Schwarzfahrer muss in den Knast

Das LG Bautzen meldet mit einer PM vom 25.01.2011:

Schwarzfahrer muss in den Knast
Die 2. Strafkammer unter Vorsitz des Landgerichtspräsidenten Konrad Gatz hat die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Erstinstanzlich war der Angeklagte wegen fünf Fällen der Leistungserschleichung und einem Fall des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.
Der Angeklagte hatte die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und wollte eine milde Strafe. Ihm war jedoch bewusst, dass er keine Bewährung mehr zu erwarten hatte.
Es war jeweils eine Fahrstrecke von 7,5 km zum Fahrpreis i.H.v. 1,90 Euro zurückzulegen. Auf die Frage des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte, dass er wohl nun „aus Bequemlichkeit“ in den Knast gehen müsse. Er hätte gut auch mit dem Fahrrad fahren können und habe auch gewusst, dass er unter Bewährung wegen einer einschlägigen Tat stand.
Gegen das Urteil  kann noch Revision zum OLG Dresden eingelegt werden. Mal sehen, ob das geschieht und was das OLG dann daraus macht.

16 Gedanken zu „Schwarzfahrer muss in den Knast

  1. RA Neldner

    Ich muss mich mal wieder als Lektor betätigen und darauf hinweisen, dass der Link zu dem Urteil nicht geht. (Falls den ein solcher Link gewollt ist.)

    In der Sache spekuliere ich mal, der Angeklagte war mindestens in der ersten Instanz nicht ordentlich verteidigt.

  2. Rolf Franek

    Nicht ordentlich verteidigt ist gut. Ich würde mal spekulieren, dass er gar nicht verteidigt war.

    Andererseits werden in Sachsen mehr und mehr die Schwarzfahrer als Schwerstkriminelle angesehen. Freiheitsstrafe bei Leistungserschleichung ist jedenfalls schon lange kein Einzelfall mehr.

  3. Ein Staatsanwalt

    Überrascht mich wenig. Freiheitsstrafen fürs Schwarzfahren im städtischen ÖPNV (bis zu 2 Monate/Fahrt) bei x-fachen Wiederholungstätern sind im hiesigen Bezirk (eine süddeutsche Staatsanwaltschaft) vollkommen gängig und werden vom OLG auch ohne mit der Wimper zu zucken gehalten.

  4. Schneider

    Om Osten nix Neues. Die waren aus Tradition nie zimperlich mit Strafen, besonders bei Straftaten gegen die öffentliche Ordnung. Man muss sich nur die Wahlergebnisse anschauen, wie viele Nazi- und Ex-SED Anhänger es dort gibt, da weiss man Bescheid.

  5. Detlef Burhoff Beitragsautor

    @ RA Nelder – sorry, sollte kein Link werden, weiß auch nicht, wie das das reingerutscht war..
    @ Eien Staatsanwalt. Nun ja.. in Süddeutschland ist manches anders
    @ Schneider: Ich weiß nicht,w as das mit diesem Posting zu tun hat.

  6. Rolf Schälike

    Als ich 1985 von Dresden in den Westen von der Stasi gefahren wurde, haben die Hamburger Anwälte mir gesagt, dass es fürs Schwarzfahren im Westen keinen Knast gibt.

    Meist waren es die Obdachlosen, die sozial Schwächsten, die Schwarzfahren müssen, weil sie tatsächlich kein Geld haben. Später – nach 1990 – wurden die Freifahrscheine für die Obdachlosen und die sozial Schwächsten abgeschafft.

    Auch in Hamburg sitzen seit dem Menschen wegen Schwarzfahrens im Knast. Wohl nicht wegen Erschleichung von Leistungen, sondern wegen Hausfriedensbruch. Denen wird nach Erwischen untersagt, S-Bahnhöfe etc. zu betreten.

    Ob es das Einsitzen wegen Schwarzfahrens auch in der CDU-GRÜNE-Zeit in Hamburg auch gab, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Freifahrscheine für die sozial Schwächsten gibt es nach wie vor nicht.

  7. Michael Walther

    Ich bin Schöffe am Landgericht HH und bin sehr froh, dass meine vorsitzende Richterin mal beiläufig klargestellt hat, dass sie einen Schwarzfahrer niemals dafür einbuchten würde. Ich verstehe und begrüße das. Kein Mensch gesunden Verstandes würde so etwas tun.

