Böse Überraschung

In der Tat eine böse Überraschung, was da Gegenstand einer Entscheidung des AG München (Urt. v. 03.02.2011,  271 C 26136/10) war, wie von dort mit PM v. 28.02.2011 gemeldet wird. In der heisst es:

Die Auftraggeberin für eine Einäscherung hat auch dann deren Kosten zu tragen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sie nicht die Tochter des Verstorbenen ist. Diese Tatsache berechtigt nicht zur Anfechtung des geschlossenen Vertrages.

Anfang März 2010 beauftragte die spätere Beklagte ein Bestattungsinstitut mit einer Feuerbestattung für ihren verstorbenen Vater.

Die Einäscherung fand dann auch auftragsgemäß statt. Danach – bei Durchsicht der Unterlagen – stellte die vermeintliche Tochter jedoch fest, dass der Verstorbene nicht ihr Vater gewesen war. Anhand des Familienbuches konnte sie nämlich erkennen, dass zum Zeitpunkt ihrer Geburt ihre Mutter ihren „Vater“ noch gar nicht kannte. Diese heirateten erst Jahre später. Als erstes Kind beider war im Familienbuch ihr Bruder eingetragen.

Die „Tochter“ focht daher den geschlossenen Vertrag an und weigerte sich zu zahlen.

Das Bestattungsinstitut erhob darauf hin Klage vor dem Amtsgericht München auf Zahlung der vereinbarten 450 Euro.

Die zuständige Richterin gab dem Bestattungsinstitut Recht:

Die Beklagte habe unstreitig Anfang März eine Kostenübernahmeerklärung für die Einäscherung abgegeben. Diese Erklärung sei nicht wirksam angefochten worden. Die Tatsache, dass die Beklagte erst nach dem Tod des Vaters festgestellt habe, dass sie entgegen ihrer Annahme doch nicht seine Tochter gewesen sei, sei sicherlich für diese persönlich belastend, stelle jedoch keinen Anfechtungsgrund dar, insbesondere keinen Eigenschaftsirrtum. Die Stellung als Tochter sei in keinster Weise Gegenstand der vertraglich vereinbarten Leistung gewesen. Ein Irrtum über „ihre Eigenschaft als Tochter“ sei daher kein Eigenschaftsirrtum im Rechtssinne, sondern bloß ein unbeachtlicher Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtige.

4 Gedanken zu „Böse Überraschung

  1. Ref.iur.

    Ganz klarer Fall: Wer bestellt muss auch bezahlen. Insofern hätte hier eigentlich schon dringend von einer Verteidigung gegen die Klage abgeraten werden müssen.

    @ Gerd

    Das war vom AG München nicht zu prüfen. Nach § 1968 BGB haben die Erben aber die Kosten der Beerdigung zu tragen. Die Frau hat daher einen Erstattungsanspruch gegen die tatsächlichen Erben nach § 1968 BGB. Sollte dieser Erstattungsanspruch nicht durchsetzbar sein – etwa weil die Erbverhältnisse völlig unklar sind oder weil die Erben es schaffen, ihre Erbenhaftung auf den mittellosen Nachlass zu beschränken (§§ 1975 ff. BGB) – dann kann die Frau noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) gegen die eigentlich Bestattungspflichtigen (siehe Art. 15 BayBestG i.V.m. der hierzu erlassenen RVO) vorgehen. Die Frau ist aber auf jeden Fall verpflichtet, den Betrag an den Bestattungsunternehmer zu zahlen, da insofern eine nicht anfechtbare vertragliche Verpflichtung besteht (die Frau unterlag nämlich lediglich einem unerheblichen Motivirrtum bei Vertragsabschluss).

  2. Gerd

    @Ref.iur.: Ist § 1968 BGB denn eine Anspruchsgrundlage?

    Und was Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag angeht: Inwiefern hatte die Auftraggeberin denn einen Fremdgeschäftsführungswillen, wenn sie sich selbst für die Erbin hielt? Und wenn ja, für wen? Auch für den Bestattungspflichtigen (nach Art. 15 BayBestG i.V.m. der hierzu erlassenen RVO), wenn sie von dessen Existenz keine Ahnung hatte?

  3. Ref.iur.

    @ Gerd

    § 1968 BGB ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage. In der Kommentarliteratur ist nicht so ganz genau definiert, wer den Anspruch hat. H.M. ist wohl, dass man in ordnungsgemäßer Ausübung des Totenfürsorgerechts gehandelt haben muss (deshalb ist der Bestatter nach dieser Anspruchsgrundlage grundsätzlich nicht berechtigt). Das Totenfürsorgerecht ist gesetzlich nicht geregelt. Nach m.E. ist bei der vermeintlichen Tochter ein Anspruch gegeben.

    – GoA: Das Problem mit dem FGfW habe ich zunächst übersehen. (Hier zeigt sich wieder mal, dass jeder Fall einmalig ist und man nicht vorschnell von einem bekannten Fall auf den nächsten schließen darf). Insofern bleiben dann wohl nur bereicherungsrechtliche Ansprüche.

    – Der Vollständigkeit halber ist wohl auch noch § 1586 Abs. 2 BGB zu nennen (die Existenz dieser Regelung kenn fast keiner…). Greift der Anspruch nach § 1968 BGB wegen erfolgreicher Beschrönkung der Erbenhaftung nicht, dann kommt subsidiär § 1586 Abs. 2 BGB zur Anwendung, wonach der Kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtete die Beerdigungskosten zu erstatten hat. Auf Grund der Schwierigkeiten einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass und der allgemeinen Unkenntnis dieser Norm dürften hierauf gestützte Ansprüche in der Praxis aber selten vorkommen — bei juris findet sich jedenfalls kein einziger Fall…

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