Archiv für den Monat: November 2010

Klartext – Munition im Kampf um die nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung

Im Recht der notwendigen Verteidigung ist die Frage der nachträglichen Bestellung des Pflichtverteidigers einer der Hauptstreitpunkte. Häufig/nicht selten werden Anträge rechtzeitig gestellt und dann nicht oder so knapp beschieden, dass ein Rechtsmittel vor Abschluss des Verfahrens nicht mehr möglich ist. Der Bestellung nach Rechtskraft wird dann entgegengehalten: Geht nicht mehr.

In dem Streit bietet jetzt die Entscheidung/Verfügung des OLG Stuttgart v. 28. 6. 2010 – 4 Ss 313/10, die mir der Verteidiger in dem Verfahren hat zukommen lassen, eine mehr als gute Argumentationshilfe. Das OLG sagt:

„Stellt ein/e Rechtsanwalt/in namens eines/r Angeklagten oder Betroffenen einen Antrag auf Bestellung zum/r Pflichtverteidiger/in, so entsteht daraus ein Anspruch auf eine zeitnahe Bescheidung. Das Gericht bzw. der/die Vorsitzende kann dem Antrag stattgeben oder ihn ablehnen. In jedem Fall muss ohne Verzögerung eine Entscheidung getroffen werden. Unterlässt der/die Vorsitzende eine solche Entscheidung und entscheidet dann dennoch den Rechtszug abschließend in der Hauptsache, so kann dies einen Verstoß gegen den Grundsatz des „fair trial“ (Art. 20 Absatz 3 GG, Art. 6 Absatz 1 Satz 1 EMRK) darstellen.“

Sehr deutlich auch der Hinweis:

„Der Senat ist der Auffassung, dass dadurch ein Verstoß gegen den Grundsatz des „fair-trial“ entstehen kann, der nicht bedenkenlos hingenommen werden kann. Es könnte in manchen Fällen sogar der Verdacht eines willkürlichen Handelns bzw. „Nichthandelns“ auftauchen.“

Man könnte auch sagen: Manipulation.

Es bewegt sich also endlich was. Und das OLG gibt die Richtung vor: Nämlich in Richtung der nachträglichen Bestellung

Der Sonntagswitz: So entstehen Strafverfahren und Bußgeldverfahren :-)

Ein Autofahrer, der von seiner Ehefrau auf dem Beifahrersitz begleitet wird, wird von der Polizei angehalten.
Der Polizist sagt: “Guten Tag, ich habe sie gerade mit 170 km/h gemessen, obwohl nur 120 erlaubt sind!”.
Der Fahrer erwidert: “Herr Wachtmeister, das kann gar nicht sein, ich hatte den Tempomat die ganze Zeit auf 120 km/h eingestellt. Vielleicht muss ihr Radargerät neu kalibriert werden!?”
Die Frau auf dem Beifahrersitz blickt von ihrer Zeitung auf und sagt: “Schatz, wie soll das denn gehen? Unser Auto hat doch gar kein Tempomat…”
Der Polizist schreibt den Strafzettel weiter und der Mann blickt zu seiner Frau und murmelt: “Kannst du nicht einmal deinen Mund halten?”
Sie blickt ihn nur vorwurfsvoll an und meint: “Du solltest dankbar sein, dass dein Radarwarner dich wenigstens ein bisschen runtergebremst hat, bevor du gemessen wurdest!”
Der Polizist schreibt direkt den zweiten Strafzettel wegen Besitz eines nicht erlaubten Radarwarngeräts, und der Mann blickt seine Frau ärgerlich an und knurrt: “Verdammt, halt endlich deinen Mund!”
Als der Polizist dem Fahrer die beiden Strafzettel in die Hand drückt bemerkt er noch: “Ach, und ich sehe gerade, dass sie auch nicht angeschnallt sind. Das macht dann noch mal 40 Euro Bußgeld!”
Der Fahrer entschuldigt sich: “Herr Wachtmeister, ich habe mich nachdem sie mich angehalten haben, abgeschnallt, um meinen Führerschein aus der Gesäßtasche zu holen.”
Schon wieder unterbricht ihn die Frau und sagt: “Schatz, lüg doch den Polizist nicht an, du bist beim Fahren nie angeschnallt!”
Während der Polizist das dritte Knöllchen schreibt, brüllt der Fahrer seine Frau an: “Herrgott, halt endlich deine Klappe!”
Der Polizist schaut die Frau an und fragt: “Redet Ihr Mann immer so mit Ihnen?”
Die Frau lächelt nur und sagt…
… “Nein, nur wenn er was getrunken hat.”

