Archiv für den Monat: März 2012

Sechser im Lotto – die zulässige Verfahrensrüge

Mal wieder mit der nicht ausreichenden Begründung von Verfahrensrügen befasst sich der BGH, Beschl. v. 22.02.2012 – 1 StR 647/11, und zwar im wesentlichen mit der Begründung der Verfahrensrügen, mit denen die fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen gerügt wird.

Der BGH hat sie als unzulässig angesehen, und zwar:

die 1. Rüge, weil nicht alle Verfahrenstatsachen vorgetragen waren:

Rügt der Revisionsführer die Verletzung des Beweisantragsrechts, muss er – neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbe-schluss – auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfah-renstatsachen vollständig vortragen (BGHSt 37, 168, 174; Kuckein in Karlsru-her Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38, 43 mwN). Der Revisionsführer  hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag – bei identischem Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut – unter Ziffer 6 eines Schriftsatzes vom 3. September 2011 erneut gestellt und im Hauptverhandlungstermin vom 5. September 2011 neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch notwendig gewesen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil – anders als beim Nachschieben von Ablehnungsgründen in den schriftlichen Urteilsgründen (dazu BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2000, 437, 438) – der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann. ...“

die 2. Rüge, mit der die Nichteinhaltung einer von der Kammer konstatierten Wahrunterstellung gerügt worden ist,

weil zwar der Ablehnungsbeschluss der Jugendschutzkammer vom 5. September 2011 mitgeteilt wird, vom zugrunde liegen-den Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2011 jedoch nur Beweisbehauptung und Beweismittel, nicht aber die zum Verständnis des Antrags bedeutsame Antragsbegründung. Zwar kann der Umfang des notwendigen Vortrages – insbesondere zum Beweisantrag – beim Vorwurf der Nichteinhaltung einer Wahrunterstellung je nach Angriffsrichtung der Rüge divergieren; bei der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts ist die (vollständige) Mitteilung des Beweisantrages jedoch erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1983 – 2 StR 222/83, BGHSt 32, 44, 46).

und die 3. Rüge, mit der die Ablehnung mehrerer, auf eine psychologische Begutachtung der Zeugen P. , S. und K. sowie auf eine psychiatrische Begutachtung des Zeugen K. gerichteter Beweisanträge geltend gemacht worden ist,

weil nicht mitgeteilt wird, ob die Zeugen oder gegebenenfalls deren gesetzliche Vertreter (vgl. dazu Senge in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 8) sich mit einer solchen Untersuchung einverstanden erklärt haben. Ohne Einverständniserklärung wären die beantragten Untersuchungen bereits wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen gewesen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. September 1990 – 5 StR 184/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 5; Beschluss vom 25. September 1990 – 5 StR 401/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 6).

Man sieht mal wieder: Es ist schon fast ein Sechser im Lotto, wenn man eine Verfahrensrüge ausreichend begründet ist, na ja, zumindest Fünf mit Zusatzzahl

Besserer Schutz des Pressefreitheit in StGB und StPO

Aus den „Eilnachrichten“ von WoltersKluwer habe ich die nachfolgende Meldung zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht – gerade noch rechtzeitig, um die Änderungen in die 6. Auflage des Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren“ einbauen zu können.

© Marcito - Fotolia.com

„Kritische Recherche von Medienvertretern besser geschützt – Bundestag stärkt Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht

Gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen hat der Bundestag am 29.03.2012 einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (17/3355) auf Empfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/9199) angenommen. Um kritische Recherche von Medienvertretern besser zu schützen wurde beim Straftatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach § 353b des Strafgesetzbuches die Rechtswidrigkeit von „Beihilfehandlungen“ ausgeschlossen, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses, des Gegenstandes oder der Nachricht beschränken, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht. strafprozessuale Ermittlungen werden auf das für eine effektive Strafverfolgung Erforderliche beschränkt, auch um Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden.

Der Bundestag erweiterte die Bestimmungen zur Beschränkung von Beschlagnahmen nach Paragraf 97 Absatz 5 der Strafprozessordnung bei Medienangehörigen, die zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind. Bei Enthaltung der SPD und gegen das Votum von Linksfraktion und Grünen lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf der Grünen zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (BT-Drs. 17/3989) ab. Danach sollten Beihilfe und Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses für Medienangehörige straffrei bleiben. Auch wollten die Grünen die Anforderungen an die Anordnung einer Beschlagnahme und einer Durchsuchung erhöhen.

Weitere Beiträge zum Gesetzgebungsverfahren:
28.03.2012 Rechtsausschuss will Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht stärken
27.01.2012 Entwürfe zur Stärkung der Pressefreiheit werden im Rechtsausschuss unterschiedlich bewertet
07.01.2011 BRAK und DAV lehnen in gemeinsamer Stellungnahme Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht ab
03.12.2010 Besserer Schutz der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legt entsprechenden Gesetzentwurf vor
28.10.2010 Beihilfe zum Geheimnisverrat entfällt für Journalisten unter gewissen Umständen
25.08.2010 Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit

Zinskosten abziehen, fiktive Mieteinnahmen addieren = Nettoeinkommen.

