„Munition“ für die Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – immer wieder Kampf um Eichschein, Bedienungsanleitung u.a.

Der Kollege Melchior berichtet gerade (vgl. hier) über ein Akteneinsichtsgesuch, bei dem ihm der Eichschein nicht übersandt worden ist mit der Begründung (in Bayern), dass der nicht Bestandteil der Akten sei und nur auf gerichtliche Anforderung übersandt werde. Der Kollege Voigt berichtet in einem Kommentar dazu, dass es in NRW etwa heißt, „haben wir nicht, gibt es also auch nicht, im Übrigen sind die Beamten geschult“.

Der dauernde Kampf um diese oder andere Unterlagen erstaunt mich dann doch immer wieder. Schließlich geht es bei der Frage der Akteneinsicht – auch des Umfangs – um das rechtliche Gehör. Wie soll eigentlich der Betroffene die Ordnunsgemäßheit einer Messung überprüfen, wenn er nicht alle Unterlagen kennt, die dafür von Bedeutung sind. Und dazu gehören m.E. Eichschein usw. Auch das Argument: Urheberrecht des Verfassers der Bedienungsanleitung zieht m.E. nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör geht m.E. vor. M.E. muss sich der Verteidiger auch nicht damit zufrieden geben, dass die Behörde sagt: War geeicht und die Beamten sind geschult. Das ist m.E. nichts anderes als „Parteivortrag“.

In dem Kampf 🙂 muss man gut gerüstet sein. Dazu gehört die entsprechende Rechtsprechung der AG, die sich m.E. auf dem richtigen Weg befinden und dem Verteidiger ein Akteneinsichstrecht in all die Unterlagen einräumen, die auch einem Sachverständigen für ein Gutachten zur Verfügung gestellt werden müssen. Das sind:

Jeweils für Bedienungsanleitung bzw. Messfilm oder Messfoto

über AG Erfurt und AG Schwelm haben wir ja auch hier schon berichtet.

Die Bedienungsanleitung für das Dräger-Gerät findet sich im Internet unter: http://www.draeger.com/DE/de/products/alcohol_drug_detection/evidential/cdi_alcotest_7110_evidential.jsp

Für die sog. Lebensakte ist ganz interessant:

Ach so: Und dann muss man natürlich, wenn man Munition für die Rechtsbeschwerde haben will, mit der Problematik auch verfahrensrechtlich richtig umgehen. Im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde natürlich Antrag nach § 62 OWiG, zu allem anderen: Fortsetzung folgt :-).

20 Gedanken zu „„Munition“ für die Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – immer wieder Kampf um Eichschein, Bedienungsanleitung u.a.

  1. GKutscher

    Der Eichschein gehört m.E. in die Akte; funktioniert problemlos. Die Bedienungsanleitung lasse ich in der Behörde einsehen. Wenn die ständig versandt wäre, könnte der Verteidiger locker damit argumentieren, der Messbeamte kenne diese nicht. Recht hätte er, denn sie ist ja nie da, sondern bei den Anwälten. Kopieren geht aus urheberrechtlichen Gründen nicht, und wer sollte die ganzen Kopien bezahlen?
    Ein Problem sehe ich mit dem Schulungsnachweis. Der gehört dem Messbeamten. Kann der verpflichtet werden, diese für die Akten zur Verfügung zu stellen? M.E. ist das eine Frage der Beweiswürdigung, nicht der Akteneinsicht.

  2. Christian

    Vielen Dank für die Munition!

    Faktisch ist es ja mittlerweile unmöglich, im Vorverfahren selbst ein Gutachten zu erstellen, da die Firma Robot grundsätztlich keine Bedienungsanleitungen rausgibt. Auch die Behörden stellen sich entsprechend quer, so dass der beauftragte Gutachter hinsichtlich der Bedienungsanleitung auf dem trockenen sitzt.

    Mir wurden in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des AG Köthen v. 04.05.2009 – 5 OWi 69/09, AG Zerbst Beschluss v. 29.05.2009 – 8 OWi 298/09 und AG Weißenfels Beschluss vom 24.03.10 – 11 OWi 86/10 entgegengehalten. Hat jemand dazu eine Fundstelle (per Link)? Sind diese Enstcheidungen überzeugend?

