Sippenhaft?

Liest man OLG Celle, Beschl. v. 25. 07. 2011 – 31 Ss 30/11 stellt sich schnell die Frage: Gibt es im Strafrecht eine vermögens-/einkommensrechtliche Sippenhaft?

Das AG hatte den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt. Tagessatzhöhe 30 €. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen hatte das AG festgestellt,  dass der Angeklagte als selbständiger Gas- und Wasserinstallateurmeister einen Nettoverdienst von lediglich 500 € monatlich, seine Ehefrau einen monatlichen Net­toverdienst von ca. 1300 € erzielt. Zur Berechnung der Tagessatzhöhe hatte das Amtsgericht die Einkommen gemeinsam veranschlagt und den Tagessatz auf 30 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Dazu führt das OLG aus:

Hinsichtlich der festgesetzten Tagessatzhöhe weist das angefochtene Urteil indessen einen durchgreifenden Rechtsmangel auf. Die auf der Grundlage der Feststellungen vorgenommene Festsetzung der Tagessatzhöhe wird den Anforderungen des § 40 Abs. 2 StGB nicht gerecht. Danach bestimmt das Gericht die Höhe des Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei wird in der Regel eine Beurteilung nach dem Nettoeinkommensprinzip vorgenommen. Es wird in diesem Fall von einem Nettoeinkommen ausgegangen, welches der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Weiterhin dürfen zur Berechnung insbesondere auch Einkommen Dritter — hier der Ehefrau – berücksichtigt werden, vorausgesetzt diese Einkünfte fließen dem Täter unmittelbar oder mittelbar zu oder kommen ihm sonst zugute. Bei einem Täter mit geringem ei­genen Arbeitseinkommen — wie der Angeklagte, der 500 EUR netto monatlich ver­dient, — kann zwar unter Umständen ein wesentlich höheres Einkommen des Ehe­partners mitberücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus tatsächlich geldwerte Vorteile zufließen, die als (dauerhaftes) „Einkommen“ angesehen werden können. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass eine strafrechtliche „Gesamthaftung“ des Familieneinkommens angenommen wird (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 40 Rn. 9). Vorliegend hat das Amtsgericht lediglich ausgeführt, dass es das Einkommen des Angeklagten und seiner Ehefrau zusammen veranschlagt hat, um die Tagessatzhöhe  festzusetzen. Offenbar ist dazu das Nettoeinkommen beider Ehegatten addiert und der rechnerische Hälftebetrag als Beurteilungsgrundlage für die Tagessatzhöhe ge­nommen worden. Soll jedoch bei .der Bestimmung der Tagessatzhöhe das deutlich höhere Einkommen des Ehegatten berücksichtigt werden, so muss der Frage nach­gegangen werden, ob und wie sich das höhere Nettoeinkommen des Ehegatten auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten konkret auswirkt. Dazu gehört vor allem die Frage, zu welchen Teilen die Ehegatten für gemeinsame Lasten aufkommen und ob der Ahgeklagte über das Einkommen seiner Ehefrau ganz oder teilweise (mit-)verfügen kann (vgl. OLG Zweibrücken, wistra 2000, 152). Es hätte daher einer näheren Darlegung bedurft, welche Umstände für die Abwei­chung vom rechnerisch festzustellenden Nettotagessatz maßgebend waren. Hieran fehlt es.

Also: Keine Sippenhaft i.e.S. Bei der Ermittlung der Höhe des Tagessatzes können zur Berechnung zwar auch Einkommen Dritter berücksichtigt werden, Voraussetzung ist aber, dass diese Einkünfte fließen dem Täter unmittelbar oder mittelbar zu oder kommen ihm sonst zugute, was sich aus den Feststellungen ergeben muss.

Wegen der materiellen Problematik werde ich noch einmal über die Entscheidung berichten.

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