!!!!

Manchmal ist man überrascht über die Ergebnisse, die Revisionsverfahren haben. Der Angeklagte ist vom LG wegen des Sichverschaffens kinderpornografischer Schriften verurteilt worden. Außerdem ist sein Laptop eingezogen worden. Letzteres beanstandet der BGH, Beschl. v. 08.02.2012 – 4 StR 657/11 als rechtsfehlerhaft:

„2.  Die allein auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützte Einziehung des Laptops des Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Bei einer Verurteilung gemäß § 184b Abs. 4 StGB wegen Sichverschaffens oder Besitzes kinderpornographischer Schriften sind nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB nur die Beziehungsgegenstände der Tat zwingend einzuziehen. Wurde das Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften – wie hier im Fall II. 3 der Urteilsgründe – durch das Herunterladen und Abspeichern von Bilddateien auf einem Computer begangen, unterliegt daher lediglich die als Speichermedium verwendete Festplatte der Einziehung nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB. Dagegen ist eine Einziehung des für den Lade- und Speichervorgang verwendeten Computers nebst Zubehör nur nach § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB als Tatwerkzeug möglich (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 2 a.E.; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20). Die Entscheidung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dies hat das Landgericht nicht beachtet.

Zudem hat das Landgericht übersehen, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch bei einer auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützten Einzie-hung von den Möglichkeiten des § 74b Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 3). Danach hat der Tatrichter anzuordnen, dass die Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger ein-schneidende Maßnahmen zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann. Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20). Feststellungen dazu, ob es technisch möglich ist, diese Dateien in einer Weise von der Festplatte zu löschen, dass ihre Wiederherstellung nicht mehr möglich ist, hat das Landgericht nicht getroffen.

So weit also Aufhebung und Zurückverweisung. Aber auch so gut?. Den Angeklagten wird im Zweifel diese juristische Finesse wenig(er) interessieren. Denn seine Revision ist im Übrigen weitgehend verworfen worden. Und damit ist auch die angeordnete Sicherungsverwahrung rechtskräftig.

Auf freien Fuß gesetzt? Dann aber auch nix wie weg…

Zwei gestern auf der Homepage des BGH veröffentlichte Beschlüsse befassen sich mit dem Grundsatz der Spezialität und einem bei dessen Verletzung sich daraus ggf. ergebenden Verfahrenshindernis. Es ist einmal der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehene BGH, Beschl. v. 09.02.2012 – 1 StR 148/11– und der BGH, Beschl. v. 09.02.2011 – 1 StR 152/11, den ich bereits in anderem Zusammenhang erwähnte hatte.

In beiden Fällen waren die Angeklagten aus der Schweiz wegen bestimmter Straftaten ausgeliefert worden., so dass wegen der im Haftbefehl genannten Taten der Spezialitätsgrundsatz eingriff. Später wurden die Angeklagten auf freien Fuß gesetzt und sind dann in der Bundesrepublik geblieben. Damit galt – so der Leitsatz 2 des BGH-Beschlusse:

Ist der Ausgelieferte mit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils auf freien Fuß gesetzt worden, entfällt die Spezialitätsbindung gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk dann, wenn er – obwohl er über die Rechtsfolgen dieser Vorschrift informiert worden ist und die Möglichkeit einer Ausreise hatte – nicht innerhalb von 45 Tagen die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat oder wenn er nach dem Verlassen Deutschlands dorthin zurückgekehrt ist.“

Also, wenn auf freien Fuß, dann nichts wie weg…..

 

Da kann man schön abschreiben – Umgrenzungs-/Informationsfunktion der Anklage

Es gibt ja immer wieder auch BGH-Beschlüssem die „bringen es auf den Punkt“. Sehr schön zur Frage der Abgrenzung der Umgrenzungsfunktion der Anklage von der sog. Informationsfunktion und zu den Folgen bei Fehlern der BGH, Beschl. v. 09.02.0212 – 1 StR 152/11, ergangen in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Da war offenbar die Wirksamkeit der Anklage ein Thema.

Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.

1. Der Eröffnungsbeschluss genügt den an ihn zu stellenden inhaltlichen Anforderungen.

Die Anklageschrift, an die der Eröffnungsbeschluss anknüpft, erfüllt noch ihre Funktion, die hier angeklagten Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer ausreichend zu umschreiben (vgl. zu den Anforderungen an die Darstellung in der Anklageschrift beim Vorwurf der Steuerhinterziehung BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 StR 665/08, NStZ-RR 2009, 340; siehe auch Weyand in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 385 AO Rn. 19 ff.).

a) Eine Anklage ist dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel dazu führen, dass die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion nicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 – 1 StR 194/11 mwN). Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (vgl. u.a. BGH, Urteile vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11 und vom 2. März 2011 – 2 StR 524/10; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 481/07, jeweils mwN); insoweit können Fehler auch noch in der Hauptverhandlung durch Hinweise entsprechend § 265 StPO geheilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NJW 2010, 308 mwN).

Genügt der Anklagesatz den Anforderungen an die Wahrung der Umgrenzungsfunktion für sich allein nicht, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Verdeutlichung und ergänzenden Erläuterung des Anklagesatzes herangezogen werden (BGHSt 46, 130, 134; BGH NStZ 2001, 656, 657; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Schneider in KK-StPO, 6. Aufl., § 200 StPO Rn. 30). Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest die Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Fehlende Angaben im Anklagesatz können dann aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnommen werden, wenn sie dort eindeutig benannt sind und daraus deutlich wird, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft hierauf erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NJW 2010, 308 mwN).“

Kann man schön abschreiben/übernehmen für das Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl.