Archiv für den Monat: Oktober 2009

SPD: Koalitionsvereinbarung im Bereich Justiz: Substanzlos und ohne moderne Ansätze

In einer gemeinsamen Erklärung der sozialdemokratischen Justizminister/innen zur Koalitionsvereinbarung im Bereich der Justiz heißt es:

„Die heute vereidigte schwarz-gelbe Bundesregierung kann die Probleme im Bereich der Justiz nicht lösen. Konzepte lassen sich im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP nicht erkennen. Halbherzige Vorschläge beinhalten die falschen Antworten auf drängende justizpolitische Probleme“. Zu diesem Fazit kommen die sozialdemokratischen Justizministerinnen und Justizminister bzw. -senatorinnen und -senatoren der Länder Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Die FDP habe im Wahlkampf vollmundig eine Stärkung der Freiheits- und Bürgerrechte versprochen. Von den festgelegten Zielen seien jedoch nur weichgespülte Prüfvorhaben übrig geblieben. So habe die FDP in ihrem Wahlprogramm die Wiederherstellung des Bankgeheimnisses durch die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und den Verzicht auf heimliche Online-Durchsuchungen privater Computer gefordert. Doch anstatt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung abzuschaffen, wolle man stattdessen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen abwarten. Tatendrang und Reformmut sehen anders aus.
Auf die drängenden Probleme im Bereich der Jugendkriminalität suche die Koalition die Lösung in Instrumenten, die von Wissenschaft und Praxis als untauglich angesehen würden. Wer glaube, mit der Erhöhung der Höchststrafe für Mord bei Jugendlichen auf 15 Jahre Straftaten verhindern zu können, verkenne die Realität. Wichtig sei vielmehr die Fokussierung auf den Aspekt der Prävention, um weitere Straftaten zu verhindern. Das erreiche man aber nicht durch die stetig wiederkehrende Forderung nach schärferen Strafen, wie man anhand der Beispiele in anderen Ländern erkennen könne. Die Instrumente, die das derzeitige Jugendstrafrecht biete, seien gut und ausreichend.

„Der neuen Bundesregierung scheint es an jeglicher Inspiration zu fehlen. Wir werden deshalb auch in Zukunft die aus unserer Sicht notwendigen Problemlösungen über den Bundesrat in das parlamentarische Verfahren einbringen. Zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger werden wir der konzeptlosen Bundesregierung notfalls helfen müssen“, so die Unterzeichner abschließend.

Quelle: PM Ministerium der Justiz, Rheinland-Pfalz, vom 28.10.2009

OLG Hamm 3 Ss OWi 689/09: Lehrbuch für Verteidiger

Der Beschluss des OLG Hamm vom 15. 09. 2009 in der Sache 3 Ss OWi 689/09 zeigt m.E. deutlich, was man als Verteidiger alles falsch machen und er beweist die Richtigkeit des Satzes: Die Revision/Rechtsbeschwerde wird zumindest auch in der Instanz gewonnen. Man kann es auch anders ausdrücken: Was nutzt die schönste Rechtsbeschwerde-/Revisionsbegründung, wenn der „Angriff“ nicht in der Instanz ausreichend vorbereitet worden ist. Daher der Beschluss ist lesenswert, denn er zeigt folgende Fehler/Schwachstellen auf:

  1. Nicht ausreichende Begründung des Beweisantrages
  2. Den Beweisantrag nicht schriftlich als Anlage zu Protokoll gegeben bzw.
  3. Nicht auf eine zutreffende Formulierung des Beweisantrages im Protokoll geachtet
  4. Die Rechtsbeschwerde nicht ausreichend auch mit dem Ablehnungsbeschluss des Gerichts begründet.

Aber: Immerhin nicht nur die Verfahrensrüge erhoben, sondern auch die Sachrüge, so dass Fehler 4 ausgebügelt worden ist.

BGH: Verfahren gegen Bundeswehrangehörige im Fall „Coesfeld“ müssen neu verhandelt werden

Der BGH hat mit Urteil vom 28.10.2009 – 1 StR 205/09 – das Urteil des LG Münster v. 12.03.2009 im Coesfelder Bundeswehrskandal zum Teil aufgehoben. Das LG Münster hatte u.a. ehemalige Unteroffiziere, die in der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne als Ausbilder tätig waren, von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung, der Misshandlung (§ 30 WStG) und der entwürdigenden Behandlung (§ 31 WStG) freigesprochen. Dem BGH haben die Begründung nicht gereicht. Es gibt also einen zweiten Anlauf.

Quelle: PM des BGH v. 28.10.2009

LG Essen: Keine Disziplinierung durch Haftbefehl

Was immer wieder übersehen wird:  Der Haftbefehl nach den §§ 230 Abs. 2, 236 StPO erfüllt im Strafbefehlsverfahren nicht den Selbstzweck, den Ungehorsam des Angeklagten zu ahnden. Vielmehr soll er (nur) die Durchführung der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der Aufklärungspflicht und der gestalterischen Vorstellungen des Tatrichters sichern – so das LG Essen jetzt in einem Beschluss vom 13.10.2009 – 51 Qs 86/09.

Ein Haftbefehl im Strafbefehlsverfahren ist danach daher unverhältnismäßig, wenn das Gericht die Hauptverhandlung trotz Nichterscheinens des Angeklagten ohne gravierende Einbußen der Wahrheitsfindung durchführen kann. Dabei sind auch die Umstände, die der Zumutbarkeit des Erscheinens des Angeklagten entgegenstehen, zu berücksichtigen.

Interessante Entscsheidung zu einer Problematik, in deren Bereich in der Praxis immer wieder Fehler gemacht werden.

Amtsgerichte/Rechtsprechung zur (verfassungswidrigen) Videomessung

Inzwischen gibt es ja einiges an Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/08. Hier mal eine kleine Auswahl, ohne die jetzt hier kommetieren zu wollen.

Die Entscheidungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen und haben auch unterschiedliche Begründungen. Aber: Man kann mit ihnen argumentieren.