Archiv für den Monat: August 2010

Rat: Schnauze halten – meistens ist es zu spät :-(

Der Kollege Melchior nimmt unseren heutigen Post zur „informatorischen Befragung“ (grds. zu Recht) zum Anlass, den (grundlegenden) Rat des Verteidigers an den Mandanten, bei den Ermittlungsbehörden zum Anlass, unter Überschrift „Schnauze halten“ zu wiederholen.

So weit, so gut und sicherlich auch richtig. Nur: Meistens/häufig ist es aber dafür leider zu spät, weil die Mandanten nicht selten schon „informatorisch befragt“ worden sind, und „gequasselt haben“. Das zeigen die beiden von mir in unserem Post erwähnten Entscheidungen sehr anschaulich. Da ist dann häufig nichts oder nur sehr schwierig noch etwas zu retten, zumal die Rechtsprechung m.E. mit der Annahme, was noch „informatorische Befragung“ sehr weit geht, leider. Richtig ist es natürlich, dem Mandanten zu raten, jetzt aber auf jeden Fall den Mund zu halten und sich nicht noch weiter um Kopf und Kragen zu reden.

Es gilt eben: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Wann bzw. wie lange ist eine Befragung eigentlich (noch) eine „informatorische Befragung“?

Jeder Verteidiger kennt das Problem: Der Mandant hat bei der Polizei gequasselt und sich – mehr oder weniger – um Kopf und Kragen geredet. Nun soll/will er schweigen. Da stellt sich dann die Frage, wie halte ich sein ihm schadendes Quasseln aus dem Verfahren raus. Das geht ggf., wenn der Mandant vor dem Quasseln nicht belehrt worden ist (§ 136 StPO lässt grüßen), aber hätte belehrt werden müssen. Dann können die Angaben gegenüber den Polizeibeamten nicht in das Verfahren eingeführt werden.

Es spitzt sich also auf die Frage zu: Belehrung ja oder nein? Dazu sind schon umfangreiche Abhandlungen geschrieben worden: In dem Zusammenhang spielt eben auch der Begriff der informatorischen Befragung eine Rolle. Denn so lange es sich (noch) darum handelt, muss nicht belehrt werden. Dazu verhält sich jetzt auch noch einmal der Beschl. des OLG Zweibrücken v. 16.08.2010 – 1 SsBS 2/10, über den wir schon in anderem Zusammenhang berichtet hatten (vgl. hier, aber auch hier).

Zum Sachverhalt heißt es da:

Nach den in erster Instanz getroffenen Feststellungen fuhr der Betroffene am Donnerstag, den 20. November 2008 gegen 14.30 Uhr mit dem Pkw von Speyer nach Germersheim, wo er auf der Polizeiinspektion einen Bekannten abholen wollte. Der auf der Dienststelle anwesende Polizeibeamte B. gewann den Eindruck, der Betroffene stehe unter Drogeneinfluss. Auf seine Frage, wie er nach Germers­heim gekommen sei, erklärte der Betroffene, er sei mit dem Auto gefahren. Daraufhin belehrte der Polizeibeamte den Betroffenen als Beschuldigten und setzte die Befra­gung fort, wobei sich der Betroffene in Widersprüche verwickelte.

Der Verteidiger hatte geltend gemacht, dass der Betroffene vor der Frage, wie er nach Germersheim gekommen sei, hätte belehrt werden müsse. Das OLG sagt:

„Es begründet keine Verletzung des Verfahrensrechts, dass das Amtsgericht auch die vor der Beschuldigtenbelehrung gefallene Äußerung des Betroffenen verwertet hat, er sei mit dem Auto nach Germersheim gefahren. Seit einer Grundsatz­entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1992 ist zwar anerkannt, dass der Verstoß gegen die Belehrungspflicht bei der ersten Vernehmung des Beschuldig­ten durch die Polizei (§§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO; hier i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) grundsätzlich ein Verwertungsverbot nach sich zieht (BGH NJW 1992, 1463 = BGHSt 38, 214; vgl. a. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 136 Rn. 20). Dabei wird aber davon ausgegangen, dass nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet mit der Folge einer entsprechenden Beleh­rungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Verdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob dieser sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Gren­zen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende ohne Beschuldigtenbelehrung vernommen wird (BGH NJW 1992, 1463, 1466; NJW 2007, 2706, 2707 f.; Meyer-Goßner a.a.O. Einl. Rn. 77.)