Das OLG Celle, Beschl. v. 30.11.2011 – 32 Ss 147/11 befasst sich mit der Ermittlung des zutreffenden Nettoeinkommens für die darauf beruhende Ermittlung des Tagessatzes bei der Geldstrafe. Die Angeklagte bezog eine monatliche Rente von 750,– Euro und erzielte aus der Vermietung einer in einem ihr gehörenden Zweifamilienhaus gelegenen Wohnung eine monatliche Miteinnahme in Höhe von 250,– Euro. Die zweite in diesem Haus gelegene Wohnung stand der Angeklagten zwar an sich zur Eigennutzung zur Verfügung. Tatsächlich nutzte sie diese Wohnung aber nicht, sondern wohnte mietfrei in der Wohnung ihres Lebengefährten. Das AG ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.000 € ausgegangen.

Das OLG Celle sagt: Zutreffend errechnet; denn:

  1. Zinskosten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Immobilie, durch deren Vermietung Mieteinkünfte erzielt werden, sind bei der Bestimmung des Nettoeinkommens (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB) als negative Einkünfte in Abzug zu bringen.
  2. Die unentgeltlich Nutzung einer Wohnung ist grundsätzlich als Sachbezug in der Höhe der fiktiven Mietkosten als Einkommen zu berücksichtigen.

Das bedeutet, dass das OLG offenbar wie folgt rechnet: 750 € Rente + 250 € Miete – 500 € Zinsen + 500 € mietfreies Wohnen = 1.000 €. Allerdings passt das nur, wenn man von einem Sachwert, den das mietfreie Wohnen in H. (wahrscheinlich Hannover) hat, auch mit 500 € ansetzen kann.

Ich hoffe, dass ich jetzt keinen Rechenfehler gemacht habe: Judex non calculat. 🙂

„Unfallflucht“ – schwere Folgen führen zu höherer Strafe

Strafzumessung beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB). Damit befasst sich der OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.11.2011 – 3 Ss 356/11, der ja auch schon verschiedene andere Blos zu einem Posting veranlasst hat. Das LG hatte in seinem Urteil die Schwere des Unfalles und seine Folgen bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. Das OLG hat das nicht beanstandet, was m.E. zutreffend ist, wenn der Angeklagte die schweren Folgen erkannt hat. Und: Das OLG weist darauf hin, dass die frühere Rechtsprechung, wonach, wenn bei dem Unfall ein Mensch schwer oder gar tödlich verletzt worden war, regelmäßig ein besonders schwerer Fall i. S. des § 142 Abs. 3 StGB a.F. vorlag, für die Strafzumessung auch nach der Neufassung des § 142  StGB durch das 13. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.6.1975 (BGBl I, S. 1349) weiterhin von Bedeutung ist

Dazu: Bis zur Neufassung des § 142 StGB aufgrund des 13. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 13. Juni 1975 (BGBl. I 1975 S. 1349) war zudem anerkannt, dass in Fällen wie hier, in denen der Täter erkannte, dass bei dem Unfall ein Mensch schwer oder gar tödlich verletzt worden war, regelmäßig ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 142 Abs. 3 StGB a.F. vorlag (vgl. BGHSt 12, 253, 256; 18, 9, 12; BGH VRS 17, 185; 22, 271, 273; 22, 276, 278; 27, 105; 28, 359, 361; 33, 108). Diese Rechtsprechung ist für die Strafzumessung weiterhin von Bedeutung (vgl. Sternberg-Lieben aaO Rn. 87; Kudlich aaO; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 21. Aufl. § 142 StGB Rn. 38; a.A. Zopfs in MünchKomm-StGB § 142 Rn. 134). Gerade wegen des Wegfalls des § 142 Abs. 3 StGB, der eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vorsah, hielt es der Gesetzgeber für Fälle besonders verwerflicher Handlungsweise und deren sozialethischer Einordnung – wobei nach dem Kontext der Gesetzesmaterialen diejenigen Fälle gemeint sind, in denen der Täter die Verkehrsunfallflucht gegenüber einem schwerverletzten Unfallbeteiligten begeht – für angezeigt, das Höchstmaß der Strafdrohung des § 142 Abs. 1 StGB von zwei auf drei Jahre anzuheben (vgl. BT-Drs. 7/2424 S. 9 unter 6. a.E.; dies übersieht Zopfs aaO, dort Fußn. 534, mit insoweit unzutreffendem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Danach hat er für diese besonders schwerwiegenden Fälle des unerlaubten Entfernens vom Unfallort bewusst einen Bereich eröffnet, in dem eine etwa zu verhängende Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Zorn gegen „Uhu-Blitzer“

© lassedesignen - Fotolia.com

Es gibt Blitzer zum Schutz von Geschwindigkeitsbeschränkungen, zum Lärmschutz, an Kindergärten, an Schulen, OK, das hat man, habe ich, gewusst. Dass es aber auch – zumindest – einen Blitzer zum Schutz von Uhus gibt, das war mir neu.

Darüber wird heute in der Tagespresse berichtet, vgl. u.a. hier und hier. Ein Betroffener klagt jetzt gegen den Blitzer. Nicht ganz klar wird in dem Artikel wo: Verwaltungsgericht oder ist gemeint, im Rahmen des Bußgeldverfahrens. Jedenfalls darf man gespannt sein, was daraus wird. Sicherlich ein Verfahren, das nicht erstinstanzlich enden wird.

Und: Man wird sich sicherlich auch Gedanken darüber machen können/müssen, ob die Aufstellung eines Blitzers zu diesen Zwecken von der StVO/dem StVG gedeckt ist.