Keine Geheimgespräche zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft – Karten müssen auf den Tisch

Folgende Verfahrenskonstellation führt im BGH, Beschl. v. 29.11.2011 – 1 StR 287/11 zu einem „Hinweis“ des BGH für die neue Hauptverhandlung, in der erneut über einen Raubversuch zu verhandeln ist, nachdem der BGH den Freispruch des LG aufgehoben hat:

Der BGH geht von folgenden Ausführungen im LG-Urteil aus:

„Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gespräche mit der Staatsanwaltschaft verwiesen, „in die das Gericht bewusst nicht einbezogen … und über deren Inhalt … Stillschweigen vereinbart worden sei“. Der Angeklagte wolle bald aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Zumal, da der Staatsanwalt (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, nach der bisherigen Beweisauf-nahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährlicher Kör-perverletzung in Betracht, sei, so folgert die Strafkammer, insgesamt eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft „eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt“ habe. Es liege daher nicht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen sich entsprechend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gemacht habe. „

Hierzu bemerkt der 1. Strafsenat:

„(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet werden, jedoch ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen. Das Transparenzgebot kennzeichnet das Verfahren über eine Verständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend auch Niemöl-ler/Schlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn. 49 ff. mwN, auch aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie sich aus einer Reihe von Be-stimmungen über hieraus erwachsende Pflichten des Gerichts ergibt (vgl. § 202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO, § 257c Abs. 3 StPO, § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
Eine spezielle gesetzliche Regelung für nur zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Rahmen des (Zwischen- oder) Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche, die letztlich das Ziel haben, die Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es nicht. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbetei-ligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte Gespräche aktenkundig zu machen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c angestrebt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160b Rn. 8).
All dies spricht dafür, dass auch derartige Gespräche offen zu legen sind, zumal das Gericht sonst nach solchen Gesprächen abgegebene Erklärungen des Angeklagten nicht auf umfassender Grundlage würdigen könnte. Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn solche Gespräche bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen anschließende Aussagen dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. BGHSt 52, 78, 83; 48, 161, 168). „

Also: Karten auf den Tisch.

Nachsatz: Überschrift war zunächst: „…Verteidigung und Angeklagtem“ – was natürlich Quatsch war; das kommt dabei heraus, wenn man so früh postet :-). Ich habe es auf den Hinweis des Kollegen dann jetzt richtig gestellt :-).

3 Gedanken zu „Keine Geheimgespräche zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft – Karten müssen auf den Tisch

  1. meine5cent

    Da hat der BGH, wie es in Bayern so schön heißt, in Richtung der Kammer einen
    „Watschenbaum umfallen“ lassen. Liest sich nicht so nett, auch zur StA und der Postkarte als Waffe (Rdnr. 34,39).

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