    Danke für etwaige Antworten!

  3. Detlef Burhoff

    die Entscheidungen sind m.E. nicht veröffentlicht. Ich würde beantragen, dass Ihnen eine Kopie der Entscheidung gegeben wird, denn wie sollen Sie sich mit der Entscheidung/Rechtsmeinung des AG auseinandeer setzen können, wenn Sie die Entscheidung nicht kennen. Ich hätte dann natürlich Interesse an den Entscheidungen 🙂

  4. Pingback: LexisNexis® Strafrecht Online Blog » Blog Archiv » Akteneinsicht im OWi-Verfahren – Ring frei zur nächsten Runde?

  5. RA Schaaf

    Das Urheberrecht kann wohl kaum für eine Verweigerung der Akteneinsicht in die Bedienungsanleitungen etc. herhalten. Denn § 45 UrhG sagt:

    (1) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde herzustellen oder herstellen zu lassen.

    (2) Gerichte und Behörden dürfen für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit Bildnisse vervielfältigen oder vervielfältigen lassen.

    (3) Unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vervielfältigung ist auch die Verbreitung, öffentliche Ausstellung und öffentliche Wiedergabe der Werke zulässig.

  6. Marcus Voigt

    Tja meine Herren,

    das scheint wohl eine unendliche Geschichte zu werden. Auf meinen Antrag nach § 62 OWiG hat das AG Hamm es abgelehnt die Bußgeldbehörde zu verpflichten mir eine Kopie der BDA des Messgerätes zur Verfügung zu stellen.

    Das Gericht begründet dies damit das der Bußgeldbehörde eine Fertigung von Kopien nicht zugemutet werden kann. Weil dies die Kapazitäten der Behörde übersteigen würde. Mir kann laut Beschluss aber zugemutet werden das Original bei der Polizei Dortmund einzusehen. Sind ja auch „nur“ 85 km einfache Fahrt. Leider ist die Entscheidung unanfechtbar. Auf die Problematik des „Copyright“ ist das Gericht natürlich nicht eingegangen, weil dies ja dahinstehen kann. Da sich der Betroffene darauf verweisen lassen muss die Anleitung bei der Polizei Dortmund Direktion Verkehr einzusehen.

  7. Detlef Burhoff

    Hallo, Sie sollten ggf. den Antrag noch einmal stellen, wenn die Sachakten an das AG abgegeben sind (§ 69 OWiG). Dann erhalten Sie eine Entscheidung des Gerichts, gegen die Sie Beschwerde nach § 304 StPO einlegen können und sind beim LG Dortmund. VIelleicht haben Sie da ja mehr Glück. Sonst müssen Sie in der HV die Rechtsbewschwerde vorbereiten.

  8. Marcus Voigt

    Hallo Herr Burhoff,
    vielen Dank für Ihren Hinweis. Falls Sie -oder ein anderer Kollege- eine Abschrift der Entscheidung wünschen, teilen Sie mir das doch einfach mit. Ich würde dann an Sie versenden!

  9. kapelu

    Die Haltung von Robot ist nicht allgemeingültig. Bedienungsanleitungen können
    können gegen Aufwandserstattung in Bussgeldsachen bei der eine VKS Anlage verwendet werden beim Copyrightinhaber Vidit GmbH bestellt werden.

  10. kapelu

    Die Kurzinfo muss korrigiert und ergänzt werden.
    Die Haltung von Robot ist nicht allgemeingültig. Bedienungsanleitungen können z. Bsp. in Zusammenhang mit einer Messungen mit der Abstands- und Geschwindigkeitsmessanlage VKS 3.0 gegen eine Aufwandserstattung beim Copyrightinhaber Vidit GmbH bestellt werden.
    Für die Übersendung ist Nachweis zu führen, dass es sich um ein Bussgeldverfahren handelt und die Urheberrechte anerkannt werden.