  8. Henning Ernst Müller

    Das ist keineswegs ein „Ost“-Problem, wie mancher hier Mitlesende denken könnte; das Problem ist zudem ein ganz erhebliches finanzielles für den Fiskus und sollte Anlass für den Gesetzgeber sein, den § 265a StGB so zu fassen, dass wirklcih nur ein „Erschleichen“ nicht die bloße Inanspruchnahme einer Leistung erfasst wird. Wenn man daran denkt, wie lange sich Gerichte scheuten (und immer noch scheuen) die organisierte Abzockerei (einschl. der Gehilfen aus der Rechtsanwaltschaft) im Internet „Betrug“ zu nennen, werden einem Ungereimtheiten der Gesetzesanwendung erst richtig bewusst. Link zum Schwarzfahren:
    http://blog.beck.de/2009/07/16/strafbarkeit-von-schwarzfahren-im-oepnv-das-strafrecht-stoesst-an-seine-grenzen

  9. Schneider

    Die Verhältnismäßigkeit von Strafe ist ein rechtsstaatliches Element. Zur Einwirkung auf den hartnäckigen Schwarzfahrer genügt eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen, das sind ein Monatsgehalt, durchaus. Wenn die nicht beigetrieben werden kann, käme immer noch die Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht. Selbst wenn man das Gericht meint, bei Wiederholungstäter müsse es auch bei sehr geringem Schaden durchaus eine Freiheitsstrafe geben, hätten es ein Monat Freiheitsstrafe auch getan. Sechs Monate für so ein Delikt, das ist unverhältnismäßig, willkürlich und entspricht nicht einem Rechtsstaat. In Sachsen ist man leider oft von einem rechtsstaatlichem Denken noch sehr weit entfernt, leider fallen viele immer mehr in Zeiten zurück, in denen dort Willkür statt fand. Bemerkenswert ist, das der Westen immer öfter meint, nachziehen zu müssen.

    Hausverbote in S-Bahnhöfe, das dürfte es gar nicht geben. Der ÖVP ist ein öffentliches Gut, wird von Steuerzahlern finanziert und soll der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, einschließlich des abgeurteilten Schwarzfahrers, wenn er eine Fahrkarte zahlt.

  10. Rolf Schälike

    Ein Blich in Google http://bit.ly/h6PVWR und die Antwort ist eindeutig:
    Nur ein Beispiel

    12.03.2010:
    Knast für 623 Schwarzfahrer

    Ein paar Mal schwarzfahren, und man landet für Wochen oder Monate im Knast … Das gibt’s doch nicht? Das gibt’s wohl – in Hamburg! In unserer Stadt wanderten im vorigen Jahr 623 Menschen wegen dieser Kleinigkeit hinter Gitter! Tendenz steigend.

  11. Rolf Schälike

    Von wegen Hasfriedensbruch ist Unsinn. Enfasch mal googeln. Wo lebt ihr alle?:

    http://bit.ly/hS6MRF

    Nur ein Beispiel:

    Schwarzfahrer landen häufiger vor Gericht: 8.511 Menschen wurden im Jahr 2008 wegen der „Erschleichung von Leistungen“ verurteilt, sagte Bernhard Schodrowski, Sprecher der Senatsverwaltung für Justiz, am Sonntag. Das sind 22 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Rund 200 Personen sitzen derzeit im Gefängnis, weil sie ihre Geldstrafe nicht abbezahlt haben. Die FDP fordert nun stärkere Anstrengungen, um Schwarzfahrten so weit wie möglich zu verhindern – etwa durch Fahrverbote oder Personenschranken. Die Grünen wollen dagegen mehr Nachsicht mit Schwarzfahrern – und langfristig einen kostenlosen Nahverkehr für alle.

    Laut Justizsprecher Schodrowski würde dann nicht nur wegen Schwarzfahrens, sondern auch wegen Hausfriedensbruchs ermittelt. „Das wäre natürlich eine Verschärfung“, sagte er. Doch die Entscheidung liege bei der BVG und der S-Bahn, ob sie Hausverbote gegen Schwarzfahrer aussprechen wollen.

