Gebührenfrage: Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren?

Es gibt ja nicht nur auf meiner HP www.burhoff.de ein gebührenrechtliches Forum, sondern es gibt ja auch das Forum bei HeymannsStrafrecht. Dort its in der „Abteilung“ RVG vor einigen Tagen folgende Frage diskutiert/gestellt worden:

Hallo, kurzer Sachverhalt:

In einem (zunächst) umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren lässt mein Mandant im Ermittlungsverfahren „die Hosen runter“ und benennt die Haupttäter.

Der zuständige Staatsanwalt ruft mich an und wir einigen uns auf einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten, bei dem ich ihm zusage, mit dem Mandanten zu reden, dass hiergegen kein Einspruch eingelegt wird. Dies sage ich ihm zu. Außerdem werde ich schon zuvor zum Pflichtverteidiger beigeordnet.

Wir erhalten den vereinbarten Strafbefehl und nach Rücksprache mit dem Mandanten wird dieser rechtskräftig; wir legen also keinen Einspruch ein.

Ich bin der Meinung, dass die Gebühr 4141 VV RVG angefallen ist (zumindest in analoger Anwendung) oder täusche ich mich? Das Gericht möchte mir diese nämlich nicht geben. “

 

Ich habe darauf geantwortet:

Hallo …..,
Sie befinden sich in guter Gesellschaft :-): Ich meine es auch. Allerdings ist die Frage bisher noch nicht entschieden. Sie finden dazu etwas im RVG-Kommentar, dessen 3. Aufl. jetzt (hoffentlich endlich) in den nächsten Tagen kommt.Ich zitiere – aber nicht weiter sagen 🙂 – daraus schon mal, und zwar die Rn. 34 zu Nr. 4141 VV RVG

„Ebenfalls nicht geregelt ist die Frage, ob die Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV entsteht, wenn der Verteidiger sich mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht im Rahmen eines „Deals“ darüber einigt, dass ein Strafbefehl ergehen soll, der vom Mandanten anerkannt wird, sodass kein Einspruch eingelegt wird. Auch in diesen Fällen wird eine Hauptverhandlung vermieden, sodass vom Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV ebenfalls eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu bejahen ist (Ge-rold/Schmidt/Burhoff, VV 4141 Rn. 30; vgl. auch die Vorschläge zur strukturellen Änderung bzw. Ergänzung des RVG in Nr. 11a, s. AnwBl. 2011, 120, 121). Der Fall ist von der Interessenlage zudem vergleichbar mit der Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV im Bußgeldverfahren. Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden vergleichbaren Fälle ist nicht ersichtlich (zu Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV s. dort die Komm. bei Rn. 22 ff.).

Der gemeinsame Vorschlag der BRAK und des DAV zur Änderung des RVG (u.a. RVGreport 2011, 81) sieht Ergänzungen der Nr. 4141 VV um eine Ziff. 5 vor, in der die o.a. Streitfälle dahin geregelt werden sollen, dass die Nr. 4141 VV RVG entsteht (vgl. AnwBl. 2011, 120, 121).“:

Rechtsprechung zur analogen Anwendung der Nr. 4141 VV RVG gibt es, allerdings zu anderen Fragen. Ist teilweise nicht günstig :-(. Schauen Sie mal bei:
Ungünstig:
OLG Frankfurt, NStZ-RR 2008, 360 (Ls.) = AGS 2008, 487 = RVGreport 2008, 428 = VRR 2009, 80 = StRR 2009, 159 = RVGprofessionell 2009, 139;
OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 360 (Ls.);
LG Darmstadt, 25.06.2008 – 3 Qs 279/08

günstig:
AG Darmstadt, AGS 2008, 344 = VRR 2008, 243 (Ls.) = StRR 2008, 243 (Ls.);
AG Köln, RVGreport 2008, 226 = AGS 2008, 284 = RVGprofessionell 2008, 135 = StRR 2008, 240 = VRR 2008, 239

Eine Gesetzesänderung ist an der Stelle m.E. wirklich erforderlich und kommt hoffentlich.

 

11 Gedanken zu „Gebührenfrage: Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren?

  1. RA Lustig

    Beim nächsten mal einfach den Mandanten persönlich Einspruch einlegen lassen und diesen für den Mandanten zurücknehmen. In der Begründung des Kostenfestsetzungsantrag dann schreiben, daß der Mandant sich nur nach mehrfacher eingehender anwaltlicher Beratung davon überzeugen ließ, den Einspruch zurückzunehmen und darauf zu verzichten, 48 Zeugen vernehmen zu lassen. Schon ist die Gebühr entstanden… 😉 Oder zumindest dem Mandanten einen Vorschuß aus der Tasche leiern, der gerade so bemessen ist, daß keine Anrechnung auf die Pflichtverteidigervergütung stattfindet. Aber sich nicht vom Gericht so über den Tisch ziehen lassen.