Diese Grenze der sog. informellen Befragung erachtet der Senat als hier noch nicht überschritten. Der Tatbestand der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG setzt einer­seits einen durch den Genuss von Drogen geschaffenen körperlichen Zustand vor­aus, und andererseits, dass in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt wird. Die Wahr­nehmungen des Polizeibeamten deuteten zunächst nur auf den Einfluss von Drogen hin. Der Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs wurde erst durch die Antwort hergestellt, die der Betroffene auf die an ihn gestellte erste Frage gegeben hatte. Die Wertung des Beamten, der erst hierdurch den zur Belehrungspflicht füh­renden Verdachtsgrad als erfüllt erachtete, ist nicht zu beanstanden.“

Na, ich weiß nicht. Noch kein bestimmter Tatverdacht? Da steht ein offenbar erkennbar unter Drogeneinfluss stehender Betroffener und die Polizei fragt, wie biste hierher gekommen? Erst die Antwort auf die Frage, bringt dann den Tatverdacht? M.E. nein, die Frage zielt doch gerade auf den Umstand des Fahrens. Denn was sollte es sonst die Polizei interessieren, wie ein Betroffener von A nach B gekommen ist.

In die Diskussion passt dann dann auch die Entscheidung des KG v. 05.06.2009 – 2 Ss 131/09. Dieses sagt:

„Hinsichtlich des geltend gemachten Verwertungsverbots ist darauf hinzuweisen, dass sich die Ermächtigung zur Durchführung der verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle aus § 36 Abs. 5 Satz 1 StVO ergibt. Die im Rahmen einer solchen Kontrolle durchgeführte informatorische Befragung des Betroffenen – um nichts anderes handelt es sich bei der allgemeinen Frage nach Alkohol- und/oder Drogenkonsum – zwingt noch nicht zu einer Belehrung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 136 StPO. Die so gewonnene Information über den Drogenkonsum des Betroffenen am Vortag, andere Informationen sind ausweislich der Urteilsgründe und der Rüge des Betroffenen im vorliegenden Verfahren weder unmittelbar noch mittelbar verwertet worden, ist daher verwertbar (vgl. BayObLG NStZ-RR 2003, 343). Einer zusätzlichen späteren qualifizierten Belehrung (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 136a Rdn. 30) bedurfte es folglich nicht.“

Na ja, kann man so sehen, allerdings passt der Hinweis auf die Entscheidung des BayObLG nicht. Denn da handelte es sich zwar auch um eine verdachtsunabhängige Verkehrs-Alkoholkontrolle durch die Polizei in einem Fahrzeug. Es war dann aber Alkoholgeruch festgestellt worden., Damit haben wir m.E. einen Tatverdacht, oder?

Bloggen macht ggf. süchtig, Traden/Börsengeschäfte aber nicht (sofort)

Auf der Suche nach interessanten Entscheidungen bin ich vor kurzem auf das Urteil des LG Düsseldorf v. 30.06.2010 – 14 KLs 3/10 gestoßen. Dort ging es um den Vorwurf des Betruges durch eine sog. betrügerisches Firmengeflecht. Der Angeklagte hatte u.a. unter Hinweis auf „Spielsucht“ geltend gemacht, es liege verminderte Schuldfähigkeit vor, wegen einer Sucht nach Börsengeschäften bei dem Betrieb des betrügerischen Firmengeflechts. Das sachverständig beratene LG Düsseldrof sagt: Nein. Es könne nicht von einer Spielsucht im Grade einer schweren anderen seelischen Abartigkeit ausgegangen werden, wenn der Angeklagte vortrage, er habe ein unüberschaubares betrügerisches Netzwerk aus Firmen nur gegründet und betrieben, weil er nach Börsengeschäften seit seinem ersten Trade unvermindert süchtig gewesen sei. Nicht stoffgebundene Süchte entstünden  in aller Regel nicht unvermittelt mit ihrer ersten Betätigung, sondern progedient bis zum Persönlichkeitsverfall. Auch eine süchtige Einengung auf ein bestimmtes Verhalten (hier: kurzfristiges Traden an der Börse) sei aber nicht anzunehmen, wenn der Angeklagte im maßgeblichen Zeitpunkt faktischer Leiter des Firmengeflechts sei, Vertriebsleute ausbilde, regelmäßige Newsletter erstelle und Schulungen abhalte.