  11. Marcus Voigt

    Eine BDA eines Messgerätes ist aber kein Geistiges Eigentum des Schöpfers sondern beschreibt lediglich die Funktion des Werkstückes. Außerdem ist es in Bußgeldsachen nicht Aufgabe des Betroffenen oder seines Verteidigers sich um Dinge zu kümmern die im Aufgabenbereich der Bußgeldbehörde liegen. Die Akteneinsicht gehört dazu. Es ist auch kein Problem wenn die Bußgeldbehörde Kopien oder PDF Dateien vorhält. (Wobei gerade ich gerade bei PDF Dateien gar keine Probleme sehe.
    Kopien können ja nach Abschluss des Verfahrens vom Verteidiger zurückgegeben werden, und für andere Verfahren benutzt werden. Ich habe nur ein Problem damit einen Messbeamten zur Aufstellung des Gerätes zu befragen wenn ich keine BDA habe. Oder diese mal 10 Minuten bei der Polizei einsehen konnte. Ausserdem kann dann Frau Vorsitzende meinen Ausführungen nicht folgen, sie hat ja auch kein Exemplar.

  12. Marcus Voigt

    So die Verwaltungsbehörde hat das Verfahren an das Amtsgericht Hamm abgegeben. Natürlich ohne mir die Möglichkeit zu geben nochmals Stellung zu nehmen. Man halte das Verfahren für „ausermittelt“. Also habe ich im Sachverfahren vor dem Amtsgericht erneut eine Kopie der BDA des Messgerätes beantragt. Dazu erreichte mich nicht mal ein Beschluss. Sondern der Hinweis auf der Ladung zum Hauptverhandlungstermin: Ihr erneuter Antrag vom 09.06.2011 wird aus den Gründen der Entscheidung vom 18.05.2011 zurückgewiesen. Ich frage mich gerade ob dies noch mit einem fairen Verfahren vereinbar ist. Ich hätte wenigstens einen Rechtsunfähigen Beschluss erwartet. Aber aber Frau Vorsitzende…

  13. Detlef Burhoff

    Hallo, dann legen Sie gegen den „Beschluss“ doch mal Beschwerde ein. mal sehen, was das LG macht und wie dei Frau Vorsitzende damit umgeht. So geht es m.E. nicht.

  14. Peter Scheffer

    Hallo. Ich habe derzeit das Problem, dass mein Heimat-Gericht (AG Herford) zwar Einsicht in die Bedienungsanleitung durchaus gewährt, aber auf dem Standpunkt steht, dass ich diese nur bei der Bußgeldbehörde einsehen kann. Die Versendung einer Kopie sei nicht möglich (Unzumutbar für die Behörde, Kopien anzufertigen; Urheberrecht). Das für mich zuständige OLG ist das OLG Hamm. Wenn ich res richtig sehe, hat dies für die Herausgabe der Bedienungsanleitung noch keine richtungsweisende Entscheidung getroffen; oder täusche ich mich? Falls jemanden eine OLG-Entscheidung bekannt ist, wäre ich für eine kurze Information sehr dankbar.

  15. v. Schönfeld

    Liebe Kollegen, ich habe auch einen Antrag nach § 62 OWiG gestellt und einen abweisenden Beschluss mit der Begründung erhalten, dass es mir ohne weiteres zuzumuten sei, die Bedienungsanleitung für die Riegl FG-21 P bei der Polizeiinspektion in München einzusehen (nach Terminvereinbarung).
    Ich frage mich gerade, ob gegen einen solchen (unanfechtbaren) Beschluss nicht einmal von Verfassungs(gerichts) wegen vorgegangen werden sollte und würde mich über etwaige Erfahrungen und Hinweise freuen. Vielen Dank!

  16. meine5cent

    Und wo ist das Problem dabei, bei Kanzleisitz in München zur PI München zu fahren?
    Verfassungsbeschwerde nur gegen die 62 OWiG-Entscheidung: dürfte wegen Subsidiarität schwierig sein. Der Kollege, der gegen das AG Gladbeck im Vollmachtsstreit vorging, konnte wenigstens geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil ihm generell immer eine Vollmacht abverlangt bzw. anderenfalls AE anders als gesetzlich vorgesehen nur auf der Geschäftsstelle gewährt wurde.

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