Archiv für den Monat: März 2010

Wischiwaschi aus München

Nicht nur in der Fachpresse, sondern auch in der „allgemeinen“ Presse wurde in den letzten Tagen über eine Entscheidung des OLG München (7 W 2449/09) berichtet, die es gestern immerhin auch auf die erste Seite der Süddeutschen Zeitung geschafft hatte.

Nach diesem Beschluss ist, wenn der Richter den Vortrag/die Einlassung eines Prozessbeteiligten als „Wischiwaschi“ bezeichnen darf, oder ob er sich dadurch der Besorgnis (!!) der Befangenheit aussetzt. Das OLG München hat die Frage verneint, weil „wischiwaschi“ etwas anderes sei als „Quatsch“. Na ja, m.E. ist das „Wischiwaschi“, denn dieser Ausdruck enthält eine m.E. negative Wertung des Vortrags/der Einlassung, der zumindest die Besorgnis – mehr muss nicht vorliegen – der Befangenheit begründet. Die Entscheidung zeigt m.E. mal wieder deutlich, wie manche Gerichte sich bemühen, etwas „gesund zu beten“, was an sich nicht mehr gesund zu beten ist. M.E. liegt Besorgnis der Befangenheit vor.

Der BGH und der „ungeschickte“ Polizeibeamte

In dem vom BGH im Beschl. v. 19.01.2010 – 3 StR 530/09 – entschiedenen Fall hat ein „ungeschickter“ Polizeibeamter die Durchsuchung bzw. die Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse gerettet. Der BGH führt zu „Gefahr im Verzug“ pp. aus: 

„Als die herbeigerufene Zeugin M.… die Wohnung, in der sich das als Bunker für Betäubungsmittel genutzte Zimmer des Angeklagten befand, identifiziert hatte, durften die Polizeibeamten ohne die Anordnung eines Richters oder nachrangig eines Staatsanwalts die Durchsuchung jedenfalls dann durchführen, als die in der Wohnung befindlichen Personen durch die Ungeschicklichkeit einer Polizeibeamtin sogleich aufmerksam geworden waren und sich nach Öffnen der Wohnungstür teils unkooperativ verhielten oder zu fliehen versuchten. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt lagen die engen Voraussetzungen der „Gefahr im Verzug“ vor, weil bis zur Einholung einer Entscheidung durch den Richter oder zumindest den Staatsanwalt der Zweck der Durchsuchung gefährdet gewesen wäre ( BVerfG NJW 2001, 1121, 1123; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 98 Rdn. 6). Es bestand die nahe liegende Gefahr, dass ohne eine sofortige Durchsuchung Beweismittel vernichtet werden könnten, zumal bereits nach der Durchsuchung der ersten Wohnung die Ermittlungen gegen den Angeklagten bekannt geworden waren. Dass diese Situation durch die Ungeschicklichkeit der Polizeibeamtin ausgelöst worden war, begründet ebenfalls kein Verwertungsverbot; denn dieser Umstand ist nicht annähernd solchen Fallgestaltungen vergleichbar, in denen durch bewusst gesteuertes oder grob nachlässiges polizeiliches Ermittlungsverhalten die „Gefahr im Verzug“ gleichsam heraufbeschworen und damit der Richtervorbehalt gezielt oder leichtfertig umgangen wird.“

Fazit: Je ungeschickter die Polizei vorgeht, desto sicherer ist „Gefahr im Verzug“? Oder umgeht der BGH damit auch seine Rechtsprechung, wonach die Ermittlungsbehörden die Voraussetzungen für die Annahme von „Gefahr im Verzug“ nicht selbst herbeiführen dürfen? Jedenfalls hat der BGH mit dieser Ansicht „geschickt“ die Frage  umschifft, ob in Düsseldorf ein nächtlicher richterlicher Eildienst hätte eingerichtet sein müssen, was wohl offensichtlich nicht der Fall ist.

Zweimal mitgewirkt beim „Befriedigen“ – zweimal Geld/Befriedungsgebühr

Was häufig übersehen wird: Die Befriedungsgebühr Nr. 4141 VV RVG kann im Verfahren mehrfach entstehen. So z.B., wenn das Ermittlungsverfahren zunächst nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, dann aber wieder aufgenommen und Anklage erhoben und dann im gerichtlichen Verfahren das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt wird. Hat der Verteidiger an allem mitgewirkt, gibt es zweimal die Nr. 4141 VV RVG. Allerdings: Nur, wenn man der Auffassung ist, dass vorbereitendes und gerichtliches Verfahren nicht dieselbe Angelegenheit sind, da sonst § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG gilt. Von letzterem gilt jedoch dann wieder eine Ausnahme, wenn mehr als zwei Jahre nach der ersten Einstellung vergangen sind (§ 15 Abs. 5 Satz 2 RVG) (vgl. zum mehrmaligen Anfall AG Düsseldorf, Urt. v. 09.02.2010, 36 C 2114/09).

Erkennungsdienstliche Behandlung auch bei Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz verhältnismäßig.

Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen kann sich nach § 81b 1. Alternative StPO bzw. nach der 2. Alternative richten. Bei der 2. Alternative -„für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig“. Bei der 2. Alternative gibt es häufig Streit mit der anordnenden Behörde, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist. Dazu jetzt das OVG Niedersachsen im Beschl. v. 09.03.2010 – 1 B 1530/09: Auch bei Verstößen, die sich „nur“ gegen das Arzneimittelgesetz und/oder das Markenrecht richten, kann die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung in Betracht kommen. Vor allem – so das OVG – wohl dann, wenn die „Geschäfte“ anonym über das Internet abgewickelt werden.

Fair trial verbietet den Ermittlungsbehörden zu lügen

Der Grundsatz des „fair-trial“ spielt im Strafverfahren eine nicht unerhebliche Rolle – zum Glück immer noch. Von daher ist das Urteil des 4. Strafsenats des BGH in 4 StR 436/09 von Interesse/Bedeutung. Der BGH führt aus:

„Allerdings ist das Verhalten der Ermittlungsbehörden mit Blick auf den fair trial – Grundsatz rechtlich bedenklich. Zwar hätte bei Gefährdung des Untersuchungszwecks nach § 147 Abs. 2 StPO die Möglichkeit bestanden, dem Verteidiger vor Abschluss der Ermittlungen die Einsicht in die Akten insgesamt oder teilweise zu versagen (zur Problematik bei richterlichen Entscheidungen im Ermittlungsverfahren – namentlich bei Haftentscheidungen – vgl. aber Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 75 ff.; Meyer-Goßner StPO 52 Aufl. § 147 Rdn. 25 a). Auch die Unterrichtung über die Durchführung der Observation hätte aus diesem Grunde bis zu zwölf Monaten ohne richterliche Zustimmung zurückgestellt werden können (vgl. § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 12, Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 StPO). Die vorgenannten Vorschriften gestatten jedoch weder die Darstellung eines unwahren Sachverhalts in den Ermittlungsakten noch die aktive Täuschung des Beschuldigten über die wahren Hintergründe seiner Festnahme.“

Also: Lügen ist nicht. Schade nur, dass der 4. Strafsenat dann – wie so oft – sagt: Selbst wenn Fehler vorliegt bzw. es kann offen bleiben, ob ein Fehler vorliegt, denn: Darauf würde das Urteil nicht beruhen.