    TAZ 30.08.2009

  12. meine5cent

    @Walther: Da sollten Sie aufpassen, dass Sie und Ihre Vorsitzende nicht beim nächsten Schwarzfahrer-Fall von der Staatsanwaltschaft wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wenn man Äußerungen wie Ihre und die von Schöffen wie im Darmstädter Kinderpornographie-Prozess liest/hört, weiß man, weshalb das Schöffenwesen bei Berufsrichtern nicht immer auf ungeteilte Freude stößt (nämlich wegen sehr „unbefangener “ Äußerungen, die zu erfolgreichen Ablehnungen führen).

    @ Schneider: Dass der ÖPNV durch den Steuerzahler finanziert wird, ist so nicht richtig. Allenfalls wird er mit finanziert. Ansonsten aber durch diejenigen, die Fahrscheine erwerben. Und die Mitfinanzierung macht ihn ebenso wenig zum Allgemeingut wie etwa Opernbesuche (wo die Subventionen pro Sitzplatz ebenfalls recht abenteuerliche Dimensionen annehmen) oder wie Milch- und Fleischdiebstahl im Supermarkt deshalb erlaubt wäre, weil die Landwirte aus Steuermitteln subventioniert werden.

    Der Strafrahmen des 265a sieht nun einmal auch Freiheitsstrafe vor. Und wenn Sie meinen, Geldstrafe reiche doch auch, weil bei Nichtzahlen Ersatzfreiheitsstrafe droht, können Sie damit eigentlich nicht ernsthaft gegen eine Vollzugsstrafe argumentieren. Denn das Ergebnis ist für den Täter dann ja das gleiche.

  13. Schneider

    FDP steht immer mehr für Polizeistaat. Ich habe nicht behauptet, das es das mit dem Hausverbot und der Aburteilung wegen Hausfriedensbruch nicht gibt. Der ÖVP ist doch nur scheinbar privat und wäre so ohne Steuerfinanzierung nicht denkbar. Es ließe sich diskutieren, ob so ein Hausverbot überhaupt wirksam ist, weil ein Anspruch auf Teilhabe an öffentlich finanzierten Gütern besteht. Habe aber keine Ahnung, trotz Jurastudium.
    Meine allein wegen dieser Frage müsste in den Verfahren ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Pflichtis für anarchos, da würde die FDP wohl auch einen Riegel vorschieben.

  14. Schneider

    @5cent – Kommentar lese ich jetzt erst –
    Man kann ÖVP nicht mit Oper vergleichen. Der Deliquent muss ja die Möglichkeit haben, zur Berufungsverhandlung zu kommen, die in ländlichen Gebieten nicht unbedingt in Fußnähe ist. Mobilität erwartet auch der Harz IV Geber. Bei den öffentlichen Aufgaben wird zwischen Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben entschieden. Wenn es auf Lebensmittel ein faktisches Monopol gibt, so wäre tatsächlich über einen Kontrahierungszwang nach zu denken. Um dem zu entgehen, haben sich Banken ja verpflichtet, auch arbeitslosen Bankschuldnern ein Mindestmaß an Konto anzubieten, auch wenn sie die Kunden nicht möchtem

    Der Gesetzgeber sieht ja bei Bagatelldelikten unter 6 Monaten in der Regel eine Geldstrafe vor.

    Die Höchststrafe bei der Leistungserschleichung ist glaube ich 1 Jahr, bei einfachem Diebstahl (also kein besonders schwerer Diebstahl wie Einbruch) 5 Jahre.
    Die Palette der Leistungserschleichung reicht von ÖVP, bis erschlichenem Flug bis teure Luxusveranstaltung etc. Da kann man bei einem Schaden von 7,50 nicht beim ersten Mal Einsitzen gleich 6 Monate Haft geben.
    Ich bin nicht dagegen ganz hartnäckige Schwarzfahrer notfalls auch mal mit einer Freiheitsstrafe zu bestrafen. Ein Monat hätte auch gereicht.

    Ich habe den Verdacht, die Richter haben 6 Monate gegeben, um das gesetzliche
    Erfordernis der Diskussion Umwandlung in eine Geldstrafe zu umgehen.
    Mehr Knast aus richterliche Bequemlichkeit ist rechtsstaatlich bedenklich, um es mal vorsichtig zu formulieren.

  15. Pingback: Alle sind gleich - manche sind gleicher - Der Fall Hoeness - Seite 5

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