Da staunt der Angeklagte nach einem weitgehenden Freispruch aber…

denn: Auch bei überwiegendem Freispruch können dem Angeklagten alle Verfahrenskosten aufgelegt werden. So hat das OLG Köln entschieden (Beschl. v. 09.07.2010 – 2 Ws 325/10).

Der Angeklagte war in 20 von 21 angeklagten Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes frei gesprochen worden. Das LG hatte von einer nach § 464d StPO zulässigen Bruchteilsentscheidung abgesehen und entschieden, die Feststellung von bezogen auf die Freisprechungsfälle ausscheidbaren Kosten dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO zu überlassen. Mangels ausscheidbarer Kosten traf den Angeklagten dann die volle Kostenlast.

Bei der Entscheidung ist – so das OLG – nach der Differenztheorie zu prüfen, welche Kosten und Gebühren entstanden wären, wenn die Anklage von vornherein so gelautet hätte wie das Urteil. Eine Kostenquotelung im Verhältnis der angeklagten Fälle zur letztendlichen Verurteilung komme nicht in Betracht.

Ein äußerst missliches Ergebnis für den Angeklagten :-(.

2 Gedanken zu „Da staunt der Angeklagte nach einem weitgehenden Freispruch aber…

  1. Tanja

    Wenn man als Wahlverteidiger nur die Mittelgebühren abrechnet, dürfte eine Differenz in der Tat nicht festzustellen sein. Bei 21 Fällen des sexuellen Mißbrauchs ist jedoch sicher die Höchstgebühr gerechtfertigt, so daß sich ohne weiteres argumentieren läßt, daß Mehrarbeit und entsprechend höhere Gebühren angefallen sind.

    Die ganze Differenztheorie halte ich jedoch für ein unglückliches Konstrukt Marke „Igel in der Tasche“. Denn offensichtlich ist sie doch nur darauf ausgelegt, der Staatskasse Kosten zu ersparen. Im Zivilrecht hält man es hingegen für billig und gerecht, daß „gequotelt“ wird. Auf die finanziellen Belastungen für den Unterliegenden kommt es nicht an.

    Natürlich fällt durch mehr Anklagepunkte immer auch ein höherer Arbeitsaufwand an. Entsprechend wäre es nur gerecht, wenn auch im Strafrecht „gequotelt“ würde.

  2. Detlef Burhoff

    Hallo, das ist die Krux, da im Strafverfahren von der auch dort gegebenen Möglichkeit, eine Bruchteilsentscheidung zu treffen, leider zu wenig Gebrauch gemacht wird. Dann läuft alles über die Differenztheorie und da streitet der Verteidiger dann mit der Staatskasse über den „Freispruchsanteil“ und die Höhe der Gebühren. M.E. sollten Verteidiger in den Teilfreispruchsfällen auf die Möglichkeit der Kostenentscheidung nach Brauchteilen im Plädoyer hinweisen. Vielleicht hilft es ja in dem ein oder anderen Fall :-).

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