Verstoß gegen das Asylverfahrensgesetz und DNA-Untersuchung

„“Verstoß gegen das Asylverfahrensgesetz und DNA-Untersuchung“, was hat das denn miteinander zu tun? Nun, an sich nicht viel, aber es kann eine Verbindung geben, und zwar dann, wenn es die Anordnung der Entnahme einer Speichelprobe und die Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung der durch eine körperliche Untersuchung erlangten Körperzellen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren (§ 81g StPO) geht. Dann kann sich die Frage stellen, ob Verstöße gegen das AsylverfahrensG ausreichen, um die Entnahme der Speichelprobe anzuordnen. Das LG Amberg sagt in seinem Beschl. v. 15. 11. 2010 – 11 Qs 87/10: Nein. Solche Taten reichen nicht.

Der Beschluss ist im Übrigen auch wegen der Ausführungen des Landgerichts zur Frage, inwieweit eine ganze Reihe von kleineren Diebstahlstaten ausreichen, lesenswert.

Manchmal möchte man ja schon mal hinter die Kulissen

einer Revisionsentscheidung schauen, habe ich gedacht, als ich den Beschl. des BGH v. 02.11.2010 – 4 StR 451/10 gelesen habe. Da stellt der BGH einen Teil ein und führt zur Begründung (nur) aus:

„Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit die Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden ist, weil es die bisherigen Feststellungen zweifelhaft erscheinen lassen, ob die ohne richterliche Anordnung durchgeführten polizeilichen Maßnahmen rechtmäßig waren.“

Schade, dass man nicht erfährt, welche polizeilichen Maßnahmen rechtlich zweifelhaft waren. Vielleicht eine Blutentnahme, weil keine richterliche Anordnung vorlag. Wir werden es wohl leider nicht erfahren :-(.

Verbindung von Verfahren – dann Mehrfachverteidigung –> Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung kann die Folge sein

Das OLG Celle, Beschl. v. 16.09.2010 – 2 Ws 312/10 ob § 146 StPO – Verbot der Mehrfachverteidigung – auch für den Fall einer Verbindung nach § 237 StPO gilt (so KK-Laufhütte, StPO, 6. Aufl., § 146 Rn. 8), oder ob dafür eine Verbindung nach §§ 3 ff. StPO erforderlich ist (in diesem Sinne wohl OLG Stuttgart, NStZ 1985, 326. Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 146 Rn. 17), weil durch § 237 StPO nur die gleichzeitige Verhandlung möglich wird, aber keine Verfahrensidentität eintritt (vgl. Meyer Goßner a. a. O. § 237 Rn. 1).

Nach Auffassung des OLG kann es für das Vertretungsverbot nach § 146 Satz 2 StPO nicht auf die formale Frage nach dem Grund der Verfahrensverbindung ankommen, sondern allein darauf, ob bei gleichzeitiger Verhandlung verschiedener Straftaten für den Verteidiger, der darin mehrere Angeklagte vertritt, ein Interessenkonflikt entstehen kann. Nur dies entspricht dem Sinngehalt von § 146 StPO, der den Beschuldigten vor typischerweise auftretenden Interessenkonflikten seines Verteidigers schützen soll (Meyer Goßner, a. a. O. Rn. 1 m.w.N.).

N aja, liest sich ja o.k., aber: Es besteht natürlich immer die Gefahr, die Verbindung ggf. als ein Mittel zu nehmen, um einen Pflichtverteidiger aus einem Verfahren herauszuschießen.