Das Urteil ist rerchtkräftig, so dass wir eine Entscheidung des BGH zur der Frage nicht bekommen werden.

Zur Blogsucht, vgl hier.

Fehde/Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf – fast ein Sonntagswitz

Vielen wird die Fehde/Rivalität zwischen Kölnern und Düsseldorfern bekannt sein (zu den Gründen kann man hier einiges nachlesen). Zu diesem „Streit“ passt ganz gut, die Anweisung/der Hinweis, den vor einigen Tagen einige Kölner erhalten haben:

„Lieber PC-Benutzer, bei einer Routineuntersuchung fiel auf, dass bei vielen Rechnern immer noch die Düsseldorfer Tastatur in Benutzung ist.
Dies ist unverzüglich zu ändern! Bitte entfernen Sie die Taste „Alt“ umgehend. Die IT-Abtlg. wird Ihnen in Kürze eine Taste „Kölsch“ zur Verfügung stellen. Vorgenanntes gilt selbstverständlich auch für die nie benutzte Taste „Alt Gr“. Diese ist gegen „Kölsch 0,4 l“ auszutauschen. “

Verteidiger darf vieles, aber auch nicht alles

Der BGH hatte vor einiger in seinem Urt. v. 27.03.2009 – 2 StR 302/08 mit folgendem Sachverhalt zu tun: Der Rechtsanwalt war Strafverteidiger des T. Wegen einer in einem Schreiben an T. enthaltenen beleidigenden Äußerung wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Der betreffende Brief war als Zufallsfund beschlagnahmt worden, nachdem die Strafverfolgungsbehörden hiervon im Zuge einer Durchsuchung des Haftraums des T. Kenntnis erlangt hatten. Die Durchsuchung wurde im Rahmen eines unter anderem gegen den Rechtsanwalt gerichteten Strafverfahrens gerichtlich angeordnet, nachdem der Rechtsanawalt in den Verdacht geraten war, Briefe des T. aus der Justivollzugsanstalt Trier verbracht und weitergeleitet zu haben, obwohl diese Briefe ihrem Inhalt nach dazu geeignet und bestimmt waren, die Adressaten zu falschen, den T. entlastenden Aussagen zu bewegen. Mit dem Urt v. 27.03.2009 (2 StR 302/08 (BGHST 53, 257 = StRR 2009, 348 ) hat der 2. Strafsenat des BGH die auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützte Revision des Rechtsanwalts verworfen.

Der hat Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die hatte jetzt beim BVerfG keinen Erfolg. Dieses hat in seinem Beschl.  v. 20.05.2010 – 2 BvR 1413/09 ausgeführt: Die Beschlagnahme von Verteidigerpost im Rahmen einer Haftraumdurchsuchung seines Mandanten als Zufallsfund begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn für die Beschlagnahme der grundrechtlich besonders gestellten Verteidigerpost ein triftiger Verdachtsmoment bestanden habe. Ein solcher liege vor, wenn der Anwalt dringend verdächtig sei, Post des Mandanten an der Briefkontrolle vorbei geschmuggelt und diese Post auch weitergeleitet zu haben, obgleich die Schreiben Zeugen zu wahrheitswidrigen Aussagen bewegen sollen. Werde in diesem Zuge ein Verteidigerbrief mit beleidigendem Inhalt gefunden, könne dieser deswegen auch verurteilt werden, da die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Anwaltspost der Sonderstellung des Verteidigers gerecht werden soll, nicht aber rechtsfreien Raum schafft.

Wie gesagt: Ein Verteidiger darf vieles, aber eben auch nicht alles.