BVerfG: Keine sofortige Freilassung aus der Sicherungsverwahrung

Das BVerfG teilt in einer PM vom heutigen Tage zu seinem Beschl. v. 30. Juni 2010 – 2 BvR 571/10 gerade mit, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung und damit die sofortige Freilassung des Untergebrachten abgelehnt worden ist.

In der Sache ging es um die Umsetzung der inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009. Der Untergebrachte hatte gegen den Beschl. des BGH in seiner Sache 1 StR 585/09 Verfassungsbeschwerde eingelegt.  Das BVerfG nimmt eine Folgenabwägung vor, die dazu führt, dass eine sofortige Freilassung des Beschwerdeführers nicht geboten ist. Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, entstünde dem Beschwerdeführer zwar in der Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Freiheit. Das Landgericht habe jedoch hat auf der Grundlage zweier psychiatrischer Sachverständigengutachten nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung) habe und deshalb im Falle seiner
Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.

Also: Entscheidung im Haupsacheverfahren

4 Gedanken zu „BVerfG: Keine sofortige Freilassung aus der Sicherungsverwahrung

  1. Sabine

    Das Bundesverfassungsgericht bleibt sich treu: im Zweifel gegen die EMRK. Während die Mehrzahl der Oberlandesgerichte mit unterschiedlichen Ansätzen und Begründungen zwischenzeitlich die Auffassung vertritt, das deutsche Recht müsse im Hinblick auf die Entscheidung des EGMR konventionsfreundlich dahingehend ausgelegt werden, daß eine Vollstreckung über den 10-Jahreszeitpunkt hinaus unzulässig ist, meint das BVerfG noch immer, es dürfe „Folgenabwägungen“ vornehmen.

    Vielleicht hat das BVerfG die Entscheidung des EGMR nicht verstanden: Sicherungsverwahrung ist als Strafe im Sinne der Konvention anzusehen, für die das Rückwirkungsverbot gilt. Eine Folgenabwägung oder Verhältnismäßigkeitserwägungen sind daher überhaupt nicht zulässig und schon vom Ansatz her falsch.

    Bei allem Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit: so darf das BVerfG nicht mit Prinzipien umgehen. Wenn der Betroffene tatsächlich so gefährlich ist, dürfte es ohne Probleme möglich sein, ihn aufgrund des Unterbringungsgesetzes des Landes vorläufig wegen Fremd- und Eigengefährdung in der Psychiatrie unterzubringen. Denn solche „brandgefährlichen“ Täter leiden in der Regel unter einer behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsstörung im Grade einer schweren seelischen Abartigkeit. Opa Müller wird „ohne viel Federlesen“ eingewiesen, wenn er im Schlafanzug durch die Fußgängerzone marschiert, bei Schwerverbrechern kommt jedoch niemand auf die Idee, die Freiheitsentziehungsgesetze der Länder anzuwenden.

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