  2. insider

    Wie wäre es bei der ganzen scheinbaren Lächerlichkeit der Angelegenheit mal über die Verfassungsmäßigkeit des Strafbefehls wegen Verstoßes gegen Art. 103 GG ( den es in dieser Form nur weltweit in der Bundesrepublik Deutschland gibt ) und dessen gleichzeitigem Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 UN-Resolution 217A und Art. 6 EMRK nachzudenken und hier sich dem Grundgesetz verpflichtet zu verwenden, anstatt der persönlichen Geldgier zu frönen?

    Die Expertise zur Frage der 62jährigen Verfassungswidrigkeit des Strafbefehls gemäß § 407 StPO findet sich hier: http://causa-lenniger.grundrechtepartei.de/wp-content/uploads/2011/09/Strafbefehl_01_09_20111.pdf

  3. Georg

    @Insider

    Sehr überzeugende „Expertise“. Schriftstücke, die überwiegend aus Fettdruck und Unterstreichungen bestehen, wirken immer ein wenig querulatorisch. Nach einem Richter klingen die Ausführungen auch nicht. Scheint eher ein Kampfrichter beim örtlichen Turnverein gewesen zu sein…

  4. Werner

    @ Georg
    Können Sie bitte konstruktive Argumente zu dieser sehr interessanten Expertise vorbringen. Denn ich sehe die Fettmarkierungen als willkommende Hilfestellung, auf die wichtigen und relevanten Worte hinzuweisen. Juristen, die gegen stichhaltige Argumente nur mit „querulatorisch“ argumentieren, sind mir suspekt. Deshalb bitte ich höflich, um eine Gegen-Expertise, in der die Argumente aus der Expertise stichhaltig widerlegt werden.

  5. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Kommentare sind sicherlich erwuenscht, aber sie sollten auch zu dem Beitrag passen. Und hier geht es um eine Gebuehrenfrage und nicht um die verfassungsrechtliche Zulaessigkeit de StB-Verfahrens.

  6. Rainer Allmaier

    @Georg: Haben Sie auch Argumente zum Thema oder sind Sie selbst eher querulatorisch veranlagt? Was hat denn Fettschrift mit dem Inhalt zu tun?

    @Insider: Die Expertise enthält einen sehr interessanten Gedankengang, wonach, unter Berücksichtigung der Argumentation (eines, wie recherchiert, ehemaligen Strafrichters) demnach das Grundrechte gem. Art. 103 GG durch den Strafbefehl in Frage steht.

    @Hr. Burhoff: Stünde nicht im Gegensatz zu Ihrer Ansicht im Falle der (gesetzlich jederzeit überprüfbaren) Richtigkeit der Expertise nicht eben diese Gebührenfrage ebenfalls in Frage, oder sehen Sie die o.a. Gebühr unabhängig von dem zur Gebühr führenden Strafbefehl, dessen Verfassungsmäßigkeit hier zumindest durch die Expertise in Frage gestellt wird?

  7. Werner

    Sehr geehrter Herr Burhoff,
    aber es kann/darf doch nicht für ein vermeinlich verfassungswidriges und menschenrechtswidriges Strafbefehlsverfahren eine „Gebühren-Diskussion“ geben. Es können/dürfen doch keine Gebühren berechnet werden, für ein Strafbefehlsverfahren, was nach rechtsstaatlichen Gründsätzen garnicht existieren kann und darf. Ihre Argumentation, Herr Burhoff bei allem Respekt, erinnert an die Argumentation in „Des Kaisers neue Kleider“. Ich soll Gebühren für etwas zahlen, was eigentlich gar nicht vorhanden sein darf? Warum geht denn niemand, auch Sie nicht, Herr Burhoff, auf die Argumente in der betreffenden Expertise ein? Sie haben ja meine Emailadresse, Herr Burhoff. Mailen Sie mir doch einfach Ihre Argumente, warum die Expertise – Ihrer Meinung nach – Fehler enthält und welche Fehler sie enthält. Der § 1 Abs. 3 der BORA zwingt Anwälte Richter auf verfassungswidrige Zustände hinzuweisen. Insofern ist eine detaillierte Gegen-Expertise für mich von ausserordentliche Relevanz. Den § 1 Abs. 3 der BORA nachfolgend:

    „Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern.“

  8. Rainer Allmaier

    Gegenfrage: Warum soll die Arbeit eines RA auf Grund eines u.U. verfassungswidrigen Strafbefehls überhaupt honoriert werden, wo er doch nach § 1 Abs. 3 BORA den Mandanten vor Verfassungswidrigkeit zu schützen hat?

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