Archiv für den Tag: 27. Oktober 2011

Freiwillig in der Therapie – nicht auf freiem Fuß?

Die Frage, ob der Verteidiger des Mandanten, der sich freiwillig in einer stationären Therapie befindet, den sog. Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG beanspruchen kann, ist umstritten. Ich meine, dass ist möglich und vertrete das auch so in Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldverfahren, 3. Aufl. 2011, Vorbem. 4 VV Rn. 88 (vgl. zu dem neuen Buch hier). Von der h.M. wird das anders gesehen.

Dazu zählt auch der Beschl. des LG München v. 08.01.2008 – 1 Ws 1/08, auf den ich über eine Diskussion im Rechtspflegerforum aufmerksam geworden bin und den ich mir dann beim OLG München besorgt habe. Das OLG hat ihn mir komplikationslos gefaxt. Hätte ich gar nicht mit gerechnet.

Beschluss ist schon etwas älter, aber aus „Fairnessgründen“ sollte man auch über ihn berichten. Das Argument mit den anderen Krankenhäusern liest sich ja ganz gut, ist m.E. aber nicht durchgreifend, weil die Folgen, wenn ich ein Krankenhaus verlasse, strafverfahrensrechtlich nicht so schwerwiegend sind, wie ein Therapieabbruch. Aber: Die h.M. sieht es anders. Muss man mit leben und ist ja auch nicht eine so ganz wesentliche Frage.

Kein Familienbetrieb LG/BGH? :-)

Auf der Homepage des BGH ist erst heute (man fragt sich warum) BGH, Beschl. v. 26.05.2011 – 5 StR 165/11 eingestellt worden, der sich mit einer Ablehnungsfrage befasst. Der Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. [Basdorf?] hatte gemäß § 30 StPO angezeigt, dass seine Tochter im Verfahren vor dem LG Hamburg als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft tätig war. Dazu der Senat:

Der Angeklagte hat sich zu dem angezeigten Umstand nicht geäußert. Mit dem Generalbundesanwalt erkennt der Senat keinen Grund anzunehmen, dass der Vorsitzende Richter wegen der Mitwirkung seiner Tochter eine Haltung einnehmen könnte, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 24 Rn. 8 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung betrifft das von unabhängigen Richtern erlassene Urteil des Landgerichts. Welcher Sitzungsstaatsanwalt am Verfahren mitgewirkt hat, ist hierbei in der Regel ohne Bedeutung und vermag deshalb die Einstellung des das Urteil prüfenden Revisionsrichters nicht zu beeinflussen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Mai 1998 – 1 StR 171/98 zum ähnlichen Fall eines Bruders eines Senatsvorsitzenden, der als Nebenklägervertreter im Ausgangsverfahren tätig geworden war).

Also: Kein Familienbetrieb. Allerdings m.E. auch richtig. Denn die Tochter war nur Staatsanwältin im Ausgangsverfahren

Ohne Verteidiger – Rechtsmittelverzicht unwirksam

Das OLG Naumburg, Beschl. v.19.09.2011 – 2 Ws 254/11 befasst sich mit einer die Praxis immer wieder beschäftigenden Frage, nämlich der Wirksamkeit des unverteidigten Angeklagten in den Fällen der notwendigen Verteidigung. Das OLG sieht diesen Verzicht als unwirksam an und erteilt damit den Stimmen in der Rechtsprechung eine Absage, die für die Annahme von Unwirksamkeit noch weitere Umstände erfordern. Dabei gibt er sogar frühere entgegenstehende Rechtsprechung des OLG Naumburg auf, wenn es heißt.

Zwar kann ein Rechtsmittelverzicht als Prozesshandlung grundsätzlich nicht widerru­fen, angefochten oder sonst zurückgenommen werden. Indes ist die Verzichtserklärung unwirksam, wenn im Falle notwendiger Verteidigung kein Verteidiger mitgewirkt hat, weil sich der Angeklagte nicht mit einem Verteidiger beraten konnte, der ihn vor über­eilten Erklärungen hätte abhalten können (Meyer-Goßner, a.a.O., § 302 Rn. 25a m.w.N. zur Rspr.). Der hiervon abweichenden Ansicht, in solchen Fällen setze die Un­wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts zusätzlich besondere Umstände voraus, auf­grund derer Bedenken bestehen, dass der Angeklagte sich der Bedeutung und der Tragweite seiner Erklärung bewusst gewesen ist (OLG Hamburg, NStZ 1997, 53, 54; OLG Brandenburg, StraFo 2001, 136), ist entgegenzuhalten, dass § 140 Abs. 2 StPO nicht nur vor, sondern auch nach der Urteilsverkündung Bedeutung hat (KG, NStZ-RR 2007, 209; OLG Hamm, StV 2010, 67; Meyer-Goßner a.a.O.). Der in einer früheren Entscheidung vertretenen Ansicht des 1. Senats des Oberlandesgerichts Naumburg (NJW 2001, 2190) folgt der Senat aus dem genannten Grund nicht.“

Dass die Voraussetzungen für die Annahme notwendiger Verteidiger vorlagen – Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung – lag m.E. auf der Hand. Das ist ja nun schon was. Von daher verstehe ich das AG nicht, warum man den Rechtsmittelverzicht in einer solchen Situation überhaupt entgegen nimmt. Wenn schon kein Verteidiger, dann aber zumindest Abwarten und dem Angeklagten die Gelegenheit geben, sich seine Entscheidung zu überlegen.

Als „neuer“ Verteidiger muss man solche Entscheidungen auf dem berühmten „Schirm haben“. Der unwirksame Verzicht hat nämlich zur Folge, dass die Revision durchgeführt werden kann und auch wohl erfolgreich sein wird.

Die Gefährlichkeit des Radfahrens… Helm mit Rußfilter?

Dass Radfahren gefährlich ist – nicht nur in Münster – beweisen die polizeilichen Unfallstatistiken. Eine Londoner Untersuchung, über die die „Westfälischen Nachrichten“ heute morgen berichten (vgl. hier), weist jetzt aber auch noch auf einen anderen Aspekt hin, nämlich, dass sich in den Lungen von Radfahrern, die regelmäßig in größeren Städten unterwegs sind, eine deutlich höhere Konzentration an Rußpartikeln befindet als in den Lungen von Fußgängern.

Abhilfe soll durch eine noch deutlichere Trennung von Auto- und Radverkehr und noch mehr Radfahrstraßen geschaffen werden. Also nicht gleich ein Helm mit Rußfilter (zur Helmpflicht hier). Wundert mich, dass der Bundesverkehrsminister noch nicht auf die Idee gekommen ist. Aber, was nicht ist, kann ja noch werden.